Nordkurven-Rückblick: Das irre Jahr 2022 auf Schalke

Nordkurven-Rückblick: Das irre Jahr 2022 auf Schalke

28. Dezember 2022 0 Von Susanne Hein-Reipen

Schalke kann bekanntlich fast alles, nur nicht langweilig und so war auch das Jahr 2022 wieder ein emotionaler Höllenritt mit der königsblauen Achterbahn: Gestartet auf Platz 4 der zweiten Liga, sieht es zwischenzeitlich so aus, als sei der Aufstieg kein Thema mehr. Unter Mike Büskens gelingt jedoch ein furioser Endspurt, bis sich im Mai alles in purer Aufstiegseuphorie auflöst. Der Start in die erste Liga ist durchwachsen, dann folgt ein heftiger Absturz. Thomas Reis haucht schließlich der Mannschaft und den Hoffnungen wieder neues Leben ein…

Januar 2022: Corona, Vorstand, Kantersieg in Aue

Mit Beginn des neuen Jahres tritt Bernd Schröder sein Amt als Vorstandsvorsitzender auf Schalke an. Seine erste nach außen sichtbare Amtshandlung ist die Teilnahme an der Umbettung von Kult-Spieler Stan Libuda auf das Schalker Fan-Feld.

Sportlich verzichten die Knappen pandemiebedingt auf das Trainingslager in der Türkei und bereiten sich in Gelsenkirchen auf die Rückrunde vor. Corona hat den europäischen Fußball noch fest im Griff und so muss das Testspiel gegen Fortuna Sittard (1:1) gänzlich ohne Zuschauer auskommen. Auch beim ersten Ligaspiel gegen Kiel sind nur 750 Zuschauer erlaubt; das 1:1 (Tor: Terodde) sind aus königsblauer Sicht zwei verlorene Punkte. Beim nächsten Match beim „anderen Kumpelclub“ in Aue dürfen nur 1.000 Dauerkarteninhaber mit „2G plus“ rein, Schalke spielt dennoch wie entfesselt auf und schießt sich mit einem 5:0-Auswärtssieg zurück ins Aufstiegsrennen. Mann des Tages ist der erst kurz zuvor ausgeliehene Andreas Vindheim mit einem Tor und drei Vorlagen. Ein weiteres Testspiel beim 1. FC Köln endet mit 2:2, Dries Wouters (KV Mechelen) und Timo Becker (Hansa Rostock) werden verliehen, als leihweise Zugänge kommen neben Vindheim Marius Lode und Dong-gyeong Lee.


Februar 2022: Trennung von gazprom, Auf und Ab, Parkstadionschals

Für das Heimspiel gegen Aufstiegskonkurrent Regensburg sind kurzfristig 10.000 statt der zunächst avisierten 750 erlaubt. Diese erleben nach einem miesen Start mit früher schwerer Verletzung von Vindheim und Rückstand zwei Treffer von Terodde und Thiaw zum verdienten 2:1-Heimsieg. Eine Woche später gibt es hingegen einen wirklich gruseligen Auftritt und eine 1:2-Niederlage (Idrizi) bei Fortuna Düsseldorf, der die Zweifel an Chefcoach Dimitrios Grammozis lauter werden lässt. Am 17.02. wird anlässlich der 15jährigen Partnerschaft mit gazprom noch ein riesiges Mural auf dem Trainingsgelände enthüllt…

Draußen tobt Orkantief „Zeynep“, drinnen der FC Schalke 04: Dank eines streckenweise spektakulären zweiten Durchgangs ringen die Königsblauen die zuvor auswärts ungeschlagenen Paderborner mit 2:0 (Bülter, Churlinov) nieder und wahren den Anschluss an die Aufstiegsplätze. Die Ultras Gelsenkirchen starten eine Rettungsaktion für den letzten verbliebenen Flutlichtmast des Parkstadions, die Schals gegen weg wie warme Semmeln.

Dann überschlagen sich durch den russischen Einmarsch in der Ukraine auch auf Schalke die Ereignisse: Noch am 24.2. legt der von gazprom kooptierte Matthias Warnig sein Aufsichtsratsmandat nieder, wenige Stunden später verkündet der Verein, in Karlsruhe ohne den gazprom-Schriftzug aufzulaufen. Auf der Baustelle im Wildpark folgt mit FC Schalke 04 auf der Brust ein enttäuschendes 1:1 (Terodde), der Verkauf der Sondertrikots sprengt anschließend einmal mehr den Online-Shop.


