Schalke – Bremen 1:4: Fans sorgen für Gänsehautmomente an einem schwarzen Tag

Schalke – Bremen 1:4: Fans sorgen für Gänsehautmomente an einem schwarzen Tag

24. April 2022 1 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 verliert sein Heimspiel gegen den SV Werder Bremen mit 1:4 (0:2) und muss den Grün-Weißen die Tabellenführung überlassen. Die Fans sind enttäuscht, feiern die Mannschaft nach dem Schlusspfiff aber trotzdem – Susanne Hein-Reipen berichtet…

Fünf Siege in Folge, Spitzenspiel des Tabellenführers gegen den Zweiten, allerbestes Fußballwetter – die Vorfreude und der Ansturm auf die Tickets sind so groß, dass Schalke erstmals seit Januar 2020 ein komplett ausverkauftes Haus melden kann: 62.271 Zuschauer bevölkern die Arena.

Volle Kapelle

Die Mannschaft wird nach dem begeisternden Auswärtssieg in Darmstadt mit viel Applaus empfangen, als sie zum Aufwärmen auf den Platz kommt. Im Vorprogramm wird unter anderem die Tischtennis-Abteilung und der Fun-Run-Day in Kooperation mit der AOK Nordwest vorgestellt, dazu gibt’s Statistik – Bremen hat sich leider bereits einige Male als Schalker Angstgegner entpuppt – und den obligatorischen Appell gegen Becherwürfe.

Das Steigerlied wird mit vollem Stimm- und Fahneneinsatz zelebriert, dann schickt die Nordkurve lautstarke Grüße nach Enschede und Nürnberg. Dem Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ folgt dann die königsblaue Aufstellung:  Mike Büskens vertraut heute Fraisl, Calhanoglu, Thiaw, Kaminski, Vindheim, Palsson, Itakura, Zalazar, Drexler, Bülter und Terodde.

Ecke, Abpraller, Tor

Nach dem Anpfiff ertönt sofort lautstark „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Auf geht‘s Schalke schieß ein Tor“, aber auf dem Spielfeld kommen die Gäste von der Weser deutlich besser in die Partie und starten bereits in der ersten Minute den ersten gefährlichen Angriff, aber Ducksch befindet sich knapp im Abseits. Für Schalke versuchen sich Bülter und Calhanoglu im Vorwärtsgang, kommen aber nicht zum Abschluss. Schiedsrichter Deniz Aytekin zückt bereits in der 6. Minute die erste gelbe Karte, weil Rapp Zalazar unsanft an der Schulter umreißt.

Der Wechselgesang SCHALKE! – NULLVIER! zwischen Nord- und Südkurve klingt prächtig, das Geschehen auf dem Platz ist es aus königsblauer Sicht nicht: Die erste Ecke für Werder landet beim freien Weiser, der aus rund 25 Metern Torentfernung einfach mal draufwemst. Fraisl kann den flattrigen Ball nur nach vorne abwehren, wo Gruev gedankenschnell zum 1:0 für Werder einköpft (9.).

Fehler sollte man nicht wiederholen

Der frühe Rückstand beunruhigt das Publikum noch nicht übermäßig; auch in Darmstadt fungierte der erste Gegentreffer als „Wecker“. Die jubelnde Gästekurve wird kurzerhand mit „Steht auf“, „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ und ein paar Anleihen auf dem Bauernhof übertönt. Fraisl schnappt sich einen Kopfball von Friedl; auf der Gegenseite versiebt Torjäger Terodde in für ihn untypischer Manier eine Großchance und jagt eine kluge Vorarbeit von Itakura freistehend über das Tor (21.). Schade!

Auf „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ folgen die Ruhrpottkanaken, während auf dem Rasen die zweite Ecke für die Gäste ansteht. Die entwickelt sich leider zu einem unschönen Deja-Vu, denn sie wird wieder kurz ausgeführt und landet über Ducksch bei Weiser. Dessen Flanke köpft Füllkrug aus kurzer Distanz zum 0:2 in die Maschen (26.).

Abseits und Gelb

Der Gästeblock hat nun natürlich Oberwasser, die Nordkurve schüttelt sich einmal kurz den Frust über zweimal denselben Abwehrfehler aus dem Pelz und ist dann wieder lautstark mit „Steht auf“ und „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ dabei. Kurz darauf trifft Ducksch noch den Pfosten, Vindheim sieht Gelb, weil er Agu herzhaft auf den Fuß steigt.

In der 34. Minute zappelt der Ball zwar hinter Pavlenka im Netz, aber Drexler stand bei der sehenswerten Vorarbeit von Zalazar im Abseits. Kurz darauf geht auch bei Teroddes Vorstoß die Fahne nach oben. Drexler leistet sich genau vor der Nase von Aytekin gleich zwei Frustfouls an Agu und Bittencourt, beim zweiten gibt es dann zu Recht Gelb – die fünfte, somit muss Drexler in Sandhausen zuschauen. Die Nordkurve nutzt die Unterbrechung für ein paar „Nettigkeiten“ Richtung Gästeblock.

Wenn es Offensivaktionen der Schalker gibt, gehen sie zumeist von Zalazar aus. In der 42. Minute kann Pavlenka einen Schuss des quirligen Uruguayers nur nach vorne abprallen lassen, aber Terodde befindet sich leider erneut im Abseits. Der Abstoß von Pavlenka landet über Palsson unfreiwillig bei  Füllkrug. Dessen Zuspiel setzt Ducksch knapp neben das Tor (43.). Mit einer Minute Nachspielzeit und dem lautstarken „Auftrag“ „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ geht es in die Kabinen.

