Effizient, diszipliniert, gefeiert: Schalke holt Auswärtssieg in Bremen

Effizient, diszipliniert, gefeiert: Schalke holt Auswärtssieg in Bremen

24. November 2019 4 Von Susanne Hein-Reipen

Traue keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast

In der Pause werden leicht angefrorene Gliedmaßen vorsichtig wiederbelebt, während der Stadionsprecher auf Zweckoptimismus („Wir gewinnen noch!“) macht und die „Kiss Cam“ einschaltet. Alle „erwischten“ Paare knutschen prompt vor sich hin, was einen gemütlichen Schalker in vorgerücktem Alter aufseufzen lässt, dass er das nette Mäuschen, das in der Veltins-Arena neben ihm sitzt, auch gerne mal…

Außerdem gibt’s noch 30 %-Rabatte auf alle Umbro-Klamotten, was sofort leichtes Grübeln hervorruft, warum derlei Aktionen auf Schalke nicht gefahren werden. Die eingeblendeten Statistiken sind sehr selektiv und ausschließlich pro-Bremen, aber watt soll’s, wir führen. Mit 42.100 Zuschauern wird zudem „volles Haus“ verkündet.

Beide Mannschaften kommen personell unverändert wieder aufs Feld; die Ostkurve zeigt ein riesiges Banner „Weserstadion unantastbar“, dem ein Transparent „Die nächsten zwei Heimspiele: Kleiderspende am Caillera-Stand“ der Bremer Ultras folgt.

0:2, das Bier fliegt tief

Der Gästeblock ölt derweil wieder die zarten Stimmchen und stimmt „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ und „Schalke, ich bin für dich geboren…“ an – und genau in die zweite Schleife von „ich hab‘ mein Herz verloren, an einen Fußballcluuuub“ hinein platzt das 0:2 durch Benito Raman (53.), bei dem er Pavlenka aus kurzer Distanz tunnelt. Vorangegangen war ein dicker Patzer von Langkamp, der sichtlich unglücklich von dannen schleicht und wegen Meckerns an der Seitenlinie noch Gelb kassiert. Der Gästeblock explodiert förmlich, das Bier fliegt tief und „Der FC Schalke wird deutscher Meister und wir holen den Pokal“ macht sofort doppelt Spaß.

Bremen-Coach Kohfeldt reagiert prompt und bringt Sturm-Oldie Claudio Pizarro, doch die nächste Großchance gehört wieder Harit, der aber knapp im Abseits steht (63.). Doch Bremen wird nunmehr aktiver und kommt durch Bargfrede und Osako zu guten Abschlussmöglichkeiten. Das Spiel ist nun hitziger, Bargfrede und Matija Nastasic kassieren Gelb. In der Heimkurve titelt ein weiteres kritisches Banner „Werderfans attackieren Ordner? Polizei attackiert Meinungsfreiheit! Verbreitet keine #Lügen!“

Schalke bringt die Führung souverän über die Zeit

Die Schalker Kurve hat hingegen äußerst gute Laune und performt lautstark „Hey, Schalke ist die Macht“, „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“.

Bei Bremen kommt Eggestein, an den die Schalker vom letzten Aufeinandertreffen gar keine guten Erinnerungen haben; bei Schalke Weston McKennie für den eher blass gebliebenen Uth ins Spiel. Eggestein wirft sich sofort in einen Schuss von Raman, bei dem die Schalker vehement Handelfmeter fordern, doch Pfeife und Videoschiedsrichter bleiben stumm. Für Verschwörungstheorien, dass die DFB-Fußballmafia bekanntlich nur gegen Schalke eingreift, ist jedoch nicht lange Zeit, denn Selassie schießt Nübel an. Dieser kann nur abklatschen und der Ball landet bei Osako, der aus kurzer Distanz den 1:2-Anschlusstreffer markiert (80.).  

Ist jetzt doch noch einmal Zittern angesagt? Der Bremer Anhang wittert jedenfalls Morgenluft und macht sich erstmals mit „Steht auf für den WSV“ und einem Werder! –  Bremen! –Wechselgesang akustisch bemerkbar. Rabbi Matondo ersetzt Raman, bei Bremen kommt der Ex-Schalker Benjamin Goller für Langkamp. Oh-oh, das wäre typisch Schalke, dass ein bei uns aussortierter Stürmer uns einen reinknallt…

…aber nix. Die Knappen halten Bremen weiter gut vom eigenen Gehäuse fern, notfalls mit ein wenig Nachdruck, der Omar Mascarell im Duell mit Osako noch eine gelbe Karte einträgt. Auch Guido Burgstaller darf noch kurz für Harit ran. „Burgi“ semmelt kurz vor Ende der regulären Spielzeit eine Vorlage von Caligiuri schwungvoll ins Seitenaus.

DIE NUMMER 1 IM POTT SIND WIR…!

Noch ein kurzer Schreck: Die Nachspielzeit soll 5 Minuten betragen, WOFÜR in einem zweiten Durchgang ohne große Unterbrechungen oder Verletzungen?! Es werden dann sogar sechs, doch bis auf eine klitzekleine Unsicherheit von Nübel bei einem letzten Schuss von Rashica braucht kein Schalker seine Herztropfen, die Mannschaft schaukelt die Führung unaufgeregt und souverän ins Ziel. JAWOLLJA!

Entsprechend ausgelassen ist die Stimmung nach dem Schlusspfiff; „Sieg!!!“- und höhnische „Absteiger, Absteiger!“-Rufe schallen den Bremern entgegen, etliche Fans sitzen gutgelaunt auf dem Zaun. Als die Spieler dann vor die Gästekurve treten, gibt es kein Halten mehr. Den Anfang machen „Alle Bremer stinken, weil sie aus der Weser trinken“ und „Auswärtssieg!“, dann folgt die Lieblingszeile aller Königsblauen: „Die Nummer 1 im Pott sind wir… die Nummer 1, die Nummer 1, die Nummer 1 im Pott sind wir!“, schließlich hat Lüdenscheid-Nord in seinem Taubenstall, pardon, im Signal-Iduna-Park nur mit Mühe und Not ein 3:3 gegen den Tabellenletzten Paderborn geschafft. Das geht runter wie Öl!

Auch „Der FC Schalke wird deutscher Meister und wir holen den Pokal“ darf nicht fehlen, die Mannschaft hüpft ausgelassen im Takt mit, bevor gemeinsam die Welle gemacht wird und alle gutgelaunt den Heimweg in den Pott antreten.

Schalke feiert drei Auswärtspunkte (Foto: Hein-Reipen)

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