Schalke holt verdienten Auswärtspunkt in Gladbach und wird von den Fans frenetisch gefeiert
18. August 2019Der FC Schalke 04 erzielt dank einer kämpferisch und defensiv guten Leistung mit einem 0:0 bei Borussia Mönchengladbach einen verdienten Auswärtspunkt und wird trotz einiger offensiver Haareraufer von den knapp 7.000 mitgereisten Fans begeistert gefeiert. Susanne Hein-Reipen berichtet direkt aus einem äußerst gutgelaunten Gästeblock.
Kurze Anreise, großes Stadion, Traditionsduell: Nach Mönchengladbach macht sich regelmäßig ein großer königsblauer Auswärtsmob auf die Reise, daran kann nicht einmal der umstrittene Topzuschlag von 20 Euro auf jede Sitzplatzkarte etwas ändern, schließlich war die Sommerpause verdammt lang.
Flocks aus der Hölle
Die letzten Stunden bis zum Anpfiff des „Topspiels“ überbrücken Schalker und Gladbacher friedlich Seite an Seite im Borussia-Biergarten hinter der Nordkurve. Einhelliger Tenor der königsblauen Fans: So ein stadionnaher Treffpunkt mit flüssiger und fester Verpflegung von Pizza über Crêpe und Würstchen bis Fischbrötchen und Burger, in dem man auf der Großleinwand die Konferenz der Nachmittagsbegegnungen verfolgen kann, würde dem Berger Feld auch gut stehen.
Die Stimmung ist erwartungsvoll und friedlich, Saisonprognosen werden ausgetauscht, Kumpels begrüßt. Die Schalker witzeln über die Gladbacher Sammelbecher und Flocks aus der Hölle: In „Wir sind Schalker Knallköpp und saufen uns das Hirn weg“ finden sich selbst hartgesottene Schalker nicht wieder. Als Petrus einen kurzen Schauer niedergehen lässt, rücken Grüne und Blaue unter den großen Schirmen noch näher zusammen; „Gruppenkuscheln“ zwischen Ruhrpottfohlen und Niederrheinschalkern.
Stolzer Blick zurück, volle Kraft nach vorn
Was den Schalkern ihre Tausend-Freunde-Mauer, ist den Fans der „Wahren Borussia“ eine riesige Raute mit ebenfalls rautenförmigen Metallschildchen, in welche die Namen von Freunden und Förderern eingraviert sind. An dieser vorbei geht es zum Gästeeingang, wo sich Anwesenheits- und Einlasskontrollen erfreulich unkompliziert gestalten.
Im Stadioninnern prangt groß der Slogan „Stolzer Blick zurück – Volle Kraft nach vorn“, der auch gut auf Schalke passen würde. Noch auf der letzten Mitgliederversammlung beklagte sich Marketingvorstand Alex Jobst darüber, dass Schalke zu viel für Tradition und zu wenig für Innovation stehe.
Kurve heiß wie Frittenfett
Bereits beim Einlaufen der Schalker Keeper für das Aufwärmtraining wird deutlich: Die Kurve war auf Entzug und ist jetzt heißer als Frittenfett. Die SCHALKE!-Sprechchöre dröhnen laut in das noch eher spärlich gefüllte Stadion.
Als Startaufstellung hat sich Chefcoach David Wagner für Nübel, Oczipka, Nastasic, Stambouli, Kenny, Mascarell, McKennie, Caligiuri, Harit, Raman und Burgstaller entschieden. „Nur zwei Wechsel (McKennie für den angeschlagenen Serdar und Raman für Skrzybski, Anm. der Verf.) gegenüber dem Pokalspiel, datt lässt auf eine baldige Stammelf hoffen“ konstatiert ein Schalker, der offenbar kein Freund der ausgeprägten Rotation von Excoach Domenico Tedesco war.
Über die Videowände flimmern Statistiken; die Begegnung Fohlen gegen Knappen gibt es nun schon zum 9. Mal und damit häufiger als jedes andere Duell als Saisonauftakt. Der Gästeblock groovt sich derweil weiter mit „Wir komm‘ von Berger Feld, Malocher ohne viel Geld…“ auf Betriebstemperatur; zudem wirbt ein großes zum Block gerichtetes blaues Banner für den gemeinsamen Fanmarsch von der Domplatte Buer zur Arena vor dem Heimspielauftakt gegen die Bayern.
Und wir schmeißen Stein um Stein…
Die Gladbacher haben ihre jahrzehntelange Einlaufhymne „Die Elf vom Niederrhein“ zum Verdruss vieler eigener Fans durch „Die Seele brennt“ ersetzt, doch ganz ohne den Klassiker geht es natürlich nicht; es wird einfach etwas früher im Programm „Stein und Bein“ auf die Elf vom Niederrhein geschworen. Und ebenso natürlich lassen sich auch die Schalker die verbale Verballhornung „Und wir schmeißen Stein um Stein…“ nicht nehmen.