März 2022: Grammozis fliegt, Schalke siegt, Beschränkungen fallen

Gegen Hansa Rostock wird die zulässige Stadionkapazität so kurzfristig erhöht, dass die erlaubten 41.000 deutlich verfehlt werden. Den anwesenden 28.790 Schalkern stehen ob der haarsträubenden Defensivpatzer beim 3:4 (3 x Terodde) die Haare zu Berge. Der Vereinsführung offensichtlich auch, denn Grammozis und seine Co-Trainer Piepenbrock und Coort werden sofort freigestellt. Nach kurzem Hin-und-Her wird Co-Trainer und Eurofighter Mike Büskens beauftragt, die Saison zu Ende zu führen. Das Spiel in Ingolstadt findet jedoch ohne „Buyo“ und Rouven Schröder statt, denn beide sind corona-positiv – dafür ist Rodrigo Zalazar in Galaform und besorgt beim 3:0-Auswärtssieg ein Tor selber und legt die beiden anderen für Thiaw und Drexler auf. Der Jubel beim Schalker Auswärtsmob ist riesig.

Die Schalker Konzernbilanz vermeldet trotz Schuldenabbaus rote Zahlen. Beim Heimspiel gegen Hannover 96 ist nach zwei langen Jahren endlich wieder eine Vollauslastung der Arena zulässig, die Ultras kehren zurück und schreien gemeinsam mit über 55.000 Zuschauern Schalke zum 2:1 (Itakura, Zalazar)-Sieg. Für Büskens gibt’s ein Geburtstagsständchen, für Torjäger Terodde und Blendi Idrizi eine Vertragsverlängerung, Zalazar wird bis 2026 gebunden. Beim Testspiel in Utrecht (0:1) bricht sich Marvin Pieringer das Jochbein.


April 2022: Vier Siege, eine Klatsche und Wahnsinn pur in Sandhausen

Der Monat beginnt mit einer großen Pyroshow und einem gepflegten 2:1-Auswärtssieg (2 x Terodde) bei Dynamo Dresden. Im folgenden Spiel wird der FC Heidenheim mit 3:0 (Drexler, Itakura, Terodde) eingetütet, eine Choreo, Bombenstimmung und die Tabellenführung gibt es obendrauf, Fraisl hält alles. Ist. Datt. Schön.

Doch es geht noch schöner: Am Ostersonntag wird der heimstarke SV Darmstadt 98 im Böllenfalltor mit 2:5 (2 x Terodde, 3 x Bülter) vermöbelt,  der Jubel der mitgereisten Fans ist grenzenlos. Erste Rechenspiele, wann der Aufstieg klargemacht werden könnte, kommen auf – und landen brutal auf dem Boden der Tatsachen, denn das Spitzenspiel gegen Verfolger Werder Bremen geht sang- und klanglos mit 1:4 (Terodde) in die königsblaue Hose. Trotzdem feiert die Nordkurve ihre Verlierer vorbehaltlos und baut sie für den Saisonendspurt wieder auf.


Die Belohnung folgt auf dem Fuße: Das Spiel beim SV Sandhausen geht nicht nur wegen drückender Fan-Übermacht in die königsblauen Geschichtsbücher ein, beim 2:1-Last-Minute-Sieg (2 x Terodde) brechen alle Dämme. Die komplette Bank stürzt zur Mannschaft, Ralf Fährmann räumt hulk-artig eine Werbebande ab und die Zäune biegen sich unter den feiernden Schalkern, denn durch den Sieg und das unerwartete 3:2 der Kieler in Bremen ist Schalke mit 59 Punkten wieder alleiniger Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey…


Mai 2022 Aufstieg und Traumtor – der S 04 ist wieder daaaa!

