Schalke verliert 0:3 gegen Bayern: Fans toben über die Schiedsrichterleistung und bauen ihre Mannschaft wieder auf

Schalke verliert 0:3 gegen Bayern: Fans toben über die Schiedsrichterleistung und bauen ihre Mannschaft wieder auf

25. August 2019 5 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 muss sich im ersten Heimspiel gegen eiskalte Bayern mit 0:3 (0:1) geschlagen geben. Für die Wut der Fans sorgt jedoch nicht die kämpferische Leistung der Königsblauen oder der Hattrick von Robert Lewandowski, sondern Schiedsrichter Marco Fritz. Susanne Hein-Reipen berichtet ungeschminkt über einen ereignisreichen Tag…

Der morgendliche Blick aus dem Fenster macht klar: Ein Wetter zum Heldenzeugen – sind die Bayern heute endlich mal wieder fällig? Der letzte königsblaue Sieg in der Bundesliga über den Rekordmeister datiert aus dem Dezember 2010…

Die Hoffnung auf einen guten Start und eine gute Saison vereint die knapp 6.000 Schalker, die dem Aufruf der Fanorganisationen zu einem gemeinsamen Marsch folgen und auf die Domplatte in Buer pilgern. Bier und Schweiß fließen in Strömen, die Laune könnte nicht besser und königsblauer sein. Auch der Schalker Bier-auf-Kopf-Balancierer Mohammed ist in Bestform am Start: Ob auf dem Fahrrad, im sky-Interview oder beim Gang durch die Menge, Frisur und Gerstensaft sitzen perfekt!

GEmeinsam für den FC Schalke…

Um viertel nach drei kommt Bewegung in die erwartungsvolle Menge. Am Fuße des Domes schwören Dennis und Kanne von den Ultras Gelsenkirchen die Fans per Megaphon richtig ein: GEmeinsam alles für die Mannschaft geben heißt das Motto – nach den ganzen Querelen um Clemens Tönnies wichtiger denn je! Anders als von vielen vermutet, wird der Marsch nicht für vereinspolitische Kundgebungen genutzt, vielmehr steht der Support klar im Vordergrund; nur Sticker „Wir zeigen Rassismus die rote Karte“ machen die Runde, auch der „Blaue Brief“ geht auf das Thema ein.

 „Schalke ist die Macht“, ursprünglich ein Lied der Kellergeister, wird aus vielen tausend Kehlen rausgebrüllt und lässt die Kirchenwände erzittern, dann werden die Schals hochgereckt und inbrünstig der „Königsblaue S 04“ intoniert. In der Stadt der tausend Feuer, lebt seit vielen Jahren schon der Traum vom FC Schalke, uns’re Fußballreligion…! Damit ist der Beweis erbracht: Man kann auch bei 30 Grad eine dicke Gänsehaut haben!

…für jetzt und alle Zeit

Dann setzt sich die blaue Meute in Bewegung und schwenkt nach kurzem Gedränge auf die De-la-Chevallerie-Straße ein. Dort wird das Motto-Banner „Für jetzt und alle Zeit“ entrollt und los geht’s: HIER – REGIERT – DER – ESS – NULLVIER! Denn wir sind die Ruhrpottkanaken…

Unter Schalker Liedgut von „Schalke, ich bin für Dich geboren“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ über „Der FC Schalke wird deutscher Meister und wir holen den Pokal“ und „Super FC Schalke“ bis zum Klassiker „Stadion geh’n, im Pappbecher Bier“ geht es auf die gut drei Kilometer lange Strecke. „Rettungsgassen“ können wir… Auch „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“ darf natürlich nicht fehlen. An jeder Kreuzung stoppt der imposante Zug brav ab, bis die trotz fehlender Anmeldung reichlich vorhandene Polizei alles gesichert hat.

An der Ecke Kurt-Schumacher-Straße/Emil-Zimmermann-Allee wird das Motto noch einmal lautstark durch den neuen Kurvensong „Wir komm‘ vom Berger Feld, Malocher ohne viel Geld…“ bekräftigt, dann biegen die Marschierer rechts ab, um durch die Unterführung via Busparkplätze und Arena-Haltestelle auf das Berger Feld zu gelangen.

