Schalke – Bayern 0:2: Diese Niederlage weckt Hoffnung!
13. November 2022Der FC Schalke 04 tritt auch im dritten Spiel unter Thomas Reis kämpferisch stark auf, muss sich aber Tabellenführer Bayern München mit 0:2 (0:1) geschlagen geben. Die Fans schicken ihre Mannschaft mit viel Applaus, Solidarität und Hoffnung in die WM-Pause. Susanne Hein-Reipen berichtet…
Noch vor wenigen Wochen befürchteten die Schalkefans ein Schlachtfest, wenn sie an das Gastspiel des Rekordmeisters dachten, doch die Leistung der Mannschaft in Bremen und beim umjubelten Heimsieg gegen Mainz haben die Zuversicht deutlich ansteigen lassen. Beim Bierchen davor regiert die Hoffnung, dass die Jungs in Königsblau alles geben, ob es dann reicht, wird man sehen.
An den Aufgängen zur Arena gibt es noch einmal Parkstadionschals und Nordkurvenkalender für den Endspurt zur Restaurierung des verbliebenen Flutlichtmastes zu erwerben, so manches Scheinchen wandert auch in die Büchse für die Choreospenden, schließlich ist die tolle Aktion vor dem Spiel gegen Freiburg noch gut im Gedächtnis.
Boykott Qatar!
Die beiden Stadionsprecher Dirk und Jörg tragen den diesjährigen eher schaurigen als schönen Christmas Sweater; auch die beworbene „Schalker Soundmaschine“ fällt in die Kategorie „Dinge, die die Welt nicht braucht“. Brauchen tun wir hingegen Torhüter und so werden Schwolow und Fährmann lautstark begrüßt. Bei Ralles artistischen Verrenkungen beim Warmmachen schmunzelt ein Schalker in Block M, dass Kuchen offenbar fit macht.
Applaus bekommen auch die Blindenreporter, welche die Schalker Spiele für alle Fans mit Sehbehinderung kommentieren und erlebbar machen. Wenig später stattet auch das Schalker FIFA-Team einen Besuch am Mikro ab.
Ein gellendes Pfeifkonzert ist hingegen die Begrüßung für Manuel Neuer, seinen Teamkameraden mit den Ex-Schalkern Leroy Sané, Leon Goretzka und Eric Maxim Choupo-Moting ergeht es nicht viel besser. Unerwünscht bei vielen Schalkern ist auch die WM in Qatar, zu dem bereits seit Wochen in der Südkurve präsentierten Großbanner haben sich mehrere kleine von Arena-Dauergästen wie den Klutis gesellt.
Drexler für Mollet
Blicke auf die Ergebnisse der U-Mannschaften der Knappenschmiede und die Statistik sowie die Begrüßung zahlreicher alter Schalker Helden wie Emile Mpenza, Norbert Nigbur, Tomasz Hajto und René Eijkelkamp runden das Vorgeplänkel ab. Die Nordkurve ölt derweil mit „Schaaalke und der FCN“, „Seht Ihr die Fahnen weh’n? Wir woll’n Euch siegen sehn“ und netten Grüßen nach Enschede und weniger netten Grüßen an Neuer die Kehlen.
Das Licht geht aus, der Steiger kommt, ein Schalker Moment, der auch beim wiederholten Male nichts von seiner emotionalen Wucht und Gänsehaut verliert. „Blau und Weiß, wie lieb‘ ich Dich“ und „Jeden Tag und jede Nacht“ folgen, dann wird zum Einlaufen der Mannschaften die Aufstellung mitgebrüllt. Mit Ausnahme des kompromisslosen Drexlers für Mollet vertraut Reis der Anfangself der beiden vergangenen Spiele: Schwolow, Mohr, Matriciani, Yoshida, Brunner, Krauß, Kral, Bülter, Drexler, Karaman und Terodde beginnen.
Volle Hütte und geile Stimmung
Die Stimmung in der mit 62.271 Zuschauern restlos ausverkauften Arena ist grandios, zum Anpfiff ertönt dröhnend laut „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ und „Auf geht‘s Schalke schieß ein Tor“. Das Star-Ensemble von der Isar übernimmt zwar schnell den Ballbesitz, aber die Knappen halten kräftig dagegen und werden für jeden Zweikampf, jede Balleroberung und jeden Vorstoß bejubelt. Auch Reis titscht temperamentvoll an der Seitenlinie entlang und geht 104prozentig mit.
Den ersten echten Torschuss gibt Gnabry ab (8.), doch der Ball geht über die Querlatte. In der Folgezeit gelingt es Schalke sehr gut, die Bayern von ihrem Tor fernzuhalten. „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, „Wer nicht hüpft, der ist ein Münchner“ und der Wechselgesang Schalke! – Nullvier! erfassen die ganze Arena.
Gegen Mitte des ersten Durchgangs kommt Schalke dann auch in den Münchner Strafraum; Karamans Schuss liegt noch zu hoch (22.), aber gegen Bülter muss Neuer sein ganzes Können zeigen (24.). Auf der Gegenseite kann Krauß einen Kopfball von Gnabry ins Aus befördern (27.). Die Nordkurve geht begeistert mit und stimmt „Stadion geh’n im Pappbecher Bier“ und „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ an.
Gnabry bringt die Bayern in Führung
Nach einer halben Stunde kommen die Bayern trotz der tapferen königsblauen Gegenwehr zunehmend besser ins Rollen und haben durch Kimmich (33.) und Choupo-Moting (34.) zwei gute Chancen. Kurz darauf muss Drexler kurz behandelt werden, Reis und Nagelsmann nutzen die Unterbrechung für taktische Anweisungen, die Nordkurve für „Wir lieben alle nur den FC Schalke“.
