Effizient, diszipliniert, gefeiert: Schalke holt Auswärtssieg in Bremen
24. November 2019Schalke 04 siegt dank einer sehr disziplinierten Vorstellung und Treffern von Harit und Raman verdient mit 2:1 bei Werder Bremen und wird von den fast 5.000 mitgereisten Fans dafür und für die „Nummer 1 im Pott“ gefeiert. Susanne Hein-Reipen berichtet aus dem Gästeblock…
Wenn Schalke bei den „Fischköppen“ antritt, ist die A 1 fest in königsblauer Hand, jedes zweite Nummernschild endet auf 04. Viele Fahrzeuge sind mit Schals, Kutten oder Fahnen geschmückt, an allen Raststätten üben sich Schalker im Flüssigkeitsaustausch „oben rein, unten raus“. Mit viel Johlen wird der grüne Moin-Wiesenhof-Mannschaftsbus der Bremer überholt und abgehängt: Das ist ein gutes Omen!
Schöne Grüße von der Parkplatzverordnung
In der Hansestadt angekommen nutzen fast alle Individualfahrer den aus den Vorjahren bekannt-bewährten Shuttleservice ab dem Industriegebiet am Hemelinger Hafendamm. An Haltepunkt 8 kämpft ein einsamer und ziemlich übel gelaunter Parkplatzwächter-Würstchenverkäufer für korrektes Parken gemäß der „Parkplatzverordnung“: Nicht etwa wie im zivilisierten Ruhrgebiet parallel zur Straße; nein, rückwärts mit den Hinterrädern auf den Radweg und die Nase im rechten Winkel zur Straße soll es sein. Muss einem ja gesagt werden…
Umso freundlicher ist der Busfahrer, der Schalker und Bremer friedlich und erwartungsvoll gemeinsam dem Stadion entgegenschaukelt. „Da ist die Fischkonserve ja“ grinst ein Schalker, als das Weserstadion in Sicht kommt. Und in der Tat: Es riecht nach Fisch! Die Fischbrötchen, Kibbelinge und Heringe sind für Ruhrpottler eine nette Abwechslung. Garniert wird der Stadionvorplatz unter anderem durch Bier zum Selberzapfen – und ein Glücksrad von Umbro. Dumm nur: Der gemeinsame Ausrüster hat als „Hauptgewinn“ nur grüne T-Shirts im Angebot…
Von Netzen und Netzen
Um 13.30 Uhr ist der Gästeeingang bereits gut umlagert, schließlich öffnen Bundesligastadien in der Regel zwei Stunden vor Spielbeginn die Tore. Nicht so in Bremen: Erst kurz vor 14 Uhr schreiten die Ordner gemächlich auf ihre Posten. Die Kontrollen sind akribisch, es gibt einen eigenen Eingang für die „Materialkontrolle“, wo das Tifo-Material und die Zaunfahnen ausgeschüttelt und auf etwaige eingerollte Pyrotechnik gecheckt werden. Nebenan werden selbst Asthmasprays und Brillenetuis misstrauisch beschnuppert. Sind wir wieder gefährlich heute…
Im Stadion gibt es dann leider so gut wie kein Handy-Netz, offenbar schirmt die metallene Dach- und Außenkonstruktion die Schüssel zu gut ab. Andere Netze und Gitter gibt es hingegen im Überfluss, der komplette Gästeblock ist ein einziger kleinkarierter Rollbraten, selbst zwischen dem Steh- und Sitzbereich innerhalb des Gästebereichs sind übermannshohe Eisengitter und massive Netze angebracht. Sind wir wieder gefährlich heute…
Schalke hat die akustische Lufthoheit, Werder kluge Banner
Im „Wohninvest-Weserstadion“ agieren Arnd Zeigler, Fußballfans bestens bekannt aus seiner „Wunderbaren Welt des Fußballs“, und ein Kollege namens Christian als Stadionsprecher. Die Begrüßung der gut 5.000 mitgereisten Schalker ist noch sehr freundlich, sogar die erste Strophe des Vereinslieds „Blau und Weiß, wie lieb‘ ich Dich“ wird eingespielt. Leider verwandelt Christian sich kurz darauf in einen Brüllaffen, der fast alle Ansagen dreimal wiederholt, wohl um die akustische Lufthoheit des königsblauen Auswärtsmobs etwas zu dämpfen. Über die Anzeigentafel flimmern derweil Grüße von Fans an Fans.