Das Unheil nimmt seinen Lauf

Beim Pausenplausch herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Führung für Bremen verdient ist und von Schalke mehr kommen muss. Nach der Fanbox gibt es wie immer die Infos aus der Abteilung Fanbelange, diesmal mit einem Rückblick auf das Ostereiersuchen in der Arena – bissige Bemerkung eines älteren Herrn in Block M: Ja, die Eier suche ich heute auch -, Werbung für den Knappenkidscup in den Sommerferien und einem Ausblick auf das kommende Auswärtsspiel in Sandhausen. Die zugehörige Auswärtsinfo kommt am Mittwoch; Thomas Kirschner zeigt sich zuversichtlich, dass dort sehr viele Schalker am Start sein werden.

Die Schalker Spieler kommen früh wieder auf den Platz; Mike Büskens bringt Churlinov für den vorbelasteten Drexler. Bremen bleibt jedoch am Drücker; der erste Abschluss von Schmid liegt noch deutlich daneben, einen von Thiaw verursachten Freistoß setzt Ducksch an den Außenpfosten (48.) und der dritte Versuch sitzt: Thiaw ist angeschlagen und wehrt vor die Füße von Bittencourt ab, das Leder landet über Füllkrug bei Ducksch, dieser vollendet mit einem strammen Rechtsschuss zum 0:3 (51.). Die Gästekurve ist nun gut vernehmbar mit „Nur der SVW“, die Nordkurve ist erst einmal bedient, denn Thiaw muss nun auch noch angeschlagen für Flick vom Feld.

Doch schlimmer geht bekanntlich immer: Keine zwei Minuten später trifft erneut Ducksch zum 0:4 (53.). Der stark abgefälschte Schuss lässt Fraisl keine Abwehrmöglichkeit.

Aufgeben ist keine Option

Die Nordkurve schaltet in den Jetzt-Erst-Recht-Modus und stimmt „Schalke 04 für jetzt und alle Zeit“ an. Was auch immer passiert, wir lieben Dich sowieso, bis in die Ewigkeit!

Auch auf dem Rasen ist Schalke nun tatsächlich im Vorwärtsgang, doch weder Churlinov noch Terodde (60.) noch Vindheim (62.) haben das nötige Schussglück. Beide Trainer wechseln; bei Bremen kommt Schmidt für Schmid, für Königsblau darf Aydin für Vindheim ran. Jung sieht gelb für ein „Gemeinschaftsfoul“ mit Bittencourt gegen den davonsprintenden Bülter. Eine schöne Freistoßflanke von Zalazar setzt Kaminski knapp links am Tor vorbei (68.), danach ist für Zalazar Schluss, Idrizi kommt. Bei Bremen ersetzen Mai und Dinkci Gruev und Ducksch.

Die Nordkurve unterstützt die Bemühungen lautstark mit den asozialen Schalkern, „Königsblauer S 04“ und sogar „Schalke ist der geilste Club der Welt“. Das bekommen bei einem hohen Rückstand nicht viele Mannschaften zu hören! Das „Spitzenreiter, Spitzenreiter“ des Gästeblocks wird mit „Scheixx Werder Breeemen“ niedergebrüllt. Der Fußballgott ist trotzdem heute nicht auf Schalker Seite, denn auch Churlinovs harten Abschluss kann Pavlenka klären (80.) Itakura verfehlt das Tor auch nur knapp (85.).

Bittencourt sieht Gelb wegen Zeitspiels, mit einem weiteren Doppelwechsel (Schönfelder für Agu und Mbom für Weiser) nimmt Coach Werner weitere Sekunden von der Uhr. Den Ehrentreffer für Schalke gibt es trotzdem: Terodde hält im Strafraum den Fuß in einen Schuss von Churlinov und trifft mit seinem 25. Saisontor zum 1:4-Endstand (88.). Zwar nur Ergebniskosmetik, aber gut für das Selbstvertrauen, die Tordifferenz und die Moral! Die dreiminütige Nachspielzeit verläuft ohne Aufreger, dann pfeift Aytekin ab.

Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam!

Den Schalker Spielern ist die Enttäuschung deutlich anzusehen, die Bremer feiern. Durch das Ergebnis ist Grün-Weiß mit 57 Punkten und einer Tordifferenz von +18 neuer Spitzenreiter, Schalke folgt mit unverändert 56 Punkten und +25 Toren auf Rang 2. So ärgerlich diese Niederlage gerade nach den großen Tönen der Werderaner in der vergangenen Woche auch ist: Noch ist nichts verloren und Schalke kann in den kommenden drei Spielen unverändert aus eigener Kraft den direkten Aufstieg klarmachen!

Für dieses große gemeinsame Ziel schluckt auch die Nordkurve ihren eigenen Frust über den Spielverlauf blitzschnell hinunter und zeigt der Mannschaft demonstrativ, dass sie geschlossen hinter ihr steht: Als die Spieler bedröppelt Richtung Kurve schleichen, werden sie abgefeiert und wieder aufgebaut!  Die Spieler schauen staunend auf die hüpfende Kurve, aber dieses Vertrauen haben sie sich in den letzten Wochen durch gute kämpferische Leistungen verdient! Echte Schalker sind keine Schönwetterfans, sondern wir gewinnen gemeinsam und verlieren gemeinsam!