Und dann ist es passiert: Gnabry, Kimmich und der bärenstark aufspielende Youngster Musiala überrennen blitzschnell die Schalker Abwehr; Gnabry kann mit einem platzierten Schuss in die linke Ecke zur 0:1-Führung abschließen (38.). „In solchen Momenten zeigt sich leider der Klassenunterschied“ ächzt ein Schalker auf der Gegengeraden und erhält dafür viel Zustimmung.
Die Fans berappeln sich jedoch blitzschnell wieder und intonieren „Vorwärts FC Schalke, schieß‘ ein Tor für uns“ und tatsächlich verpasst Terodde in der einminütigen Nachspielzeit eine schöne Flanke von Mohr nur haarscharf. Dennoch geht es mit viel Applaus in die Kabinen, denn die Mannschaft hat sich so präsentiert, wie die Fans gehofft haben. Fanbox und der Talk mit Thomas Kirschner, dieses Mal unter anderem zu den Fußballkulturtagen NRW runden die Pause ab.
Viel Pyrotechnik und noch ein Treffer
Zum Wiederanpfiff wird Neuer von der Nordkurve mit einem Pfeifkonzert und uncharmanten Vermutungen über den Beruf seine Mutter empfangen. Ein Doppelhalter in der Kurve zeigt ihn selber als handtäschchenschwenkende Bordsteinschwalbe. Im Gästeblock, von dem akustisch wenig bis Nichts zu hören war, brennt es derweil kräftig.
Zu den Klängen von „Wir komm‘n vom Berger Feld“ ist Schalke zunächst im Vorwärtsgang; Pavard kann eine Brunner-Flanke gerade noch vor Terodde klären (49.). Kurz darauf gibt es nach einem Foul von Gnabry an Bülter einen Freistoß für Schalke – doch Mohr bringt die Hereingabe so flach, dass er von der Bayerndefensive problemlos abgefangen und in einen blitzschnellen Gegenangriff umgewandelt werden kann. Yoshida und Matriciani sehen sich so vier anstürmenden Bayern gegenüber und Choupo-Moting kann nach der zweiten Vorlage des überragenden Musiala das 0:2 erzielen (52.).
Das Schalker Publikum schwankt zwischen Frust und Bewunderung für das Tempo und stimmt sofort wieder „Steht auf“ und die asozialen Schalker an; Reis bringt mit Larsson für Karaman einen frischen Offensivakteur (59.).
Kein direktes Duell der Sané-Brüder
Bei den Bayern kommt De Ligt für Leroy Sané ins Spiel (60.), der somit das Bundesligadebüt seines kleinen Bruders Sidi für Schalke um wenige Minuten verpasst. Er darf für Bülter ran, Kolodziejczak ersetzt Mohr (66.).
Die Stimmung ist ungebrochen top; „Immer wieder S 04“ dröhnt in den Himmel über Gelsenkirchen. Eine herzhafte Grätsche von Brunner gegen Coman wird abgefeiert. Das vermeintliche 0:3 der Bayern zählt nicht, da Schütze Musiala sichtbar im Abseits stand (69.), Schwolow rettet gegen Gnabry (70.). Der Bayernblock versucht mit „Deutscher Meister wird nur der FCB“ und etlichen weiteren Bengalos zu provozieren, doch die Nordkurve hat dafür nur ein müdes Lächeln über und übertönt die kläglichen Bemühungen locker mit „Schalke ist die Macht!“ Wir holen uns die Meisterschaft, das wäre doch gelacht…
Beide Trainer schöpfen munter das Wechselkontingent aus, Sabitzer kommt für Goretzka, Stanisic für Hernandez, Wanner für Musiala, Gravenberch für Coman. Bei den Guten dürfen Aydin für Brunner und Latza für Drexler ran (75.). Schwolow muss erneut retten, den Schalkern geht jetzt ein wenig die Kraft aus (78.). Obwohl klar ist, dass Schalke den Rückstand nicht aufholen wird, feiern die Fans mit dem Schalkewalzer und der unumstößlichen Wahrheit „Schalke ist der geilste Club der Welt“, ein Gefühl, das Erfolgskunden wohl niemals kennenlernen werden.
Jedes Spiel – ist doch klar!
In der 87. Minute verpasst Neuer beinahe einen Rückpass, kann den Ball aber noch Kontrolle bringen, in der Nachspielzeit geht ein Abschluss von Gnabry am Tor vorbei, dann ertönt der Schlusspfiff, während die Nordkurve unbeirrt im Mantra „S 04 wir sind da da, jedes Spiel ist doch klar…“ bleibt.
Beim Gang in die Kurve marschiert Reis mit einem demonstrativen Dank an die Fans vorweg, zieht sich dann aber zurück, damit die Mannschaft sich von der Kurve die verdienten verbalen Streicheleinheiten abholen kann. Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen! Die tabellarische Situation hat sich durch das Ergebnis und den Sieg von Konkurrent VfL Bochum natürlich nicht gebessert, Schalke geht als Schlusslicht mit fünf Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz in die WM-Pause. Die insbesondere kämpferisch stark verbesserten Leistungen unter Reis und der eindrucksvoll wiedergefundene Schulterschluss mit den treuen Fans machen trotzdem Mut, dass Schalke nach der Pause mit einigen Rückkehrern noch genug Punkte sammeln kann. In diese Kerbe schlägt auch Thomas Reis „Im zweiten Saisonteil sind wir der Jäger. Wir starten von Platz 18 und tun gut daran, nur auf uns selbst zu schauen und nicht auf die Tabelle. Es geht darum, Woche für Woche zu punkten.“ Glückauf!