Karlsruhe – Schalke 1:1: Ideenloses Spiel enttäuscht die treuen Schalke-Fans
27. Februar 2022Nach einigen sehr turbulenten Tagen kommt der FC Schalke 04 beim Karlsruher nicht über ein 1:1 hinaus und versäumt so, im Aufstiegskampf Boden gut zu machen. Die rund 2.500 Schalker unter den 15.000 Zuschauern auf der Baustelle des BBBank Wildparks spenden ihrer Mannschaft dennoch Applaus, fordern aber „Wir woll’n Euch siegen seh’n!“ Susanne Hein-Reipen ist dabei…
Anfang der Woche kommt die freudige Nachricht: 15.000 Zuschauer dürfen das Spiel im Stadion verfolgen, damit verdreifacht sich das Auswärtskontingent auf 1.500 Tickets. Da sich zudem viele Schalker aus Baden-Württemberg über den KSC eingedeckt haben, sind mindestens 2.500 Schalker bei prima Fußballwetter auf der Stadionbaustelle am Start.
Rund um den Gästeparkplatz hat sich gefühlt die komplette Polizei des Landes versammelt, auch Ordnungspersonal – Ordner und Aufsicht, der Unterschied erschließt sich den Gästen aus dem Ruhrpott nicht – ist reichlich vorhanden und sehr freundlich; ebenso die Begrüßung durch den Stadionsprecher. Der Gästeblock ist noch flammneu, nur einige Sticker des HSV und der Freunde vom Nürnberger Glubb zeigen, dass hier schon ein wenig Auswärtsleben herrschte. Nicht ganz so gut kommen der sichtbehindernde Flutlichtmast direkt vor dem Block und das deutlich sichtbare Netz an.
Ein Sponsor wird getilgt
DAS königsblaue Aufregerthema der Woche war der weitere Umgang mit dem bisherigen Hauptsponsor gazprom, der sich im Mehrheitsbesitz des russischen Staates befindet, der die Ukraine angegriffen hat. Bereits am Donnerstag verschwanden Fanartikel mit gazprom aus den Schalker Shops; der Verein ließ verlauten, man werde „mit Blick auf die Ereignisse, Entwicklung und Zuspitzung der vergangenen Tage …“, den Schriftzug „GAZPROM“ von den Trikots nehmen und durch FC Schalke 04 ersetzen.
Die „Neutralisierung“ erfolgt gründlich: Die Anreise nach Karlsruhe erfolgt nicht im gebrandeten Mannschaftsbus, sondern im neutralen weißen Reisebus eines befreundeten Busunternehmers; zum Aufwärmen erscheint Fraisl in neutralem Blau, Fährmann – für ihn gibt es Sprechchöre aus der Kurve – und die Mannschaft in Schwarz und ohne Sponsorenlogo. Die Trikots sind, da der KSC in Blau-Weiß antritt, dunkelrot und tragen wie versprochen nur den Vereinsnamen und das Wappen auf der Brust.
Noch kreativer sind die Fans: Viele alte Trikot-Schätzchen von R’Activ, Victoria, Veltins und Co. erblicken wieder das Tageslicht, bisweilen ein wenig spack um die Gelsenkirchener Astralkörper gewickelt. Auch Nordkurven-Streetwear und das „Mein Freund ist Ausländer“-Shirt erfreuen sich großer Beliebtheit. Den Vogel ab schießen die Jungs, die den gazprom-Schriftzug in Eigenarbeit mit Solidaritätsbekundungen für die Ukraine überklebt haben.
Die drei stärksten Buchstaben im deutschen Fußball
Sehr gut an kommt das ausführliche Gegnerportrait der Gastgeber, dann folgt die Schalker Aufstellung: Offenbar nach dem Motto „Never change a winning team“ vertraut Chefcoach Dimitrios Grammozis der siegreichen Elf gegen Paderborn. Fraisl, Itakura, Sané, Kaminski, Churlinov, Flick, Ouwejan, Mikhailov, Idrizi, Terodde und Bülter sollen es erneut richten.
