Hannover – Schalke 1:1: Nur ein Eigentor stört die grandiose Auswärtsparty von 16.000 Schalkefans

Hannover – Schalke 1:1: Nur ein Eigentor stört die grandiose Auswärtsparty von 16.000 Schalkefans

8. April 2024 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 führt bei Favorit Hannover 96 dank der besten Auswärtsleistung 2024 lange mit 1:0 und muss sich am Ende wegen eines unglücklichen Eigentors von Seguin mit 1:1 und einem Punkt begnügen. Matchwinner sind die ungefähr 16.000 mitgereisten Schalkefans mit einer tollen Choreo und 90 Minuten lautstarkem Dauersupport. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Hannover ist traditionell ein beliebtes Reiseziel der Schalker Auswärtsmeute und so ist auch dieses Mal am Sonntagmorgen die A 2 fest in königsblauer Hand. In Hannover angekommen, verteilt sich die Karawane auf diverse Geschäftsparkplätze, denn der große Schützenplatz vor dem Stadion ist vom Frühlingsfest belegt. Ohne organisierten Marsch, aber in großen Trauben geht es dann Richtung Heinz-von-Heiden Arena – the Stadion formerly known as HDI-Arena, AWD-Arena und Niedersachsenstadion. Am Wegesrand bleiben aberhunderte Schalker Sticker zurück.

Ohne Schalke wär hier gar nix los…

Vorbei an der H96-Geschäftsstelle und Vereinskneipe geht es mit überraschend wenig Polizeibegleitung zum Gästeeingang, wo sich trotz der frühen Stunde bereits einige tausend Schalker in der Sonne vergnügen. Die Einlasskontrollen sind bekannt gründlich, aber fair – und beim Blick in die Gästeblöcke wird schnell klar: Auswärtschoreo ist angesagt!

Bei der Platzbegehung plaudern Schalker und Hannoveraner noch freundlich miteinander, danach wird die Gastfreundschaft etwas gedimmt: Der Stadionsprecher begrüßt explizit nur die 96-Fans und dreht die Lautsprecher bis zur Schmerzgrenze hoch – nutzt aber nichts, denn gut 16.000 Schalke werden auch mit solchen Kindereien fertig und so fällt die Begrüßung für unsere Torhüter und Mannschaft halt noch etwas lauter aus als sonst.

Für die Heimmannschaft gibt’s ein Spalier von Kids mit Fähnchen, dann folgt kurz und erstaunlich geräuschlos die Aufstellung von Hannover 96 vor der der Gäste: Chefcoach Karel Geraerts setzt heute auf Müller, Murkin, Kaminski, Kalas, Brunner, Seguin, Ouwejan, Ouédraogo, Karaman, Topp und Terodde, was bei den meisten Schalkern durchaus Anklang findet.

Schalke, ich bin für Dich geboren…

Noch ein bisschen Kisscam und die Statistiken – trotz 69 Begegnungen gab es noch nie ein 0:0 -, dann wird erneut und dieses Mal mit viel Geschrei die Aufstellung von H 96 zelebriert. Die Gästekurve und die angrenzenden blaudominierten Blöcke stört das nicht, denn unzählige blaue und weiße Fähnchen formen eindrucksvoll ein riesiges Vereinslogo, dazu brüllen tausende Stimmen aus voller Kehle und Seele inbrünstig „Schalke, ich bin für Dich geboren, ich hab‘ mein Herz verloren, an einen Fußballcluuuub…!“ Gänsehaut!

Nach dem Anpfiff geht es mit „Für deine Farben“, „Hurra, hurra, die Schalker die sind da“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ weiter – klingt wie ein Heimspiel, aber wird die Mannschaft auch das in dieser Saison deutlichattraktivere Heimgesicht zeigen…? Der Anfang ist auf jeden Fall vielversprechend; bereits in der ersten Spielminute prüft Seguin Zieler mit einem Volley, Voglsammer kann Murkin nur unfair bremsen und sieht früh Gelb.