Die Schalker Aufstellung wird störungsfrei verlesen. In der Startelf stehen heute Nübel, Oczipka, Nastasic, Kabak, Kenny, Mascarell, Serdar, Harit, Uth, Caligiuri und Raman. Dann gibt’s extralaut „Wir sind Werder Bremen, der Meiiiiiiister von der Weser“ vom Band, nicht weniger laut und ohne elektronische Nachhilfe beantwortet mit „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen!“ Für „Das ist Werder Bremen, hier sind wir zuhaus‘“ braucht das geneigte grüne Publikum sogar noch Untertitel.
Beim Einlaufen der Mannschaften zeigt sich: Schalke spielt in den schwarzen Ausweichtrikots mit den Lichtpunkten, Bremen in gewohntem Grün-Weiß. Die Ostkurve entrollt ein großes Banner „Eine lebende grün-weiße Legende – wir kämpfen mit Dir, Eisenfuß“ für die schwer an Demenz erkrankte Vereinsikone Horst-Dieter Höttges; der Gästeblock schwenkt zahlreiche Fahnen und intoniert „FC Schalke 04 olé olé“ und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“.
Stark taktisch geprägte erste Halbzeit
Schalke hat vom Anpfiff an deutlich mehr Ballbesitz, aber beide Teams stehen vor allem in der Defensive taktisch gut und sehr diszipliniert, so dass echte Torchancen lange Zeit Mangelware bleiben. Den Gästeblock stört das nicht, gegen kalte Füße und für gute Stimmung gibt’s Dauersupport mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, „Auf geht’s Schalke schieß ein Tor“, „Hurra hurra, die Schalker die sind da“, „Wir komm‘ vom Berger Feld“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n…“
Die Heimkurve arbeitet sich derweil in mehreren großformatigen Transparenten an Geschäftsführer Klaus Filbry ab. „Und denk dran Filbry: Am 10.12. mit Sarrazin in der Havanna Lounge: Soziale Verantwortung in der Zigarre rauchen“ und „Sarrazin Freund*innen raus aus dem Stadion! Havanna Lounge die Loge kündigen!“ zielen auf die Lesung des äußerst umstrittenen Ex-Finanzsenators im Bremer Business-Club „Havanna Lounge“, dem auch Filbry angehört.
Auf dem Rasen gibt’s in der 14. Minute den ersten und einzigen (zumindest der ersten Halbzeit) Bremer Torschuss, doch Alexander Nübel kann den Distanzschuss von Eggestein im Nachfassen unter Kontrolle bringen. Auch eine Ecke von Sahin wird sichere Beute des Schalker Kapitäns. Auf der Gegenseite donnert ein Distanzschuss von Daniel Caligiuri erst an den Pfosten, dann in Pingpong-Manier an Pavlenkas Rücken und dann ins Toraus.
Geniestreich von Harit bringt doch noch die Führung
Das nächste Banner in der Ostkurve fordert kurz und bündig „Fanmarschverbote abschaffen!“ und bekommt auch Applaus von den Schalkern, denen noch das überflüssige Marschverbot des Bremer Innenministeriums in den Knochen steckt. Etwas unauffälliger, aber nicht minder lobenswert kommt der Doppelhalter „Ultra has no gender, fight sexism!“ rüber.
In Bremen wird auf der Videowand nicht in „Heim“ und „Gast“, sondern in „Besuch“ und „Wir“ unterschieden. Auch die „Notausstiege“ im Dach über den Gästeblöcken werden vom Schalker Anhang eher misstrauisch beäugt – aber nix davon ist ein Grund, den Support auch nur kurzfristig zu unterbrechen und so geht es von „Unsere Liebe seit 1904“ über „Kohle unter uns‘ren Füssen“ bis zu „Vorwärts FC Schalke, schieß ein Tor für uns“.
…und siehe da, der „Auftrag“ wird von Amine Harit noch vor der Pause erfüllt. In der 43. Minute entwischt der kleine Marokkaner seinen erbitterten Bewachern, die ihn zuvor bis auf die Toilette verfolgten, kurz und schlenzt den Ball fast ansatzlos zum 0:1 ins rechte Eck. Hey!!!! Begeistert von der Führung swingt der Gästeblock in die Pause.
Super gemachter Bericht. Vielen Dank. ⚽️⚽️⚽️⚽️
Danke schöööön liebe Schalke-Suse für den wiedermal kurzweiligen Bericht
es ist immer wieder schön deine Berichte zu lesen,
als Schalkerin aus dem Süden unseres Landes ist es nicht immer möglich im Stadion zu sein und deshalb liebe ich diese herzerfrischenden Berichte, weiter so und herzliche Grüße aus BadenWürttemberg
DANKE für die GEilen und herz erfrischenden Berichte jede Woche! Das Highlight nach jedem Spieltag.
Mach weiter so Susanne
Chapeau