Schalke – Heidenheim 3:0: Spitzenreiter und Traumtor – Schalke feiert

Schalke – Heidenheim 3:0: Spitzenreiter und Traumtor – Schalke feiert

9. April 2022 Aus Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 besiegt den FC Heidenheim nach einer äußerst unterhaltsamen zweiten Halbzeit mit 3:0 (1:0) und feiert völlig losgelöst mit den Fans, die zuvor eine Nordkurven-Choreographie und lautstarken Dauersupport geliefert hatten. Wunderbarer Balsam auf den Wunden von zwei harten Jahren mit Geisterspielen und Abstieg, findet Susanne Hein-Reipen…

Auch Aprilwetter hält Schalker nicht vom Besuch in ihrem „Tempel“ ab, man muss nur eine Pause zwischen zwei Schauern finden. Einmal drin, winken als Belohnung die begehrten Parkstadionschals und ein geschlossenes Dach. Und: In der Nordkurve werden fleißig blaue und weiße Fahnen verteilt, nach über zwei Jahren weitgehend ohne Fans Grund für freudige Erwartung.

Das Vorprogramm weist heute neben dem Fanspiel und Werbung unter anderem Appelle für freiwilliges Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (kommen nicht gut an) und gegen Becherwürfe in den Innenraum (kommen deutlich besser an, damit das gemeinsame Ziel nicht gefährdet wird) und ein Interview mit Vertreter(innen) der Schalker Leichtathletikabteilung auf.

Endlich wieder eine Choreo!

Sowohl die Torhüter als auch die Mannschaft werden von den 57.126 Zuschauern begeistert empfangen, „Vorwärts Schalke kämpfen und siegen!“ lautet die Parole, bevor äußerst lautstark Steiger- und Vereinslied geschmettert werden. Und dann ist es soweit: Vom Oberrang senkt sich ein riesiges Nordkurve-Banner, der Unterrang ist ein einziges Fahnenmeer, dazu gibt es Konfetti und Wurfrollen satt. Zum Einlaufen der Mannschaft fängt es dann auch mächtig an zu qualmen, königsblaue Rauchtöpfe vernebeln noch minutenlang die Sicht, aber das scheint heute selbst die notorischen Dauernörgler nicht zu stören, zu groß waren die Entzugserscheinungen nach echter Nordkurvenaction.

Je nach Gemütslage gibt es entweder ein dickes „Hühnerfell“ oder feuchte Augen, auch die einlaufenden Spieler – die zuvor bis auf wenige Ausnahmen ja nur eine Arena mit starken Beschränkungen erleben durften – blicken beeindruckt auf die Kurve. Als Startelf lässt Mike Büskens Fraisl, Calhanoglu, Thiaw, Kaminski, Matriciani, Latza, Itakura, Zalazar, Drexler, Bülter und Terodde ran.

Fraisl ist der Rückhalt

Trotz sehr lautstarker Unterstützung mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Schalala Schalke 04“ haben die Gäste unter der bläulichen Rauchwolke – zwischenzeitlich wird das Dach einen Spalt geöfnet, damit sich der Dunst verziehen kann – zunächst zumindest offensiv mehr vom Spiel, aber Fraisl lässt trotz der Hängepartie um eine etwaige Anschlussbeschäftigung nichts anbrennen und klärt sicher gegen Sessa (3.) und eine dicke Doppelchance durch Schöppner und Kleindienst (9.).

Die erste Schalker Torannäherung geht auf das Konto von Zalazar und Matriciani (13.), dann ist zur musikalischen Untermalung der Ruhrpottkanaken wieder der FCH am Zug: Bei einem Distanzschuss von Geipl (17.) hat Fraisl das Glück des Tüchtigen, dass der Schuss knapp über die Latte fliegt, kurz darauf regelt er wieder selber und schnappt sich einen Volley von Malone aus acht Metern (20.).

