Rapid Wien – Schalke 2:2: Handschrift von Thomas Reis wird deutlich

Rapid Wien – Schalke 2:2: Handschrift von Thomas Reis wird deutlich

10. Dezember 2022 0 Von Susanne Hein-Reipen

Rapid Wien und Schalke 04 trennen sich nach einem intensiven Testspiel mit 2:2 (0:2).  Besonders aufschlussreich ist die erste Halbzeit, in der die um die vier U23-Spieler ergänzte Schalker Elf durch einige schöne Kombinationen und spielerisch Ansätze überzeugt. Susanne Hein-Reipen ist in Wien  dabei und berichtet…

Wien ist zweifellos eine schöne Stadt, besticht aber leider am Spieltag durch nasskaltes Mistwetter. Die für Schalker Verhältnisse sehr wenigen – steigende Preise und knappe Urlaubstage lassen grüßen – Königsblauen, die die Mannschaft begleiten, lassen sich davon nicht abhalten und bevölkern die sehenswerten Weihnachtsmärkte der österreichischen Hauptstadt.

Mit der U-Bahn 4 geht es dann Richtung Hütteldorf, nach ein wenig Herumirren wird auch der Durchgang zum Allianz-Stadion gefunden, das 2016 das traditionsreiche Gerhard-Hanappi-Stadion ersetzte. Das Stadion selber öffnet erst anderthalb Stunden vor Spielbeginn, doch es gibt mehrere klasse Lokalitäten in der näheren Umgebung, darunter das urige „Stag‘s Head“. Große Bierauswahl, viele Leinwände, leckeres Essen (Kenner empfehlen den Nutella-Palatschinken) – eine solche gemütliche kulinarische Anlaufstelle würde der Veltins-Arena auch gut zu Gesicht stehen.

Die Toiletten sind ein Gesamtkunstwerk europäischer Fußballsticker, darunter auch zahlreiche von den gemeinsamen Freunden vom Nürnberger Glubb. Rapidler, sympathische Schalker aus Österreich und Süddeutschland, einige Nürnberger und Gäste aus dem Pott und eine kroatische Fraktion verfolgen einträchtig das Viertelfinale gegen Brasilien.

Der Fanshop ist modern und gut besucht, die Spiel-Seidenschals gehen weg wie warme Semmeln. Am „Rapideum““ und diversen Würstelständen vorbei heißt es dann einen weiiiiiten Umweg um drei Häuserblocks zu marschieren, um zum Gästeblock zu gelangen. Dieser ist mit einer an Viehgatter erinnernden Vereinzelungszäunen auf kopfstarke und krawallbereite Auswärtsfans ausgerichtet und wirkt für ein Freundschafts-Testspiel übertrieben. Die Kontrollen verlaufen dann aber freundlich und unkompliziert.

Der Gästeblock ist mit ungefähr 300 Schalkern sehr leer, das übrige Stadion mit insgesamt 9.100 Zuschauern auch nicht gut gefüllt. Der Stadionsprecher ruft das „letzte Spiel des Jahres“ aus und spielt das Vereinslied von Rapid, die königsblauen Gäste werden bei der Begrüßung der Tribünen irgendwie vergessen.

Nicht vergessen wird die Aufstellung der Knappen: Nach diversen Ausfällen – Reis muss unter anderem auf Yoshida, Latza, Drexler, Aydin und Kral verzichten – wurde die Mannschaft um mehrere Spieler aus der U23 der Knappenschmiede ergänzt. Die Startelf bilden Schwolow, Müller, Matriciani, Schell, Brunner, Krauß, Ivan, Kozuki, Larsson, Bülter und Terodde. Bei Rapid erhält Kapitän Guido Burgstaller Applaus von beiden Fanlagern.

Zum Einlaufen der Mannschaften erinnert in der Westkurve der Heimfans ein Banner an den vor einer Woche verstorbenen beliebten Volksschauspieler Karl Merkatz. Es folgt „eine Minute Lockdown“, um an die „Wien impft weiter“-Kampagne zu erinnern, dann rollt der Ball.