Schalker haben ein Elefantengedächtnis

Die Stimmung ist ungebrochen blendend, die Luft flirrt vor Hitze und Aufregung. Beliebtes Fotomotiv ist insbesondere die in der Sommerpause installierte Beschilderung des Rudi-Assauer-Platzes. Auch die Banner unter dem Arenadach über der Haupttribüne sind neu: „Gegen Rassismus und Homophobie“ wurde durch “Steht auf für Vielfalt“ und „Wir leben Dich“ ersetzt…

Als Manuel Neuer zum Warmmachen auf den Platz kommt, ertönt ein gellendes Pfeifkonzert, das ihn auch bei jeder Ballberührung im Spiel begleiten wird. Obwohl sein Wechsel auf die dunkle Sacht der Macht nun bereits acht Jahre zurückliegt, erinnern sich die Schalkefans an die „Horst Heldt hat mich über das Interesse der Bayern informiert“-Tränen-Pressekonferenz, als sei es gestern gewesen.  Auch die übrigen Bayern werden nicht übermäßig liebevoll empfangen, im Gegensatz zu den Schalker Spielern, die in Gladbach einen verdienten Punkt erkämpften.

Der Videowürfel zickt ein wenig rum, doch ein mutiger Techniker klettert unter allgemeinem Applaus von oben hinein und alle vier Seiten erstrahlen wieder. Prima Gelegenheit, um die Aufstellung der Bayern niederzupfeifen.

Verheißungsvoller Auftakt

Was darf vor keinem Heimspiel fehlen? Na klar, Steigerlied und „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“. In das blau-weiße Fahnenmeer der Nordkurve mischen sich dabei auch zahlreiche Anti-Bayern-Doppelhalter und ein herzhaftes „Wir singen Scheixx FC Bayern“. Der Kollege in der Bildregie kann den Anpfiff offenbar auch kaum noch erwarten, denn er jagt die Bilder bei der Schalker Aufstellung so schnell über den Würfel, dass Quatscher Dirk mächtig ins Schwitzen kommt und die Fans mit dem Ausrufen der Nachnamen hinterherhinken.

Chefcoach David Wagner vertraut derselben Startaufstellung wie in Mönchengladbach: Nübel, Oczipka, Nastasic, Stambouli, Kenny, Mascarell, McKennie, Caligiuri, Harit, Raman und Burgstaller sollen es richten.

Alexander Nübel gewinnt die Seitenwahl gegen Neuer, dann geht es endlich looooos! Und wie: Schalke beginnt mutig und geht engagiert in die Zweikämpfe und schafft es so, die Partie zunächst völlig offen zu gestalten und keinen ernsthaften Angriff der Bayern zuzulassen. Die Kurve honoriert das mit lautstarker Unterstützung mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, den Ruhrpottkanaken, „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ und einem Wechselgesang SCHALKE! – NULLVIER! der Nordkurve mit der gesamten restlichen Arena.

Bayern-Führung durch Foulelfmeter

So hätte es gerne weitergehen dürfen, geht es aber nicht: Bereits frühzeitig zeichnet sich ab, dass Schiedsrichter Marco Fritz einmal mehr nicht auf Schalker Seite steht und jede knappe Situation für die Bayern pfeift, was ihm, dem DFB und den Roten einige Pfiffe und Beschimpfungen einträgt. Auf äußerst gemischtes Echo stößt auch ein Bayern-Spruchband „Tönnies nur einer von vielen, rote Karte für Rassismus“.

Einen Lewandowski-Kopfball nach Ecke kann Nübel noch mit einem starken Reflex parieren (17.), dann nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Neuzugang Jonjoe Kenny kann den durchgebrochenen Coman nur per Grätsche stoppen, es gibt einen leider berechtigten Elfmeter. Trotz lautstarker „Alex-Nübel!“-Sprechchöre bleibt Lewandowski eiskalt und verlädt den Schalker Keeper mit einem abgezockten Schuss in die linke untere Ecke. Der knapp 6.000 Köpfe starke Bayern-Anhang in der natürlich bis auf den letzten Platz ausverkauften Arena jubelt, die Schalker sind mäßig begeistert („diese Drecksverzögerungen im Anlauf sollten verboten werden!“), fangen sich aber sofort wieder: „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid!“ heißt das Motto, dann folgen „Geh‘n mit dir auf jede Reise“, „Wir kommen aus Gelsenkirche“ und „Für deine Farben leben und sterben wir“.

Und die königsblauen Jungs auf dem Feld verstecken sich weiter nicht, auch wenn Schüsse von Burgstaller, Harit und Mascarell nicht ins Schwarze treffen, weil Süle und Neuer auf dem Posten sind. Umgekehrt haben auch die Bayern zwar viel Ballbesitz, außer einem Gnabry-Schuss im Abseits aber keine zwingenden Chancen mehr, so dass die erste Halbzeit mit einem kleinen Pfeifkonzert gegen Neuer, der sich bei einem Freistoß in Strafraumnähe arg viel Zeit lässt, zu Ende geht.

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