Ouédraogo mit dem umjubelten 0:1

Und Schalke bleibt im Vorwärtsgang, ohne dabei die Abwehr zu vernachlässigen. Eine erste Ecke bringt noch nichts Verwertbares ein, aber dann zeigt Ouédraogo seine ganze Klasse und vernascht im Alleingang Arrey-Mbi und Ernst und marschiert in den Strafraum und vollendet mit einem präzisen Rechtsschuss unhaltbar für Zieler zum 0:1 (17.).

Der Gästeblock eskaliert vor Begeisterung, das Bier fliegt tief, dazu wird „S04… nur mit Dir…“ und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ angestimmt. Hannover bemüht sich, den Treffer zu verdauen, bringt aber offensiv nichts zustande, was Schalke in Bedrängnis brächte. Eine etwas arg dramatische Schwalbe von Nielson wird mit höhnischem „Ihr seid nur ein *urensohnverein“ quittiert; Schiedsrichter Willenborg winkt nur entnervt ab.

Terodde verpasst das 0:2

Die ohnehin bereits gute Stimmung bekommt durch den Führungstreffer weiteren Auftrieb; „Wir lieben alle nur den FC schalke“ und ein Wechselgesang Schalke! – Nullvier! zwischen Ober- und Unterrang werden genüsslich zelebriert, jede gelungene Aktion, jeder gewonnene Ball wird gefeiert.

Nach einer knappen halben Stunde stockt dann kurz der Atem, denn Ouédraogo setzt im Strafraum Terodde perfekt in Szene, der Rekordtorjäger scheitert aber aus rund elf Metern am reaktionsschnellen Zieler im Tor der Hannoveraner (29.). Schade! Auf Schalker Seite klärt Müller problemlos gegen Muroya und Nielsen.

Die Kurve feiert mit „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ und „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ weiter, als sich Voglsammer plötzlich ohne Fremdeinwirkung an den Oberschenkel greift und ärztlich versorgt werden muss. Die anderen Spieler nutzen die Unterbrechung bei schwülwarmen Temperaturen gerne für eine Trinkpause; Geraerts textet dabei auf Terodde und Kalas ein. Langer rennt derweil zu Müller und versorgt seinen Torwartkollegen ebenfalls mit einem Kaltgetränk. Für Voglsammer geht es nicht weiter, für ihn kommt der Ex-Schalker Teuchert (40.).

Viel Applaus für den ersten Durchgang

Bis zum Halbzeitpfiff passiert nicht mehr viel; die Fans von H 96 sind nicht glücklich mit der Darbietung, die Schalker Auswärtsmeute dafür um so mehr: Dies war die mit Abstand beste Auswärtsleistung mindestens im Jahr 2024, vermutlich aber sogar die beste erste Auswärtshalbzeit der ganzen Saison! Entsprechend lautstark fällt der Applaus zum Pausentee aus.

Auch in der Halbzeit scheint den Schalker die Sonne aus dem Popo, auch wenn es etwas nervig ist, dass im Oberrang des Gästeblocks Toiletten schlicht vergessen wurden. Auf dem Rasen blamiert sich derweil eine junge Hannoveranerin mit einem Kullerbällchen beim „unmöglichen Superschuss“.

Als die Schalker Elf personell unverändert wieder auf das Spielfeld kommt, ist der nächste Applaus fällig; dazu gibt Grüße nach Enschede und „Schalke und der FCN“, dann wird der „Königsblaue S04“ in voller Länge performed, natürlich mit hochgereckten Schals. Auf dem Rasen sind die Hausherren bemüht, besser mitzuspielen als in den ersten 45 Minuten, zunächst jedoch ohne Erfolg.

Rettet Schalke die Führung über die Zeit?

