Frankfurt – Schalke 2:1: Dämpfer für die „jungen Wilden“ trotz Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit

Frankfurt – Schalke 2:1: Dämpfer für die „jungen Wilden“ trotz Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit

17. Juni 2020 0 Von Susanne Hein-Reipen

Schalke muss sich nach einer offensiv sehr schwachen ersten Halbzeit trotz einer deutlichen Steigerung im zweiten Durchgang auch Eintracht Frankfurt mit 2:1 (1:0) geschlagen geben. Susanne Hein-Reipen glaubt trotzdem an die „jungen Wilden“…

Weston McKennie (FC Schalke 04) Foto: Tim Rehbein/RHR-FOTO/Pool/Imago

Auf dem Papier sind sich Schalke und Frankfurt vor der Partie sehr nahe: Die Knappen stehen mit 39 Punkten auf Platz 9, die Adler mit einem Zähler weniger auf Rang 10. Auch die Gesamtbilanz in der Bundesliga ist fast ausgeglichen: 34-mal blieb Königsblau Sieger, 33-mal die Eintracht, 24 Partien endeten unentschieden. Allen vorangegangenen Partien gemein waren dabei zwei große und leidenschaftliche Fanlager, die ihre Mannschaft lautstark und mit bedingungslosem Einsatz unterstützen – bei einer solchen Konstellation schmerzen Geisterspiele besonders!

Das Spiel im Forum

Der neue Jugendstil: Startelf mit Bozdogan, Boujellab, Becker und Kutucu

Beide Mannschaften präsentierten sich zuletzt nicht in Topform, bei Schalke stehen nunmehr 13 Ligaspiele ohne Dreier zu Buche. Im Heimspiel gegen Leverkusen zeigte sich allerdings ein Hoffnungsschimmer: Durch insgesamt 11 Verletzungsausfälle musste Cheftrainer David Wagner auf die Youngster zurückgreifen – und die präsentierten sich sehr einsatzfreudig und hielten gegen den CL-Aspiranten deutlich besser als befürchtet. Ein Sonderlob des Trainers kassierte Can Bozdogan, der bis zu seiner Auswechslung gemeinsam mit Ozan Kabak auffälligster Akteur auf dem Feld war: Es sei „bemerkenswert“, dass der „ganz feine Fußballer“ nach fast sechs Monaten ohne Wettkampfpraxis „eine solche Leistung abrufen konnte“.  

Logische und von den Schalkefans nur zu gern gesehene Konsequenz: Auch in Frankfurt beginnt eine sehr junge Schalker Elf, obwohl zumindest Raman und Gregoritsch wieder fit wären. Bei Nübel, Kenny, Kabak, Oczipka, Miranda, McKennie, Schöpf, Bozdogan, Becker, Boujellab und Kutucu sind nur Kapitäns-Vertreter-Vertreter Bastian Oczipka (31) und Alessandro Schöpf (26) älter als Anfang 20.

Frankfurt ist am Drücker

Schalke tritt in den weißen Auswärtstrikots an, Frankfurt hat Anstoß – und möchte nach zuletzt vier sieglosen Heimspielen offenbar von Beginn an das Heft in die Hand nehmen. In der 4. Minute resultiert aus diesem Anfangsschwung der erste Vorstoß über Kohr, dann folgt eine Ecke, die jedoch von Oczipka schwungvoll aus dem Strafraum gedroschen wird.

Auch die zweite Ecke der Hausherren bringt nichts Verwertbares (7.), dann marschiert McKennie Richtung Frankfurter Strafraum und holt den ersten Eckball für Schalke heraus. Dieser wird von Oczipka ausgeführt und landet am langen Pfosten auf dem Scheitel von Boujellab, doch sein aufgesetzter Kopfball verfehlt das Gehäuse.

Auf der Gegenseite schnappt sich Alexander Nübel, der im Hinspiel nach einem bösen Kung-Fu-Foul an Gacinoviv vom Platz flog, ein Schüsschen von Kostic. Kurze Zeit danach hat der Schalker Keeper Glück, dass da Costa eine weitere Hereingabe des Serben verpasst. Auch zwei Schüsse von Kamada verfehlen das Schalker Tor, aber der Druck wird stärker.

Verdiente Führung durch Silva

Etwas Gegenwehr bringt ein Entlastungsangriff über Timo Becker, dessen Flanke von Juan Miranda über den Querbalken gehämmert wird, dann ist wieder die Eintracht am Drücker. Kamada zimmert aus knapp 18 Metern Entfernung drauf und Nübel lenkt den Ball mit einer ansehnlichen Parade über die Latte. Für einen weiteren Vorstoß von Kostic ist bei Ozan Kabak Endstation.

In der 29. Minute passiert es dann: Kenny lässt sich in Höhe des Frankfurter Strafraums von Kostic den Ball abnehmen, der unbedrängt einen langen Pass auf Kamada spielen kann, der zu Silva querlegt. Dieser verlädt den mitlaufenden Miranda und den herausstürmenden Nübel und schiebt flach zur verdienten 1:0 Führung ein.

