DFB-Ethikkommission sagt: Tönnies hat rassistisch gesprochen, ist aber kein Rassist

DFB-Ethikkommission sagt: Tönnies hat rassistisch gesprochen, ist aber kein Rassist

29. August 2019 1 Von Carsten Schulte

Vermutlich hätte man darauf wetten können. Die Ethikkommission des DFB, die sich mit den Äußerungen von Clemens Tönnies beim Tag des Handwerks in Paderborn beschäftigt hatte, tut… nichts.

In einer aufschlussreichen Erklärung, die der DFB am Donnerstag verbreitete, erklärte die Ethikkomission zwar, die „Qualifizierung“ der Tönnies-Aussagen als „rassistisch“ sei „zurecht erfolgt“. Der Kniff der Ethikkommission bestand nun darin, die Aussagen nicht selber zu (be-)werten, sondern lediglich zustimmend zur Kenntnis zu nehmen, was in der „medialen Berichterstattung“ formuliert wurde.

Aus der reinen Zustimmung selbst zog die Kommission aber keine Konsequenzen in Richtung Clemens Tönnies. Der habe nämlich „überzeugend vermitteln“ können, dass er „kein Rassist“ sei. „Seine Distanzierung von seiner Äußerung und sein Erschrecken darüber sind der Kommission glaubhaft.“

Also: Die Aussage war rassistisch, aber Clemens Tönnies ist kein Rassist. Wobei das letztlich Wortklauberei sein dürfte.

Denn man darf zwar zu Gunsten des Schalker Aufsichtsratschefs annehmen, dass Clemens Tönnies nicht bewusst ein Rassist ist – aber wie im Straßenverkehr und sonst im Leben ist ja „Unkenntnis“ selten ein Grund für besonderen Schutz. Auch als Nicht-Rassist kann man rassistische Dinge sagen – und tatsächlich muss man Menschen Fehler zugestehen und eine Entschuldigung auch akzeptieren. Allerdings hatte Tönnies sich ja irgendwie nicht bei „den Afrikanern“ entschuldigt (oder mindestens jenen hier, die sich persönlich beleidigt fühlten), sondern „explizit bei euch, den Fans, Mitgliedern und Freunden des FC Schalke 04“. Ein wenig mehr wäre da wohl angezeigt gewesen.

Bisschen Stammtisch ist immer

Und Tönnies‘ Äußerungen sind in einem größeren Kontext gefallen. Der Unternehmer gibt sich gern hemdsärmelig, möchte nahbar sein und steht nicht grundlos immer mal wieder in der Schalker Nordkurve oder zwischen den Fans. Seine „kumpelhafte“ Attitüde, seine Schulterklopfer-Mentalität, die oft bei öffentlichen Terminen mit Fans sichtbar wird, äußert sich in solchen Sprüchen. Zumindest wird man Tönnies nicht zugestehen können, dass dies ein Ausrutscher war – lediglich das Objekt seines Kommentars (hier: „der Afrikaner“) wechselt gelegentlich. Ein bisschen Stammtisch ist immer mit Tönnies.

Der Schalker Aufsichtsrat – das ist dann aber auch ein Teil der Wahrheit – wurde natürlich medial besonders heftig seziert. Ein Mann in seiner Position, in dieser Öffentlichkeit, genießt eine andere Aufmerksamkeit als Max Mustermann in der Kneipe zum Guten Hirten. Und weil der (Sport)-Journalismus gerne Fehler aufbläst, wurde aus einem dümmlichen Spruch ein gewaltiges Aufregerthema, bei dem Tönnies natürlich auch als „Stellvertreter“ gerne angegriffen und kritisiert wurde. Vieles davon völlig unter der Gürtellinie, auch aus Schalker Fankreisen.

Wie real die Aufregung ist, wie haltbar, zeigen die Schalke-Fans selbst. Noch in Drochtersen gab es einen sichtbaren Protest, aber schon beim ersten Bundesliga-Heimspiel war nicht mehr viel zu hören vom Thema. So ist das eben auch im Fußball. Aufregung legt sich schnell – insofern ist Tönnies‘ Drei-Monats-Pause ein kluger Schachzug. Raus aus der Öffentlichkeit wäre ohnehin angezeigt gewesen, und drei Monate dürften genügen, um das Thema längst verblassen zu lassen. Wetten?

Insgesamt warf das ganze Thema kein gutes Licht auf Tönnies, auf Schalke und den DFB. Denn mehr als deutlich wurde, dass selbst gröbere Verstöße gegen Leitbild oder Richtlinien im Fußball am Ende doch nur ein kurzes „du, du, du“ zur Folge haben. Ein Klapps auf die Finger und dann heiter weiter. So wird es auch diesmal laufen.

Und angenehmer Nebeneffekt? Weil es hier lediglich um „Vorermittlungen“ der Ethikkommission ging, musste sie nicht einmal ein richtiges Verfahren einleiten und damit auch nichts „einstellen“. Dass Tönnies sein „Erschrecken“ glaubhaft vermitteln konnte und auch sein „bisheriges überdurchschnittliches Engagement in und für Afrika“ belegen konnte, ließ dann wohl keine andere Maßnahme zu.