Im Heimspiel gegen den FC St. Pauli könnte also der Aufstieg klargemacht werden, aber nach einer fulminanten Rauch-Choreo und 17 Spielminuten steht es 0:2 – und Schalke vergibt zunächst Chance auf Chance… Unter dem frenetischen Jubel des Publikums bringen zwei Treffer von Terodde den ersehnten Ausgleich, dann jagt Zalazar den Ball aus vollem Lauf via Unterkante der Latte zum 3:2 in Tor. Irgendwie werden die restliche Spielzeit und sieben (!) Minuten Nachspielzeit überstanden, dann brechen alle Dämme, der Platz wird gestürmt, Spieler und Fans drehen gemeinsam durch und schreien die Erlösung nach einer irren Saison mit einem noch irreren Finale heraus. „Nie mehr zweite Liga“, „Der S 04 ist wieder daaaa“, „Oh, wie ist das schöööön“ – SCHALKE IST UND BLEIBT DER GEILSTE CLUB DER WELT!!!


Die Aufstiegshelden Thomas Ouwejan und Marvin Pieringer werden fest verpflichtet; dann geht es mit voller Kapelle und x-tausenden Fans zum Saisonfinale zu den Freunden aus Nürnberg. Schon am Abend vor dem Spiel fliegt auf der Königsstraße die Kuh tief, im Stadion holt Zalazar elegant mit dem rechten Fuß aus und versenkt die Kugel über 58 Meter hinter dem zu weit vor seinem Kasten stehenden Klaus zum 0:1, ein potentielles Tor des Jahres. Terodde mit seinem 30. Saisontreffer besiegelt Sieg und Zweitligameisterschaft. Ein erneuter Platzsturm vereitelt die eigentlich geplante Übergabe der „Radkappe“ vor dem Gästeblock, doch auch vor der Haupttribüne kennt der Jubel kennt keine Grenzen mehr, als Kapitän Danny Latza die Zweitligaschale in den Himmel streckt. Die nächste Jubelorgie nebst Sprechchören erntet Terodde, der strahlend die Torjägerkanone für 30 Tore in 30 Spielen entgegennimmt und unter Sprechchören den Fans präsentiert. Ebenfalls Sprechchöre und eine Heiligsprechung hat sich Mike Büskens verdient, der mit acht Siegen aus neun Spielen einen unfassbaren Endspurt hingelegt hat – DANKE, BUYO!


Am kommenden Tag geht die Sause in Gelsenkirchen weiter: Trotz Mistwetter feiern 22.000 Fans auf dem Rudi-Assauer-Platz ihre Aufstiegshelden. Das eine oder andere Tränchen später werden Martin Fraisl, Marc Rzatkowski, Salif Sané, Yaroslav Mikhailov und Andreas Vindheim verabschiedet, auch bei Ko Itakura zerschlägt sich aus finanziellen Gründen leider die Hoffnung auf eine feste Verpflichtung.


Juni 2022: Frank Kramer kommt; harmonische Mitgliederversammlung

Der Aufstiegsrasen geht hübsch portioniert weg wie warme Semmeln, doch die meistdiskutierte Frage ist: Wer wird neuer Cheftrainer? Bei der Verkündung von Frank Kramer hält sich die Begeisterung in Grenzen, ist er doch mit mäßig attraktivem Fußball mit Bielefeld abgestiegen. Zu den bereits feststehenden Neuzugängen Leo Greiml und Ibrahima Cissé gesellen sich Tobas Mohr, Florent Mollet, Justin Heekeren und Tom Krauß. Für ein Jahr wird zudem Alexander Schwolow von Hertha BSC ausgeliehen, Sebastian Polter kommt vom Reviernachbarn aus Bochum.


Die Mitgliederversammlung verläuft trotz voller Agenda mit Wahlen und Satzungsänderungen harmonisch und zügig. Für die Vorjahre wird den Gremien allerdings die Entlastung verweigert, Pfarrer Dohms Berufung ins Ehrenpräsidium wird schlankweg abgelehnt: Die Fans vor Ort haben mehrheitlich die Nase voll vom „System Tönnies“, das Schalke an den Rand des finanziellen Ruins brachte. Axel Hefer bleibt Aufsichtsratsvorsitzender. Die von Vielen erhofften Transfers, der neue Hauptsponsor und die neuen Trikots werden noch nicht verkündet. Nach dem Trainingsauftakt folgt ein Testspiel beim VfB Hüls (14:0).   

