Schalke – Augsburg 2:3: Aufholjagd wird nicht belohnt, nur die Nordkurve tröstet

Schalke – Augsburg 2:3: Aufholjagd wird nicht belohnt, nur die Nordkurve tröstet

3. Oktober 2022 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 holt gegen den FC Augsburg einen Zwei-Tore-Rückstand auf, muss sich jedoch am Ende trotz Überzahl dennoch mit 2:3 geschlagen geben. Die Nordkurve spendet Applaus für den kämpferischen Einsatz, doch die Sorgenfalten werden tiefer. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Vor dem Spiel ist die Stimmung an den einschlägigen Treffpunkten zum Vorglühen auf das Spiel optimistisch, das Wetter stimmt und den meisten Fans winkt dank des Feiertags ein freier Montag, man könnte also prima einen Sieg feiern…

Der neue Nordkurvenkalender ist da

Beim Einlass in die Arena zickt die S04-App etwas rum, doch viele haben sicherheitshalber die Papier- oder Chipkarte am Start, so dass am Ende 60.328 Zuschauer, darunter rund tausend Gäste, für eine nahezu ausverkaufte Arena sorgen. Die druckfrischen Nordkurvenkalender 2023 gehen weg wie warme Semmeln – wer keinen bekommen hat, kann beim nächsten Heimspiel zuschlagen oder bestellen.

Beim Fanspiel muss sich der „Schalker Freudentaumel Wanne-Eickel“ dem „Knappensturm“ aus Oberhausen mit 3:4 geschlagen geben. Auf den Rängen wird derweil schon über die Aufstellung gestritten, denn Rodrigo Zalazar sitzt zunächst wieder nur auf der Bank. Kramer setzt auf Schwolow, Ouwejan, Yoshida, van den Berg, Matriciani, Flick, Krauß, Bülter, Drexler, Polter und Terodde.

Während sich die Mannschaften aufwärmen, plaudert Jörg Seveneick mit zwei Mädels aus der neugegründeten U 11, Sebastian Buntkirchen kündigt eine große Umfrage zur Anreise an und es gibt viele Grüße zum 56. Geburtstag von Sportvorstand Peter Knäbel. Die Heimstatistik gegen Augsburg sieht ebenfalls gut aus.

Doppelschock durch Demirovic

Auf das Steigerlied folgt eine kleine „Stimmungsprobe“, alle Tribünen sind wach und können gemeinsam das Vereinslied „Blau und Weiß wie lieb‘ ich Dich“ schmettern. Im Gästeblock wird mit einer kleinen, aber feinen Choreo in den Vereinsfarben plus Pyro an die Ultras Max und Dani erinnert, die 2015 auf dem Heimweg von einem Auswärtsspiel in Gladbach tödlich verunglückten. Obwohl der Qualm noch einige Zeit durch die Arena wabert, gibt es zu diesem traurigen Anlass keinen einzigen Pfiff von Schalker Seite.  

Die Nordkurve skandiert „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ und startet eine längere Schleife von „Jeden Tag und jede Nacht singen wir immer wieder blauweiße Lieder…“ und den bekannten Wechselgesang SCHALKE! – NULLVIER! zwischen Nord- und Südkurve. Auf dem Rasen starten beide Teams ohne lange Abtastphase, aber die Gäste sind effektiver: Nach „Warnschüssen“ von Hahn und Berisha kommt der Ball mit unfreiwilliger Mithilfe von Matriciani, der eine Flanke von Hahn verlängert, zu Demirovic, der platziert mit rechts zum 1:0 ins lange Eck einschießt (9.).

Die Kurve schüttelt sich nach diesem Fehlstart einmal kurz und intensiviert dann die akustische Unterstützung mit „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“, „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ und „Wir lieben alle nur den FC Schalke“ – und die Spieler sind sichtlich bemüht, den Rückstand aufzuholen, aber weder Krauß (13.) noch Drexler in durchaus aussichtsreicher Position (16.) treffen ins Schwarze. Stattdessen jubeln wieder die Augsburger, weil Demirovic nach schöner Vorarbeit von Hahn und Berisha mit links zum 0:2 einnetzt (21.). Sch…ade.