Dann eine Schrecksekunde: Fraisl knickt um und winkt nach den Sanitätern, Ralf Fährmann beginnt fieberhaft, sich warmzumachen, doch nach einer kurzen Behandlungspause und vielen aufmunternden „Maaaartin Fraisl!“-Sprechchören kann er weitermachen.

Drexler trifft zur umjubelten Führung

Die Nordkurve hat heute richtig Bock auf Support und stimmt „Schalke, ich bin für dich geboren“ und „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ an. Auf dem Spielfeld kommen die Königsblauen jetzt auch besser in die Partie, doch Bülter und Terodde kommen nicht zum Zuge, doch der Torjäger holt zumindest eine Ecke heraus – und die sitzt! Bülter verlängert den Ball Richtung Mitte, dort will Hüsing klären, serviert das Spielgerät aber genau auf den Kopf von Drexler, der Keeper Müller mit einer Bogenlampe aus fünf Metern keine Chance lässt. 1:0 in der 35. Minute, der Jubel ist riesig. Die Blitztabelle weist Schalke jetzt als Spitzenreiter aus.

Die Führung gibt Mannschaft und Fans weiteren Auftrieb, etwas Zwingendes passiert bis zum Halbzeitpfiff jedoch nicht mehr. Die allgemeine Laune ist trotz der zwischenzeitlichen Führung von St. Pauli blendend: Auch Platz 2 in der Endabrechnung würde sofort unterschrieben! Nach der Fanbox gibt’s die Infos des Teams Fanbelange; diesmal stehen bei Leiter Thomas „Kirsche“ Kirschner unter anderem die gemeinsame Hilfsaktion mit Dresden für die Ukraine, das Knappenkids-Programm „Ferien auf dem Bolzplatz“ und das anstehende Auswärtsspiel in Darmstadt (ausverkauft!) auf dem Programm. Pünktlich zum Ferienbeginn öffnet am morgigen Sonntag auch das Museum wieder.

Traumtor von Itakura!

Die Heidenheimer kehren früher wieder auf den Platz zurück und bringen mit Leipertz und Kühlwetter für Schöppner und Malone zwei frische Kräfte, Schalke ist personell zunächst unverändert und bekommt von der Nordkurve mit „Schalke nur du alleine“ und „Singen FC Schalke“ wieder Rückenwind – und wie! Die erste Aktion gehört zwar noch Leipertz, dessen Distanzschuss Fraisl im Nachfassen entschärfen kann, aber dann schlägt die Stunde von Ko Itakura: Nach Zuspiel von Drexler vernascht er am Strafraumrand im Stil eines Klassestürmers gleich zwei Heidenheimer wie Slalomstangen und vollendet aus spitzem Winkel mit einem perfekt gezielten Schuss zum 2:0 (52.). Wow!

Die Freude bei seinen Mannschaftskameraden und Fans ist gleichermaßen riesig, in Block M murmelt ein Herr beschämt „ich schreie nie wieder „abgeben“, wenn der am Ball ist“. Eine schöne Dauerschleife des Mythos vom Schalker Markt gibt’s obendrauf. Wenig später zischt eine weitere Granate von Itakura Richtung Heidenheimer Kasten und kann von Müller noch über die Latte geboxt werden.

Der VAR greift ein

FCH-Chefcoach Schmidt ersetzt nun Geipl und Sessa durch Föhrenbach und Schimmer; Latza sieht wegen eines Fouls an Leipertz die erste gelbe Karte des Spiels, es gibt Freistoß. Dieser wird Beute von Fraisl, doch kurz darauf verschätzt sich der S04-Keeper beim Herauslaufen gegen Schimmer, der den Ball passgerecht vor dem nun verwaisten Tor für Kühlwetter auflegt – und es steht 2:1 (63.). Oder? Auf dem Videowürfel erscheint das berühmt-berüchtigte Pfeifensymbol, das eine Intervention des VAR anzeigt – und eine gefühlte kleine Ewigkeit und einige „Scheixx DFB“-Chöre später lautet die Entscheidung: Kein Tor, weil Schimmer vor Erhalt des Balls knapp im Abseits stand. Puh!