Juli 2022: Spieler kommen, Spieler geh’n; neuer Hauptsponsor

Es folgen weitere Testspiele bei Blau-Weiß Lohne (7:0), gegen Verl (1:0) und den SV Meppen (1:3), dann geht es ins Trainingslager nach Mittersill. Das Personalkarussell dreht sich munter weiter, Hamza Mendyl, Levent Mercan, Rabbi Matondo, Reinhold Ranft, Can Bozdogan, Marvin Pieringer und Ozan Kabak verlassen Königsblau teils endgültig, teils vorübergehend; Maya Yoshida, Cedric Brunner und Alex Kral stoßen hinzu. Als neuer Hauptsponsor wird MeinAuto.de vorgestellt.  


Das Testspiel gegen US Salernitana verläuft torlos; gegen den FC Kufstein gibt es ein 5:0, gegen den FC Augsburg ein leistungsgerechtes 1:1-Remis.  Danny Latza bleibt Mannschaftskapitän. Die Generalprobe vor dem Pflichtspielauftakt verliert Schalke mit 1:3 bei Twente Enschede; am folgenden Schalke-Tag – dem ersten nach zwei Jahren Pandemie – regieren trotzdem gute Stimmung und Zuversicht für die erste Liga…

Die erste DFB-Pokal-Runde führt Schalke nach Oldenburg, denn dorthin ist der Bremer SV ausgewichen. Dank eines souveränen und konzentrierten ersten Durchgangs zieht Schalke mit einem 5:0 -Sieg in die zweite Runde ein. Fast 8.000 mitgereiste Schalkefans und Ailton sind begeistert.


August 2022: Ärger mit dem VAR und eine böse Klatsche

Anfang August stößt noch Jordan Larsson zum Kader hinzu, dann ist es endlich wieder soweit: Erste Bundesliga! 6.000 Schalker reisen heißer als Frittenfett nach Köln und erleben einen durchgedrehten Videoschiedsrichter, der das Schalker Führungstor wegpfeift, Drexler für ein Allerweltsfoul Rot verpasst, das Aus vor dem Führungstreffer der Kölner übersieht und das 2:0 gelten lässt, obwohl Kainz Yoshida schwungvoll auf Schwolow schubst. Am Ende werden die Schalker trotz der 1:3-Niederlage (Bülter) von ihrem Anhang gefeiert.

Vor dem ersten Heimspiel gibt’s kurz leichten Verdruss, weil der Verein mit Bändchen sicherstellen möchte, dass nur Leute mit Nordkurvenkarten auch in die Kurve gelangen. Beim Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach ist die Hütte trotzdem pickepackevoll und erlebt eine Choreo („hundertmal schon totgesagt und dann stehst Du wieder auf“) und ein hochspannendes Match, das dank eines Last-Minute-Treffers von Bülter mit einem leistungsgerechten 2:2 endet. Die Führung hatte Zalazar besorgt, danach wird der erste Punkt bejubelt.  

Marius Lode und Schalke einigen sich auf eine Vertragsauflösung. Beim 0:0 in Wolfsburg wird der zweite Punkt eingefahren, nachdem Simon Terodde mit einem Elfer plus Wiederholung zweimal an Casteels gescheitert ist. Noch viel, viel tapferer müssen die Schalkefans hingegen am vierten Spieltag sein, denn gegen Union Berlin geht Schalke auch in dieser Höhe verdient mit 1:6 baden. Für den zwischenzeitlichen Ausgleich hat Bülter gesorgt, die Nordkurve baut die Spieler trotz eigenen Frustes wieder auf.


September 2022: Zwei Derbys und eine tolle Doku

Am letzten Tag des Transferfensters wird Amine Harit erneut nach Marseille verliehen, Dong-gyeong Lee wechselt zu Hansa Rostock, Kenan Karaman kommt. Beim 1:1 (Terodde) beim VfB Stuttgart zeigt Schalke über weite Stecken eine disziplinierte Leistung, versäumt es aber trotz Überzahl, den entscheidenden Punch für einen Dreier zu setzen. Anschließend feiert die Schalker Doku „Zurück zum Wir“ Premiere und sorgt für ausgedehnte Gänsepellen.