Terodde trifft

Das hatten sich so ziemlich alle Schalker anders vorgestellt, Büskens, Asamoah und Schröder schauen auf der Bank ziemlich frustriert aus der Wäsche, die Kurve fordert Zalazar, als sich die Ersatzspieler aufwärmen. Trotzdem gilt: Schalke 04 für jetzt und alle Zeit…

Die Spieler stecken nicht auf, doch Bülter (26.) und Drexler (28.) nutzen ihre Möglichkeiten nicht. Bauer schubst Terodde weg und sieht die erste gelbe Karte des Spiels (30.), doch zwei Minuten später ist der Stürmer nicht zu bremsen: Matriciani stört einen Pass von Demirovic zu Niederlechner getroffen, das Leder kommt über Drexler im Strafraum zu Terodde, der nicht lange fackelt und den Ball mit links unter die Latte knallt (33.). Der Anschlusstreffer zum 1:2, geht doch!

Noch im Torjubel gibt’s eine mächtige Rudelbildung am Mittelkreis, denn Terodde holt Rexhbecaj, der ihn angerempelt hatte, unsanft von den Füßen. Als sich die Gemüter wieder beruhigen, sehen Terodde, Bülter und Berisha jeweils die gelbe Karte. Die Nordkurve fordert derweil „Vorwärts FC Schalke, schieß‘ ein Tor für uns!“

Der Ausgleich will jedoch trotz mehrfacher Versuche insbesondere von Ouwejan und Bülter und 4:0 Ecken nicht mehr fallen, so dass es mit dem 1:2-Rückstand in die Kabinen geht. Heißestes Pausenthema ist die Aufstellung, besonders die Personalien Zalazar und Matriciani erhitzen die königsblauen Gemüter.

Verletzungspech für Van den Berg

Nach der Fanbox folgt der spieltägliche Talk mit Thomas Kirschner vom Team Fanbelange, der unter anderem über die 90 Minuten mit Didi Schacht, das kommende Auswärtsspiel in Leverkusen – die Fahrtzeiten des Entlastungszugs folgen mit der Auswärtsinfo – und freie Plätze bei den Knappenkids plaudert.

Zum Wiederanpfiff werden die Gebete etlicher Schalker erhört: Zalazar kommt, allerdings muss dafür Bülter statt Polter vom Feld. Beim ersten Angriffsversuch im zweiten Durchgang steht Terodde knapp im Abseits (49.), dann richten sich alle Augen auf Van den Berg, der beim Blocken eines Schusses von Berisha ohne Fremdeinwirkung böse umknickt und nach minutenlanger Behandlung mit bandagiertem Fuß und schmerzverzerrtem Gesicht mit einer Krankentrage vom Platz getragen werden muss. Auch die Augsburger Fans spenden ebenso wie die Schalker und mehrere Mitspieler aufmunternden Applaus, für ihn kommt Greiml. Gute Besserung, Sepp!

Die Nordkurve supportet jetzt mit „Schalke nur Du alleine bist meine Liebe“; Niederlechner und Krauß prüfen den jeweils gegnerischen Keeper. Zalazar erntet zweimal Szenenapplaus, weil er siegreich aus Abwehrduellen hervorgeht.

Krauß zum umjubelten Ausgleich

Den vielumjubelten Ausgleich macht jedoch nicht der uruguayische Dribbelkünstler, sondern Tom Krauß, der nach perfekter Vorlage von Drexler aus vollem Lauf mit dem rechten Fuß unter die Querlatte einnetzt. Da ist das 2:2 (63.), alles wieder offen!