Der Führungstreffer für die Eintracht

Danach verflacht das Spiel ein wenig, die Nickligkeiten häufen sich und tragen McKennie und Kamada die ersten Verwarnungen des Abends ein. Zuvor hatte der Schalker US-Boy einen kleinen Materialtest am Trikot des Japaners ausprobiert, der daraufhin wütend den Ball weggedroschen und Kabak „abgeschossen“ hatte.

Bis zur Pause gibt es einen weiteren Vorstoß von Kamada, ansonsten scheint Frankfurt zunächst mit der knappen Führung zufrieden zu sein. Unmittelbar vor dem Pausenpfiff gibt es nacheinander noch zwei Freistöße für Schalke und Frankfurt in der Hälfte der Gastgeber, bei denen Can Bozdogan hart den Ellbogen von Ndicka ins Gesicht bekommt und heftig an der Lippe blutet. Schiedsrichter Winkmann ahndet die durchaus zweifelhafte Szene nicht.

Can Bozdogan blutet

Frankfurt erhöht, Schalke wehrt sich

David Wagner reagiert auf die vor allem offensiv sehr schwache Darbietung des ersten Durchgangs und ersetzt Timo Becker durch Stürmer Rabbi Matondo. Die ersten Offensivaktionen gehen dennoch wieder auf das Konto der Frankfurter – und schon in der 50. Minute rappelt es wieder im Schalker Tor. Torschütze ist Abraham mit einem wuchtigen Kopfball, vorangegangen war ein von Miranda verursachter scharfer Freistoß von Kostic.

Der Rückstand wirkt sich nicht gerade glücklich auf das ohnehin sehr gebeutelte Selbstbewusstsein der Schalker aus. Wagner ersetzt den bemühten, aber wirkungslosen Kutucu durch Gregoritsch; Oczipka und Bogdogan bekommen Gelb, auch Nübel wirkt nervös – aber dann rennt Ilsanker Schöpf um und der gefoulte Österreicher bringt den Ball selber gefühlvoll in die Mitte, wo Weston McKennie am höchsten steigt und das Leder schulbuchmäßig über den verdutzten Trapp hinweg in die Maschen köpft. Das 1:2 in der 59. Minute, geht da noch was?

Der Anschlusstreffer durch Weston McKennie

†Nunmehr zeigen auch die Frankfurter Nerven, die Angriffe von Ndicka und da Costa sind überhastet und ungefährlich. Kamada bringt sogar das Kunststück fertig, den Ball im Fünfmeterraum trotz freien Schussfelds in die Wolken zu jagen. Hütter reagiert und schickt mit Hinteregger (für Ilsanker) und Sow (für Kohr) zwei frische Kräfte auf den Rasen; Boujellab sieht Gelb für ein etwas zu lang geratenes Bein gegen Sow. Immerhin wehren sie sich jetzt besser…

Gelb-Rot und versemmelte Chancen

In der 75. Minute wird in königsblauen Wohnzimmer wieder fassungslos auf die Sofakissen eingedroschen: Miranda marschiert auf links, über McKennie kommt der Ball zu Matondo, der Trapp anschießt. Der Abpraller landet bei Gregoritsch, der postwendend zurückschießt, dabei aber leider genau den auf der Torlinie postierten Abraham erwischt. Das hätte der Ausgleich sein müssen, nein, müssen!

Bozdogan, bereits verwarnt, geht sehr schwungvoll in einen Zweikampf mit Hasebe und muss nach einem Tritt auf dessen Fuß vorzeitig duschen gehen. Derlei Übermotivation verzeihen Schalkefans aber wesentlich leichter als mangelnden Einsatz…

Auch Frankfurt kann Großchancen vergeben: Silva läuft frei auf Nübel zu und könnte sich in aller Ruhe eine Ecke aussuchen, schiebt den Ball aber am rechten Pfosten vorbei. Beide Trainer wechseln weiter: Dost und Chandler ersetzen Silva und da Costa, Thiaw und Raman kommen für Miranda und Boujellab.

Trapp und Dost werden ebenfalls noch verwarnt, die Eintracht schwimmt jetzt und versucht, sich über die Nachspielzeit zu retten. Eine letzte Ecke für Schalke, dann ist das Spiel aus.

Die Sieglos-Serie geht weiter

Schalke ist damit jetzt seit 14 Spielen sieglos, einmaliger Vereins-Negativrekord – wie bereits gegen Bremen reicht es eben nicht aus, eine Halbzeit vernünftig mitzuspielen. Dennoch hat die zweite Halbzeit erneut Hinweise gegeben, mit welchen Spielern und welchem System Schalke versuchen sollte, sich aus der Krise herauszuarbeiten. Kämpfern wie McKennie und Bozdogan gehört die Zukunft, dazu kommen hoffentlich wieder Spieler wie Mascarell, Serdar und Stambouli.

Durch den Sieg zieht Frankfurt an Schalke vorbei und bewahrt sich die Chance auf Platz 7, Schalke kann die Saison, die in der Hinrunde Hoffnungen auf eine gute Platzierung weckte, endgültig im Giftschrank begraben.  

David Wagner nach dem Abpfiff