Konzernbilanz 2022: Schalke leistet in extrem schwierigen Zeiten tolle Arbeit

Konzernbilanz 2022: Schalke leistet in extrem schwierigen Zeiten tolle Arbeit

16. MĂ€rz 2022 2 Von Susanne Hein-Reipen

„Wir sind auf dem richtigen Weg“ lautet die zentrale Botschaft von FinanzvorstĂ€ndin Christina RĂŒhl-Hamers bei der Vorstellung des Schalker Konzernabschlusses 2021. Expertin Susanne Hein-Reipen hat genau hingeschaut und kann die Aussage dick unterstreichen – die wichtigsten Zahlen verstĂ€ndlich erklĂ€rt:

Ein Verlust von 17,8 Mio. Euro, Gesamtverbindlichkeiten von 183,5 Mio. Euro, negatives Eigenkapital von 88,8 Mio. Euro, ein „bestandsgefĂ€hrdendes Risiko“– auf den ersten Blick wirken die Zahlen und Prognosen, die der FC Schalke 04 im Konzernabschluss 2021 und dem dazugehörigen GeschĂ€ftsbericht prĂ€sentiert, Besorgnis erregend. Betrachtet man allerdings die Ausgangssituation und die UmstĂ€nde, unter denen die Ergebnisse erzielt wurden, muss man sowohl dem Finanz- als auch dem Sportressort eine „Eins plus mit Sternchen“ verleihen.

Das Wirtschaftsjahr 2021 war geprĂ€gt vom Abstieg in die zweite Liga und den starken EinschrĂ€nkungen durch die Coronapandemie – beides bereits einzeln durchaus geeignet, einen Verein mit hohen Verbindlichkeiten vollends aus der Bahn zu werfen und zusammen ein wirtschaftliches Horrorszenario. Dass Schalke dieses nicht nur ĂŒberstanden hat, ohne zahlungsunfĂ€hig zu werden, sondern auch noch 33,5 Mio. Euro Verbindlichkeiten abbauen konnte, zeugt von hervorragender Arbeit.

Personalkosten drastisch gesenkt

Eine absolut zentrale Rolle dabei spielt der Kaderumbau mit der Senkung der Kosten um mehr als 75 (!!!) Prozent: Bereits seit Jahrzehnten waren die Personalkosten gefĂ€hrlich hoch – Peter KnĂ€bel und Rouven Schröder ist es im Sommer trotz des coronabedingt am Boden liegenden Transfermarktes mit ĂŒber 70 Zu- und AbgĂ€ngen und LeihgeschĂ€ften gelungen, den Etat von deutlich ĂŒber 80 Mio. Euro auf 20 Mio. Euro zu senken und dabei eine Mannschaft zusammenzustellen, die in der zweiten Liga sportlich konkurrenzfĂ€hig ist. Diese Leistung sollte auch von den Fans, die sich „spektakulĂ€rere“ Transfers oder lukrativere VerkĂ€ufe beispielsweise von Amine Harit oder Ozan Kabak erhofft hatten, anerkannt werden.

In der Bilanz hat sich die drastische Senkung bislang sogar nur teilweise niedergeschlagen, da in der ersten JahreshĂ€lfte als Groß- und Viel-zu-viel-Verdiener noch auf der Lohnliste standen – das heißt, der bereits deutlich gesunkene Personalaufwand wird im Jahr 2022 noch besser ausfallen!

Schwarze Zahlen in der Hinrunde

Zu erkennen ist der positive Trend bereits daran, dass in der zweiten JahreshÀlfte trotz wechselnder, aber nie voller Auslastungsmöglichkeit der Veltins-Arena schwarze Zahlen geschrieben wurden: Im Zwischenbericht auf den 30.06.2021 musste noch ein Verlust von 21 Mio. Euro ausgewiesen werden, im zweiten Halbjahr wurden 3,2 Mio. Euro Gewinn gemacht!

NatĂŒrlich ist zu bedenken, dass dabei auch nicht wiederholbare Maßnahmen wie der Verkauf des ESports-LEC-Slots und eine Corona-ÜberbrĂŒckungshilfe eine Rolle gespielt haben. Zur Zeit laufen bereits vorausschauende Planungen, die Einnahmenseite sowohl kurz- als auch mittelfristig zu stabilisieren. Zuschauereinnahmen durch die höhere Auslastung der Veltins-Arena sind dabei nur ein Standbein; angestrebt werden auch weitere Transfereinnahmen und eine frĂŒhzeitige Refinanzierung der Anleihe.

Umsatz höher als vielen Erstligisten

Schalke ist auch in der zweiten Bundesliga ein wirtschaftliches Schwergewicht, dass höhere UmsÀtze erzielt als viele Erstligisten: Der Umsatz 2021 lag mit 167,1 Mio. Euro nur leicht unter dem Vorjahresniveau (174,7 Mio. Euro).

Diese „Strahlkraft“ des FC Schalke 04 hat sich erst unlĂ€ngst wieder gezeigt, als nach dem Aus des bisherigen Hauptsponsors mit Vivawest sofort ein neuer Partner gefunden wurde – die Zahlen dazu werden sich natĂŒrlich erst in der Konzernbilanz 2022 niederschlagen, liegen aber ebenfalls zwar niedriger als zuvor, aber immer noch in einem Bereich, den nahezu alle Zweitligisten und nicht wenige Erstligisten mit Kusshand nehmen wĂŒrden. Dazu kommen Anfragen diverser potentieller neuer Sponsoren.