Arrey-Mbi und Seguin sehen jeweils Gelb, mit 49.000 Zuschauern vermeldet der Stadionsprecher restlos ausverkauftes Haus. Nach einer guten Stunde ist Ouédraogo fix und alle und muss unter aufmunterndem Applaus durch Kabadayi ersetzt werden; bei Hannover kommt Schaub für Christiansen (64.).

Ein Distanzschuss von Karaman von der Strafraumgrenze zischt links vorbei (67.); die Gästekurve nutzt die überschaubare Aktivität auf dem Rasen für dreimaliges Zelebrieren von „Schalke nur Du alleine bist meine Liebe“ – hinsetzen, aufspringen, brüllen und wieder von vorne! Weiter geht es mit „Immer wieder S04“ und einer Attacke.

Seguin als großer Pechvogel

Ein weiterer Distanzschuss von Murkin fliegt über die Querlatte (79.), Zieler klärt gegen Kabadayi (80.), der sich mit dem aussichtsreich dahinter lauernden Terodde abklatscht.

Dann jedoch der Schock, mitten hinein in die „Asozialen Schalker“: Nach einem Einwurf für Schalke schnappt sich Teuchert den Ball und läuft… und läuft… und läuft weitgehend unbehelligt auf das Schalker Tor zu. Seguin, bereits gelbbelastet, will ohne Grätsche klären und befördert den Ball unglücklich an Müller vorbei zum 1:1-Ausgleich ins eigene Gehäuse (81.). Die Hannoveraner feiern den unverhofften Ausgleich, Müller tröstet den sichtlich geknickten Pechvogel.

Geraerts greift umgehend zu einem Dreifachwechsel, van der Sloot, Idrizi und Lasme kommen für Brunner, Ouwejan und Topp (84.) – und Müller rettet mit einer Glanzparade gegen einen Kopfball von Tresoldi (86.). Puh!

Es bleibt beim 1:1

Kurz darauf gerät der Deutsch-Italiener beim Kopfball mit Teroddes Eisenschädel aneinander und muss minutenlang behandelt werden. Die beiden Fanlager nutzen dies zum Austausch einiger Nettigkeiten der Marke „Warum seid ihr *uren so leise“ und „Für ein Heimspiel seid Ihr ganz schön laut“.

In der siebenminütigen Nachspielzeit klärt Müller noch einmal souverän gegen Schaub (90+2.), ansonsten passiert bis auf eine Gelbe gegen Teuchert wegen Zeitspiels nicht mehr viel, es bleibt bei der Punkteteilung. Beiden Mannschaften sind die gemischten Gefühle deutlich anzusehen – für Hannover, die mit einem Sieg bis auf zwei Punkte an den HSV hätten ranrücken können, ist ein Unentschieden eigentlich ebenso zu wenig wie für Schalke als echten Befreiungsschlag im Abstiegskampf.

„Einen Punkt hier hätte ich vorher sofort unterschrieben, aber jetzt fühlt es sich an wie zwei verlorenen Punkte“ spricht ein Schalker aus, was viele denken. Mit nunmehr 32 Punkten rückt Schalke auf Rang 13 vor, die Abstände zum Relegations- (2 Punkte) und Abstiegsplatz (3 Punkte) sind jedoch noch nicht wirklich beruhigend.

Applaus der Kurve

Die Kurve honoriert trotzdem die klare Leistungssteigerung gegenüber den letzten Auswärtspartien mit viel Applaus und dem obligatorischen „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen!“ Die Mannschaft gibt den Applaus zurück; Kalas verschenkt zudem sein Trikot an einen überglücklichen Fan.

Anschließend marschieren die Schalker je nach Anreise per „Fanmarsch“ hinter einer „blauen Minna“ zum Hauptbahnhof oder zurück ins Gewerbegebiet und fahren mit einem Punkt und dem guten Gefühl, über die vollen 90 Minuten Teil eines beeindruckenden Auswärtsmobs gewesen zu sein, nach Hause. Gemeinsam zum Klassenerhalt!