Dann möchte der Stadionsprecher zum heimischen KSC überleiten und fordert „die drei stärksten Buchstaben im deutschen Fußball…?!“ Eine solche Steilvorlage lässt der Gästeblock natürlich nicht ungenutzt und so schallt lautstark „S 04!“ zurück. Dann folgen das bei Fußballspielen im Ländle offenbar unvermeidliche Badnerlied und „KSC olé olé“ eines Helene-Fischer-Verschnitts. Als das Band endlich stoppt, übernimmt sofort wieder „Hier – regiert – der – S – 04!“ die akustische Lufthoheit. Dann wird es still, denn beide Mannschaften stellen sich zu einer Gedenkminute für die Menschen in der Ukraine auf.
Schalker gegen Ex-Schalker
Pünktlich zum Anstoß werden die „Asozialen Schalker“ angestimmt, gefolgt von „Vorwärts FC Schalke, schieß ein Tor für uns“. Auf dem Rasen versucht Schalke derweil, das Heft in die Hand zu nehmen und hat durch Kaminski, Terodde und Idrizi erste Vorstöße. Für den KSC wagt sich Philip Hofmann, Schalker A-Jugend-Meister von 2012, erstmals nach vorne, wird aber von Sané abgefangen. Breithaupt sieht wegen eines Fouls an Flick die erste gelbe Karte des Spiels; den folgenden Freistoß köpft Sané zwar an die Latte, wäre aber ohnehin im Abseits gewesen. Hofmann (1,95m) und Sané (1,96m) beharken sich das ganze Spiel über inbrünstig auf Augenhöhe.
Die Fans tauschen derweil einige verbale Nettigkeiten aus; neben den üblichen „Söhnen käuflicher Damen“ stimmt der Gästeblock „Karlsruh‘, Karlsruh‘, wir scheixxen Euch zu…“ an, da müssen sogar die Ordner grinsen. Die Heimtribüne nimmt es sportlich und fordert „Auf geht‘s KSC ein Tor“, wiederum beantwortet von „Für deine Farben leben und sterben wir“ und „Kohle unter unsren Füßen“. Und auch, wenn ungewohnter Weise die Roten die Guten sind: Eine Stadt erstrahlt in Blau und in Weiß, weil wir Dich so lieben…
Die Schalker Führung hält nur sieben Minuten
In der 27. Minute dürfen die Schalker dann jubeln: Gordon blockt eine Flanke von Idrizi von der linken Seite zur Ecke, Ouwejan schickt das Leder in Richtung Strafraum, Bülter verlängert per Kopf und Terodde erzielt aus kurzer Distanz ebenfalls mit dem Kopf das 0:1, seinen 16. Saisontreffer. Im Gästeblock gehen prompt einige Bierduschen nieder.
Die Hausherren zeigen sich davon jedoch nicht nennenswert beeindruckt und haben durch einen Pfostenschuss von Hofmann (30.) und O’Shaughnessy frei vor Fraisl (32.) schnell zwei Chancen zum Ausgleich. Die Dritte sitzt dann: Thiede zu Choi, dieser möchte den Ex-Schalker Goller mitnehmen und macht es dann doch selber, das 1:1 in der 34. Minute. Die Schalker reklamieren bei Schiedsrichter Ittrich, bereits bei drei vorangegangen Spielen mit Schalker Beteiligung unangenehm aufgefallen, ein aktives Eingreifen von Goller, doch der VAR sieht bereits keine Abseitsstellung von Goller.
Bis zur Pause gelingt noch unfreiwillig ein Kunstschuss genau auf einen Vorsprung der Baustelle der Haupttribüne, ansonsten ist bis auf einen schönen Distanzschuss von Idrizi (40.) etwas die Luft raus. Umso erbitterter und lautstarker beharken sich an der Seitenlinie Grammozis und Eichner und kassieren eine Ansprache von Ittrich. Die letzte Aktion in der einminütigen Nachspielzeit gehört dem KSC, doch Gondorfs Schüsse werden geblockt.