Von der Elbe bis zur Isar, immer wieder S 04“ dröhnt durch die Arena, Aydin ersetzt Matriciani – und Terodde trifft zum vermeintlichen 3:2, doch die Fahne ist bereits oben (68.), wohl zu Recht. Niederlechner sieht Gelb, Berisha sogar Gelb-Rot für einen kräftigen Ellbogencheck gegen Yoshidas Kopf – verhilft die Überzahl Schalke zum entscheidenden Treffer?

Die Nerven bei den Augsburger liegen in dieser Phase blank, auch Demirovic und Gumny werden verwarnt, Jensen ersetzt den ebenfalls vorbelasteten Niederlechner. Steht auf, wenn Ihr Schalker seid…

Schalke drückt, Augsburg trifft

Und es fällt tatsächlich ein Treffer, aber leider auf der falschen Seite: Nach Vorarbeit von Bauer und Gumny landet dessen Flanke genau auf dem Scheitel von Hahn, der unhaltbar für Schwolow die erneute 2:3-Führung für die Fuggerstädter erzielt. Der Schalker Anhang fühlt sich böse an den legendären Spruch „Zuerst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech hinzu“ von Kobra Wegmann erinnert.

Kramer bringt mit Karaman (für Drexler) und Mohr (für Ouwejan) zwei weitere frische Spieler, aber das Runde will trotz Bemühungen von Terodde, Krauß, Zalazar und Terodde nicht mehr in das Eckige. Der FCA verstärkt mit Pedersen für Doppeltorschütze Demirovic die defensive; Gikiewicz lässt sich an der Wade behandeln und danach noch aufreizend viel Zeit, was ihm ein A-W-H der Nordkurve einträgt. Auch bei einem Freistoß haben die Gäste es üüüüüberhaupt nicht eilig.

Die Nordkurve unterstützt unverdrossen mit „Vorwärts FC Schalke“, während auf den anderen Tribünen bereits die Abwanderung startet. Krauß muss kurz behandelt werden, kann aber weiterspielen, aufmunternde Sprechchöre inklusive. Es gibt satte sieben Minuten Nachspielzeit, in denen sogar Schwolow zweimal mit in den gegnerischen Strafraum stürmt, aber Augsburg verteidigt das 2:3 bis zum für die Schalker bitteren Ende.

Gegen wen will Schalke gewinnen?!

Nach dem Abpfiff bekommen sich Terodde und Gikiewicz noch heftig in die Haare, weil der Augsburger Keeper sich nicht von der Nordkurve wegholen lassen möchte, obwohl die Atmosphäre extrem aufgeladen ist und bereits Feuerzeuge fliegen – Rouven Schröder und zwei Mannschaftskameraden von Gikiewicz zerren die beiden mit Mühe auseinander, die Nordkurve unterstützt natürlich den Torjäger und schickt einige Beschimpfungen in Richtung der feiernden Augsburger. Terodde bedankt sich artig „Ein riesiges Kompliment möchte ich an unsere Fans aussprechen. Sie haben uns durchgehend nach vorne gepeitscht. Ich ziehe daraus viel Kraft.“

Die Augsburger klettern durch den dritten Sieg in Folge auf Platz 10, Schalke ist Fünfzehnter. Die Nordkurve spendet noch tröstenden Applaus und stimmt „Wir sind da, jedes Spiel…“ an; auf den nur noch spärlich besetzten anderen Tribünen mischen sich erste „Kramer raus“-Rufe in den Beifall. Die bange Frage ist: Gegen wen will Schalke gewinnen, wenn nicht einmal in Überzahl und gegen eigentlich durch den verspielten Zwei-Tore -Vorsprung bereits demoralisierte Augsburger gepunktet werden kann?

Es ist frustrierend, trotz großen Einsatzes wieder ohne einen Zähler dazustehen. Die Diskussionen um Frank Kramer und seine Aufstellungen werden durch dieses Ergebnis nicht leiser werden. Im nächsten Spiel muss Schalke bei den sehr schwach gestarteten Leverkusenern antreten, man darf gespannt sein.