Die erste Aktion geht auf das Konto der Hausherren, kann aber von Müller bereinigt werden. Eine Hereingabe von Larsson findet keinen Abnehmer, aber in der 8. Minute marschiert Bülter über links und bedient Kozuki, der mit einer gekonnten Drehung mit dem linken Fuß ins rechte Eck das 1:0 für Schalke erzielt.

Reis coacht an der Seitenlinie so engagiert, als wäre dies ein End-  und kein Testspiel und tatsächlich blitzen immer wieder gelungene Aktionen auf. Auch ein Freistoß von Rapid wird problemlos abgewehrt (19.). In der 23. Minute muss Schwolow einen Schlenzer von Burgstaller parieren, prompt gibt es Sprechchöre für den wegen seines Einsatzes auf Schalke immer noch sehr beliebten „Burgi“.

Auch gegen einen Fernschuss von Moormann kann Schwolow klären, dann ist wieder der S04 am Drücker: Larssons Flanke vom linken Flügel findet Terodde, der vollstreckt aus kurzer Distanz mit rechts zum 2:0 (31.). Der kleine Schalker Anhang ist begeistert und stimmt die „asozialen Schalker“ an. Matriciani, heute als Abwehrchef unterwegs, präsentiert sich zweikampfstark und aufmerksam.

Kurz vor der Pause muss Schwolow erneut gegen Burgstaller klären, dann werden die Schalker mit Applaus in die Pause verabschiedet. Im Gästeblock herrscht Einigkeit, dass das streckenweise recht gut aussah – und dass Veltins besser schmeckt als österreichisches Bier.

Zum Beginn der zweiten Halbzeit zeigt sich, dass Reis das Spiel wirklich zum intensiven Testen nutzen will; mit Fährmann, Boboy, Kyerewaa, Mollet, Mohr, Karaman und Polter gibt es gleich sieben Neue, Schwolow, Terodde, Kozuki, Brunner, Matriciani, Larsson und Bülter haben Feierabend. Nach einem Foul von Schell erhält Rapid einen Freistoß an der Strafraumgrenze, Knasmüllner tritt an und verlädt Mauer und Fährmann gleichermaßen. Sein Treffer ins linkere obere Eck bedeutet den Anschluss zum 1:2 (48.).

Und die Gastgeber bleiben im Vorwärtsgang, Schell rettet auf der Torlinie (55.). Das vermeintliche 3:1 (60.) durch Mohr nach einem Entlastungsangriff der Schalker zählt wegen Abseits nicht. Stattdessen wird Mohr aus kurzer Distanz von Koscelnik an der Hand „abgeschossen“, der Schiedsrichter befindet dennoch auf Handelfmeter. Im Schalker Block macht sich Unmut über diese harte Entscheidung breit, „Orange trägt nur die Müllabfuhr“ und Fährmann-Sprechchöre ertönen. Kerschbaum lässt sich davon allerdings nicht beirren und verwandelt platziert zum 2:2-Ausgleich (62).

Das Spiel ist nunmehr ausgeglichener, aber auch zerfahrener als im ersten Durchgang, mehrere Wechsel bei Rapid und Cissé für Schell nehmen weitere Zeit von der Uhr. Krauß kommt im Strafraum gegen zwei Wiener zu Fall, die Pfeife bleibt jedoch stumm, obwohl er anklagend mit dem bei der Aktion auf der Strecke gebliebenen Schuh wedelt (72.).

Ralf Fährmann kann sich in der 75. Minute mit einer Rettungstat gegen Bajic auszeichnen, dann kommt Königsblau noch einmal auf. Ein Freistoß von Mollet knallt ans Lattenkreuz (84.), kurz darauf scheitert der Franzose an Rapid-Keeper Gartler (87.). Den letzten Kopfball setzt Karaman knapp neben das Tor. In der Heimkurve präsentieren die Ultras Rapid ein Banner „Frohe Weihnachten allen Rapidlern“.

Der Abpfiff ist pünktlich, mit der Punkteteilung können alle Beteiligten leben. Thomas Reis dürfte insbesondere die erfrischende Offensivleistung von Kozuki erfreut zur Kenntnis genommen haben, der hoffentlich auch im nächsten Testspiel bei Hajduk Split eine Chance  erhält.