Mohammed in Bestform
In der Pause herrscht im Gästeblock Einigkeit, dass da mehr kommen sollte. Bestnoten verdient sich unterdessen Mohammed, der aus Film, Funk und Fernsehen bekannte Bier-Balancierer, heute gleich dreistöckig unterwegs.
Die Schalker kommen früher zum zweiten Durchgang wieder auf das Spielfeld; Kapitän Latza und Drexler ersetzen dabei Idrizi und den nahezu unsichtbaren Mikhailov. Erste Torannäherungen durch Hofmann (49.) und Flick (50.) führen nicht zum Ziel, danach geraten Latza und Gondorf schmerzhaft aneinander, können aber beide weiterspielen. Gondorfs nächstes „Opfer“ ist Sané, dieses Mal gibt es Gelb für das Karlsruher Raubein und er muss beim nächsten Spiel zuschauen. Die Schalker Fans nutzen die Behandlungspause für einen lauten Schalke!–Nullvier!-Wechselgesang zwischen Tribüne und Gästeblock.
Dreh- und Angelpunkt im Karlsruher Offensivspiel bleibt Hofmann, den nicht wenige Schalker gerne wieder „zuhause“ sehen würden. Mehrmals kann der blonde Hüne nur mit vereinten Kräften am Abschluss gehindert werden.
Das Tor will nicht mehr fallen
Matriciani ersetzt Bülter (68.), bei den Hausherren kommt Schleusener für Choi – und ein abgefälschter Ball von Drexler landet am Außenpfosten. Sch…ade. Kurz darauf landet eine Bilderbuchflanke von Ouwejan im Fünfmeterraum vor Churlinovs Füßen, doch der Matchwinner von Paderborn versiebt die schöne Vorlage kläglich und kassiert prompt ein paar Pfiffe (72.).Pfiffe gibt es auch für Ittrich, weil er Matriciani wegen eines Allerweltfouls an Gordon Gelb zeigt (80.). Zwischen zwei erfolglosen Wanitzek-Abschlüssen kommen Pieringer für Churlinov und Cueto für Goller, dann prallen einmal mehr an diesem Nachmittag Sané und Hofmann schmerzhaft zusammen und müssen kurzzeitig behandelt werden. Vermutlich träumen sie in dieser Nacht voneinander…
Für diese Unterbrechung gibt es 04 Minuten Nachspielzeit – und plötzlich hat Joker Peringer den Siegtreffer auf dem Fuß, scheitert aber frei vor Gersbeck an seinen Nerven und dem Fuß des KSC-Keepers (90+1.). Das wäre es gewesen – doch es bleibt beim 1:1.
Wir woll’n Euch siegen seh’n
Der Gästeblock ist nicht glücklich über das nach dem Spielverlauf nicht einmal unangemessene Ergebnis, weil wieder einmal eine gute Möglichkeit verpasst wurde, im Aufstiegskampf vorzurücken. Statt zumindest vorübergehend auf Platz 2 zu springen bleibt Schalke mit nunmehr drei Punkten Rückstand auf Spitzenreiter St. Pauli auf Rang 5. Wieder einmal resultiert das einzige Tor aus einem Standard, kreative Offensivaktionen finden kaum statt; obendrein schmort Zalazar neunzig Minuten auf der Bank.
Dennoch gibt es keine Pfiffe, als die Mannschaft sich bei der Kurve für den Support bedankt, stattdessen schallt ihr unüberhörbar die Forderung „Wir woll’n Euch siegen seh’n“ entgegen. Auch Grammozis spricht in der Pressekonferenz ein wenig angesäuert von „zu vielen leichten Ballverlusten“ und zu wenig Spielverlagerungen: „Wir wissen, dass wir uns steigern müssen!“
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