Den Dreier und den verdienten ersten Saisonsieg gibt es im folgenden „kleinen Derby“ mit einem 3:1 gegen den VfL Bochum, nachdem der geplante Fanmarsch wegen Unwetters abgesagt werden musste. Die Tore für Schalke erzielen Drexler, Masovic (ET) und Polter gegen seinen Ex-Verein. Die Freude in der Nordkurve ist groß.  

Auf das kleine folgt das große Derby – und Schalke verkauft seine Haut in der „Wellblechhütte“ in „Lüdenscheid-Nord“ dank einer starken kämpferischen Leistung lange Zeit teuer, muss sich am Ende aber mit 1:0 geschlagen geben. Der stimmgewaltige Auswärtsblock belohnt den enormen Einsatz trotzdem.

In der Länderspielpause gibt’s einen 3:0-Testspielsieg in Gütersloh.

Oktober 2022: Kramer raus, Reis rein, Schröder wirft hin – und eine tolle Choreo

Goldener Oktober? Eher rabenschwarz: Als Erstes wird der FC Augsburg in der Veltins-Arena vorstellig. Bei der Heimniederlage holt Schalke zwar durch Treffer von Terodde und Krauß einen Zwei-Tore-Rückstand auf, muss dann aber trotz Überzahl das bittere 2:3 hinnehmen. Die Nordkurve spendet noch tröstenden Applaus und stimmt „Wir sind da, jedes Spiel…“ an; auf den nur noch spärlich besetzten anderen Tribünen mischen sich jedoch erste „Kramer raus“-Rufe in den Beifall. Zu allem Überfluss werden Sepp van den Berg und Rodrigo Zalazar durch schwere Verletzungen mindestens bis zum Jahresende außer Gefecht gesetzt, Rafael Gikiewicz treibt die Nordkurve zur Weißglut.


Noch schlimmer und spielerisch und kämpferisch erschreckend schwach präsentiert sich der S 04 bei der 0:4-Niederlage bei den zuvor ebenfalls sieglosen Leverkusenern und muss sich deutlichen Unmutsbekundungen der treuen Kurve stellen: Der Gästeblock brüllt wütend eine Dauerschleife von „1.000 Trainer schon verschlissen, Spieler kommen, Spieler geh‘n, doch was stets bleibt, sind wir Schalker, die immer treu zur Mannschaft steh’n“ raus.

Auch das folgende Heimspiel gegen Hoffenheim geht mit 0:3 chancenlos in die Binsen. Das mit Abstand Beste an diesem Abend ist das erste Steigerlied in der abgedunkelten Arena seit über zweieinhalb Jahren, danach nerven der VAR mit zwei Elfmetern für Hoffenheim und eigenes Unvermögen gleichermaßen. Am Ende hat die Nordkurve so die Pappe auf, dass sie der bedröppelten Mannschaft mit von Pfiffen und Kramer raus!-Rufen durchsetztem Schweigen die kalte Schulter zeigt.


Kramer steht trotzdem auch im Pokalspiel in Hoffenheim noch an der Seitenlinie, nach dem grausamen 1:5 (Ehrentreffer Drexler) entlädt sich nicht nur der geballte Frust der Anhänger, auch die sportliche Leitung hat die Nase voll und stellt Kramer am nächsten Morgen frei. Leihspieler Timothée Kolodziejczak hingegen erhält einen Vertrag bis zum Saisonende.

Beim Auswärtsspiel in Berlin betreut Matthias Kreutzer die Mannschaft, die sich zumindest kämpferisch verbessert zeigt, aber aus Mollets spätem Ausgleich keinen Vorteil ziehen kann und einem weiteren späten Gegentreffer zur 1:2-Niederlage hinnehmen muss. Zuvor war ein Traumtor von Bülter abgepfiffen worden.

Statt des erhofften neuen Trainers dann ein Schock: Rouven Schröder verlässt Schalke „aus persönlichen Gründen“ mit sofortiger Wirkung. Wenig später wird dann Thomas Reis, Schröders Wunschkandidat bereits im Sommer, als neuer Cheftrainer vorgestellt.