Auf Gladbacher Seite steht Breel Embolo in der Startelf und kassiert einige Pfiffe aus dem Schalker Block, die seinen Wechsel undankbar fanden, nachdem Schalke ihn nach jahrelangen Verletzungsbeschwerden wieder herangeführt hatte. „Hoffentlich haut der uns nicht die Hucke voll“ unkt ein älterer Schalker. „Unsere Exstürmer treffen doch am allerliebsten gegen uns!“
Die Hausherren treten ganz in weiß an, die Schalker im königsblauen Heimtrikot, Alexander Nübel im schwarzen Ausweichdress mit den Lichtpunkten. Und die Schalker Kurve geht supporttechnisch sofort in die Vollen: Die Stadt erstrahlt dröhnend laut in blau und in weiß, dann folgen die Ansagen HURRA HURRA, Die SCHALKER DIE SIND DA!!! und „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“.
Viel Respekt zu Beginn
Auf dem Rasen geht es ebenfalls von beiden Seiten engagiert, aber mit viel Respekt vor dem jeweiligen Gegner zur Sache. Als Omar Mascarell nach einigen Minuten Ball und Embolo abräumt, setzt es Pfiffe und „Schei**e 04“-Rufe aus der Nordkurve, doch die Gemüter beruhigen sich schnell wieder. Der Gästeblock setzt die Playlist mit „Vorwärts Schalke olé“, „Auf geht‘s Blau-Weiß, holt Euch den Sieg für uns“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ fort.
Das Geschehen spielt sich weitgehend in intensiven Zweikämpfen im Mittelfeld ab, Torszenen bleiben zunächst Mangelware. Nach einer Viertelstunde kommt Plea im Zweikampf mit Matija Nastasic im Strafraum zu Fall, doch Schiedsrichter Dr. Brych verzichtet trotz Gemecker der Gladbacher auf den Videobeweis.
Die Nordkurve, akustisch erstaunlicherweise eher verhalten, präsentiert zwei Spruchbänder „Neuer Sponsor, neue Chance – verleiht dem Trikot wieder Glanz“ und „DFL/DFB: Zeit für Veränderung – der Fußball gehört allen“, was auch beifällige Zustimmung der Schalkefans findet. Der Gästeblock übt sich derweil im Wechselgesang Schalke!!! – Nullvier!!! zwischen Ober- und Unterrang und zieht ein blaues Spruchband „Schalke kommt und der Rubel rollt – Topzuschlag abschaffen!“ auf.
Ausgeglichene erste Halbzeit
Eine bärenstarke Partie liefert Omar Mascarell ab, der nicht nur etliche Gladbacher Angriffsversuche bereits im Keim erstickt, sondern auch die Bälle für die Schalker Vorstöße verteilt. Ein solchermaßen eroberter Ball landet bei Guido Burgstaller, der den Ball genau in den Lauf von Benito Raman ablegt. Der schnelle Neuzugang aus Düsseldorf hängt seine Bewacher ab, schießt dann aber völlig überhastet ab und verzieht so alleine vor Keeper Sommer deutlich. Arrrrrgh.
Das Spiel nimmt jetzt deutlich an Fahrt auf und es kommt zu mehreren Strafraumszenen und Ecken auf beiden Seiten, ohne dass eine wirklich zwingende Chance dabei herausspringt. Den Gästeblock stört das nicht; erfreut über den sichtlichen Einsatz heißt es „Vorwärts FC Schalke, schieß‘ ein Tor für uns“ und „Schalala-lalalaaa, Gelsenkirchen-Schalke!“ Für einen Superabwurf von Nübel nach einer der Gladbacher Ecken gibt’s einen Sonderapplaus, doch dieser Gegenstoß landet über Amine Harit in den Armen von Sommer.
Gute Noten verdient sich auch die neuformierte rechte Schalker Seite mit Jonjoe Kenny und Daniel Caligiuri, die mit Flanken für Gefahr sorgen, auch wenn Raman kurz vor der Pause haarscharf an einer vorbeisegelt. „Endlich wieder vernünftige Flanken!“ spricht eine Schalkerin aus, was viele denken.
Geht da noch mehr?
Das 0:0 zur Pause geht nach nahezu einhelliger Meinung nach dem Spielverlauf absolut in Ordnung, das sieht vor allem kämpferisch und defensiv schon deutlich besser aus als in der vergangenen Saison. Den Rest der Pause wird debattiert, ob Wagner lieber Kutucu oder Skrzybski für Raman oder Burgstaller bringen soll. Auf dem Rasen läuft derweil die Pausenbelustigung, in der möglichst genau 21 Punkte an einer mit Spielkarten geschmückten Torwand erzielt werden müssen.