Die unendliche Geschichte: Verbindlichkeiten und negatives Eigenkapital

Unbestritten noch kein Grund zum Jubeln sind die mit 183,5 Mio. Euro immer noch hohen Verbindlichkeiten – jedoch muss jedem klar sein, dass der von den vorhergehenden Verantwortlichen hinterlassene Schuldenberg von deutlich ĂŒber 200 Mio. Euro nicht nur unter den erschwerten Corona-UmstĂ€nden nicht kurzfristig abgebaut werden kann. 33,5 Mio. Euro weniger ist ein großer Schritt in die richtige Richtung auf einem langen Weg. Positiv ist auch, dass die Finanzverbindlichkeiten, die auch noch Zinsen kosten, von 149 Mio. Euro auf 140,6 Mio. Euro gesenkt werden konnten.

Eine „schwerfĂ€llige“ Finanzkennzahl ist auch das negative Eigenkapital, das mit nunmehr 88,8 Mio. Euro zu Buche steht. Auch das kann nur in kleinen Schritten durch schwarze Zahlen zurĂŒckgefĂŒhrt werden; zum 30.06.2021 standen hier noch 92 Mio. Eigenkapital weist das VerhĂ€ltnis von Vermögen und Verbindlichkeiten aus – ist es positiv, sind mehr Werte als Verbindlichkeiten vorhanden, ist es negativ, ĂŒbersteigen die Schulden das Vereinsvermögen. Minus 88 Mio. sind deshalb immer noch eine klare Mahnung zur kaufmĂ€nnischen Vorsicht, die sich Christina RĂŒhl-Hamers seit ihrem Amtsantritt im Vorstand dick auf die Fahnen geschrieben hat.

Gut fĂŒr Stimmung und Finanzen: Eine volle HĂŒtte

Ist der Aufstieg ein finanzielles Muss?

Nein – aber so ziemlich alles wĂŒrde dadurch finanziell einfacher werden, da in der ersten Bundesliga weitaus mehr TV-Erlöse, höhere Ticketpreise und bessere Werbeeinnahmen erzielbar sind.

Eine große und nur bedingt von Schalke beeinflussbare Rolle wird dabei natĂŒrlich auch „die Generierung von zuschauerabhĂ€ngigen Erlösen (insbesondere Catering und Ticketing) aus einer RĂŒckkehr zum normalen Stadionbetrieb“ (S.9 des Konzernabschlusses) spielen – hier heißt es hoffen, dass die Corona-Situation sich nachhaltig bessert.  

Noch ungewiss ist auch, ob die vom Vorstand erhoffte „ausreichende Finanzierungsstruktur, einschließlich der Refinanzierung der im Juli 2023 fĂ€lligen Anleihe“, aufrechterhalten werden kann – andernfalls, das sagt der Konzernabschluss deutlich, muss ĂŒber „zusĂ€tzliche liquiditĂ€tsgenerierende Maßnahmen, wie die Verwertung von Rechten und/oder zusĂ€tzlichen Finanzierungsmaßnahmen“ nachgedacht werden. Dies könnten beispielsweise die Catering- oder Vermarktungsrechte sein, die Schalke im Gegensatz zu zahlreichen anderen Clubs noch vollumfĂ€nglich gehören – oder Schalke mĂŒsste weitere Spieler verkaufen, was natĂŒrlich dann die sportlichen Chancen senken wĂŒrde.

Endlich: PersonenunabhÀngiges Sportkonzept

Eine richtig gute Nachricht neben den Finanzinformationen versteckt sich zudem auf S. 23 des Konzernabschlusses: „Weiterhin entwickelt der S04 – wie es in seiner Satzung steht – derzeit ein personenunabhĂ€ngiges Sportkonzept, das dem Verein StabilitĂ€t und KontinuitĂ€t unabhĂ€ngig von den einzelnen handelnden Personen schaffen soll. Strategische Komponenten auf dem Weg
dahin sind: Kaderwertmanagement, Data Analysis und die Knappenschmiede.“ – Wenn das gelingt, hĂ€tten gefĂŒhlte Jahrzehnte voller „UmbrĂŒche“ ein Ende und das königsblaue Rad mĂŒsste nicht mit jedem neuen Sportvorstand, jedem verschlissenen Trainer zeit- und kostenintensiv neu erfunden werden


Als Fazit kann man sagen: Schalke hat immer noch einen langen und schweren Weg vor sich, aber der neue Vorstand und der 2022 gewĂ€hlte Aufsichtsrat haben bisher wirklich alles in ihrer Macht stehende getan, damit Schalke am Ende dieses Weges noch existiert und finanziell und sportlich deutlich besser aufgestellt sein wird als zuvor. DafĂŒr haben sie die UnterstĂŒtzung und das Vertrauen der zahlreichen Mitglieder und Fans auch dann verdient, wenn nicht alles auf Anhieb perfekt klappt.