Bei Reis‘ Debüt verliert Schalke das Heimspiel gegen den SC Freiburg verdient mit 0:2. Für große Gefühle sorgt einmal mehr die Nordkurve – vor dem Spiel mit einer gänsehautbringenden Choreo mit einem sich durch Rauch von weiß zu blau verfärbenden Trikot, hinterher mit einem demonstrativen Schulterschluss mit der überforderten Mannschaft. Im Nachgang setzt es noch Ärger mit der Blaulichtfraktion, da zwar die Choreo, nicht jedoch der Einsatz der Rauchtöpfe abgesprochen war.

November 2022: Aufwärtstrend unter Reis

Die Schalker Halbjahresbilanz ist trotz harter Arbeit aller Beteiligten immer noch Besorgnis erregend – und auch sportlich setzt es bei Mitaufsteiger Werder Bremen trotz einer klaren Leistungssteigerung eine weitere Niederlage. Wieder einmal wird ein Schalker Führungstor (Kral) vom VAR abgepfiffen, Drexlers später Anschlusstreffer reicht nicht.  Die Kurve honoriert die Bemühungen trotzdem.


Beim folgenden Heimspiel gegen den FSV Mainz ist es dann endlich soweit: Ein Dreier!!! Den Treffer des Tages erzielt Terodde bereits in der 14. Minute – und endlich hat der VAR einmal nichts zu meckern. Fast 80 Minuten Rennen, Kratzen und Kämpfen später dann erlösender Jubel.  

Erwartungsgemäß nichts zu bestellen gibt es dann im letzten Heimspiel vor der WM, Branchenprimus FC Bayern ist beim 0:2 schlichtweg zu stark. Die kämpferische Leistung macht jedoch Mut für die Rückrunde; die Nordkurve verabschiedet die Mannschaft mit verbalen Streicheleinheiten in die Pause.   


Dann ruht der Ball auf Schalke; mit Maya Yoshida stellt der S 04 nur einen WM-Fahrer. Reis nutzt die Pause, die Zuständigkeiten im Trainerteam neu zu besprechen. Molinari verlässt den S 04, Büskens und Kreutzer rücken näher an die Knappenschmiede heran und werden künftig nicht mehr auf der Bank sitzen.

Dezember 2022: Erster Mitgliederkongress auf Schalke und zweifaches Singen

Anfang Dezember findet der erste Mitgliederkongress statt, bei dem über 200 engagierte Schalker den ganzen Tag mit Vorstand, Aufsichtsrat und Mitarbeitern über Themen wie Ticketing, Partizipation und Nachhaltigkeit diskutieren. Die Teilnehmer gehen mit einem guten Gefühl nach Hause und sind gespannt, wie die gefundenen Ideen und Impulse aufgegriffen werden. Mit der Einführung von Mehrwegbechern im Januar ist ein Thema der ökologischen Nachhaltigkeit bereits auf den Weg gebracht.


Florian Flick und Kerim Calhanoglu werden bis zum Saisonende zum 1. FC Nürnberg und SV Sandhausen verliehen, um Spielpraxis zu sammeln. Reis nutzt die Testspiele bei Rapid Wien (2:2), Hajduk Split (3:4) und dem VfL Osnabrück (2:2), um mehrere Spieler der U 23 zu testen, dabei stechen insbesondere Sōichirō Kōzuki, Andreas Iwan und Ibrahima Cissé positiv hervor.

Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers verlängert langfristig auf Schalke, mit Chefscout André Hechelmann und Sportreferent René Grotus wird die Nachfolge für Rouven Schröder mindestens bis zum Saisonende intern geregelt. Ihr erster Neuzugang ist Niklas Tauer vom FSV Mainz.


Das Weihnachtssingen in der Arena erntet gemischte Reaktionen, da die Arena nicht einmal zu einem Drittel gefüllt ist, während einige Kilometer weiter 70.000 dabei sind. Klein und fein und mit guter Stimmung kommt hingegen trotz des WM-Finales als „Konkurrenzprogramm“ das Adventssingen in der Glückaufkampfbahn daher. Dann ist das Jahr geschafft – es war aufregend, es war berauschend, es war frustrierend, es war emotional, es war geil, es war typisch schalkig. Nur eins war es nicht: Langweilig – und das ist das Einzige, was man bereits jetzt sicher für 2023 prophezeien kann: Bei uns auf Schalke ist IMMER was los.

In diesem Sinne: Kommt gut ins neue Jahr und bleibt gesund!