Es bleibt also beim 2:0, die tapferen 800 Heidenheimer Auswärtsfans schwenken ihre Fahnen trotzdem unverdrossen weiter, können aber akustisch natürlich nicht gegen die Nordkurve „anstinken“, die jetzt mit „Für Deine Farben leben und sterben wir“ und den „Asozialen Schalkern“ auftrumpft. Flick ersetzt Latza (66.) und hat kurz darauf Pech, dass sein schöner Kopfballaufsetzer zur Ecke abgefälscht wird. Kurz darauf klärt Müller gegen Terodde. Siersleben kommt für Theuerkauf.

Terodde setzt den Schlusspunkt

Der FCH steckt immer noch nicht auf und hat durch Schimmer (79. und 80.) gleich zwei aussichtsreiche Chancen zum Anschlusstreffer. Mainka hat Terodde ein wenig zu gerne und sieht Gelb wegen Haltens (81.), Zalazar geht „raus mit Applaus“, für ihn kommt Churlinov. Kopfbälle von Drexler hüben und Kleindienst drüben treffen nicht ins Schwarze, auch Flick bleibt im Eins-gegen-eins gegen Müller nur zweiter Sieger (86.). Kaminski und Kühlwetter geraten aneinander, worüber sich Schmidt so aufreget, dass er ebenfalls verwarnt wird (89.).

Die Nordkurve schickt derweil musikalische Grüße nach Enschede und stimmt „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ und das beliebte „der FC Schalke wird deutscher Meister und wir holen den Pokal!“ an. Es gibt satte fünf Minuten Nachspielzeit; Büskens nimmt mit dem Wechsel Idrizi für Drexler ein paar Sekunden von der Uhr, Churlinov holt sich noch Gelb ab – und gerade, als die Fans murren, dass doch jetzt bitte abgepfiffen werden sollte, vollendet Terodde einen Bilderbuchkonter zum 3:0 (90.+6.). Jetzt kann der Abpfiff kommen!

Grund zum Feiern!

Damit ist klar: Schalke holt unter Büskens den 04. Sieg im 04. Spiel und ist zumindest vorübergehend Spitzenreiter – aber halt, in Hamburg wird noch gespielt. Die Ansage „das Spiel in Hamburg läuft noch“ weckt ganz, ganz ungute Erinnerungen, aber es bleibt beim 1:1 zwischen den Konkurrenten St. Pauli und Bremen. Schalke steht mit 53 Punkten und der ligabesten Tordifferenz von +25 Treffern erstmals in dieser Saison mindestens bis zum Abendspiel auf Platz 1 und wird die Woche auf einem direkten Aufstiegsplatz verbringen! Wenn das kein Grund zum Feiern ist…

…und gefeiert wird ausgiebig. Der Sieg, der Trainer, die Fans, die Normalität, das Feiern, wie lange mussten alle darauf verzichten? Die Mannschaft tanzt ausgelassen im Kreis, dann geht es vor die Kurve, die erleichtert den Mythos rausbrüllt. Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey!  Auch Rouven Schröder ist die pure Begeisterung anzusehen. Nach der Siegeswille ist noch lange nicht Schluss: Der königsblaue S04 möchte auch noch gemeinsam zelebriert werden. Zeig mir den Platz in der Kurve, wo alle Schalker zusammensteh’n – näää, watt ist das schön!

Doch es geht noch süßer: Mehrere Spieler haben mittlerweile ihren Nachwuchs auf dem Arm. Der Kleine von Marcin Kaminski tapst schließlich, frenetisch angefeuert von der Nordkurve, mit dem Ball ins Tor und wird nicht weniger bejubelt als Terodde zuvor. Das ist Schalke…!

Auch wenn natürlich noch nichts erreicht ist, kann dieser Schulterschluss zwischen Mannschaft und Fans weitere Kräfte freisetzen, denn schon in Darmstadt nächste Woche müssen ALLE Beteiligten wieder Alles geben, damit der Traum von der Bundesligarückkehr kein Traum bleibt.