Beide Mannschaften kommen personell unverändert aus der Kabine; die Schalker werden von ihren Fans mit deutlich vernehmbarem Applaus begrüßt, dann folgt der Klassiker „Schaaaalke und der FCN!“ In der Nprdkurve erscheint neben den Dauer-Zahnfahnen „Sottocultura“, „Vitusstadt“ und „Bökelberg“ ein weiteres Spruchband, das eine „kleine Milla“ herzlich willkommen heißt.
Auf dem Feld setzt sich das Geschehen der Viertelstunde vor der Pause nahtlos fort: Viel Engagement, überschaubare Chancen. Thuram setzt den Ball über den Kasten, Ginters Schuss wird sichere Beute von Nübel; auf der Gegenseite erproben sich Harit und Burgstaller erfolglos im Doppelpass.
Pfosten und Nübel, Nübel, Nübel
Der Gästeanhang fordert erneut „Steht auf…“ und „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“, auf dem Platz rettet Nastasic im Getümmel im Schalker Strafraum gegen Benes, doch der Ball landet bei Plea, der frei vor Nübel auftaucht – und das Leder herzhaft an den linken Pfosten donnert. Das Geräusch ist Musik in den Ohren der Schalker, fehlt doch nicht nur unseren Stürmern das Zielwasser.
Der Borussiapark ist mit 54.022 Zuschauern bis auf den letzten Platz ausverkauft, darunter knapp 7.000 „Ruhrpottkanaken“. Um die halbe Welt sind wir gefahr’n, immer wieder feuern wir Euch an… Ein Nastasic-Schuss landet sicher in den Armen von Sommer, Caligiuri sieht nach einem kernigen Rempler gegen Embolo die gelbe Karte, dann holt McKennie den agilen Plea ein wenig unsanft von den Füßen. Der folgende Freistoß von Benes fliegt elegant über die Mauer und wird lässig von Nübel heruntergefischt.
Nübel ist auch wenige Minuten später zur Stelle, als Stambouli im eigenen Strafraum zaubern will, statt den Ball wegzudreschen und Thuram scharf abzieht. Zum allgemeinen Erstaunen bringt Wagner als ersten Wechsel weder Skrzybski noch Kutucu, sondern Fabian Reese für Raman, auf Gladbacher Seite weicht Embolo unter Applaus des Heimpublikums und Pfiffen von Schalker Seite („Ha! Kein Tor gegen uns!“) für den Ex-Schalker Raffael.
Kurz darauf bleibt dem Gästeblock „Für Deine Farben leben und sterben wir“ fast im Hals stecken, denn Raffael ballert fast ansatzlos mit viel Wumms auf den Schalker Kasten, doch Nübel fliegt in die Ecke und kann den Ball noch wegboxen. „Alex-Nübel!!!“-Sprechchöre sind der Lohn.
Remis wird wie ein Sieg gefeiert
Diese Aktion bleibt der letzte Aufreger der Partie, der Rest ist auf beiden Seiten offensiv nicht gefährlich, dafür stehen die Abwehrreihen zu sicher. Die Gästekurve stört das nicht, schließlich hat Schalke damit bereits einen Punkt mehr auf dem Konto als in der letzten Saison nach fünf Spieltagen! „Schalke, ich bin für Dich geboren“ und der Gute-Laune-Song „Der FC Schalke wird deutscher Meister und wir holen den Pokal!“ swingen durch den Borussiapark.
Salif Sané darf noch kurz für McKennie ran, für ihn rückt Stambouli auf die 6; in der vierminütigen Nachspielzeit kommt auch noch der unlängst zu den Profis aufgerückte 18jährige Münir Levent Mercan zu seinem Bundesligadebüt, er ersetzt Harit. Eine Minute später wird abgepfiffen.
Mit dem gerechten 0:0 können alle Beteiligten gut leben, vor allem beim Schalker Anhang ist die Erleichterung über die sichtbare Steigerung groß. Entsprechend begeistert werden die Profis beim Gang in die Kurve gefeiert: Erst „Der FC Schalke wird deutscher Meister..“, dann „Zieht den Bayern die Lederhosen aus…“ und „Königsblauer S 04“ werden inbrünstig rausgebrüllt. Nastasic verschenkt sein Trikot; Spieler und Fans applaudieren sich gegenseitig, ein völlig anderes Bild als vor einem Jahr an gleicher Stelle. Einhelliges Fazit: Noch längst nicht alles perfekt, aber der Auftritt macht Lust auf die Saison…!
@ BuB
Sehr schöner und kompetenter Bericht vom Spiel. Weiter so !
Toller objektiver Bericht. Studierte Journalisten, können sich mal ein Beispiel nehmen. Freu mich auf mehr…
[…] Bayern werden nicht übermäßig liebevoll empfangen, im Gegensatz zu den Schalker Spielern, die in Gladbach einen verdienten Punkt […]