Wagner zu seinem Glück gezwungen: Junge Schalker machen beim 1:1 gegen Leverkusen Mut

Wagner zu seinem Glück gezwungen: Junge Schalker machen beim 1:1 gegen Leverkusen Mut

14. Juni 2020 Aus Von Susanne Hein-Reipen

Einen Dreier gab es auch im 13. Spiel nicht, aber beim 1:1 gegen CL-Aspirant Bayer Leverkusen verkaufte sich die Schalker Notelf mit zahlreichen Eigengewächsen aus der Knappenschmiede deutlich mutiger als in den vorherigen Auftritten – ein Fingerzeig für die Zukunft…

Can Bozdogan am Ball. Foto: Maik Hoelter/TEAM2sportphoto/Pool/Imago

Einen Dreier gab es auch im 13. Spiel nicht, aber beim 1:1 gegen CL-Aspirant Bayer Leverkusen verkaufte sich die Schalker Notelf mit zahlreichen Eigengewächsen aus der Knappenschmiede deutlich mutiger als in den vorherigen Auftritten – ein Fingerzeig für die Zukunft…

Die Bilanz der Königsblauen gegen die Werkself ist nicht gut, genauer: Sie ist grottenschlecht. In 76 Bundesligapartien ging Schalke nur 21mal als Sieger vom Platz, Leverkusen 32mal. Sogar die Heimbilanz ist mit 11 Schalker Siegen bei 15 Remis und 13 Niederlagen negativ. Kleiner Trost: Die wichtigste und die geilste Begegnung zwischen den beiden Mannschaften entschied Schalke jeweils für sich. Im Pokalfinale 2002 gab es dank eines genialen Freistoßhammers von Jörg Böhme und einer tollen zweiten Halbzeit einen 4:2-Sieg für Schalke; im Februar 2002 wurden „die Pillen“ in einem irren Spiel mit 7:4 aus der Veltins-Arena geballert.

Mit einem solchen Torfestival rechnet angesichts von mageren 6 Treffern in 14 Rückrundenspielen selbst der besoffenste Optimist unter den Schalkefans nicht, aber Unverdrossene hoffen auf das Ende der Negativserie mit 12 sieglosen Spielen. Andere befürchten aufgrund der zahlreichen Verletzten – mit Mascarell, Sané, Serdar, Stambouli, Matondo, Burgstaller, Nastasic, Todibo, Harit und Raman (Rückenbeschwerden nach dem Abschlusstraining) fehlen nicht weniger als 10 Spieler – und dem gesicherten Klassenerhalt vier weitere Elends-Kicks.

Wird David Wagner zu seinem Glück gezwungen?

Die Mannschaft stellt sich dementsprechend fast von selber auf:  Vor Nübel stehen Kabak und Oczipka in der Innenverteidigung, Kenny und Miranda besetzen die Außenverteidigerpositionen. Im defensiven Mittelfeld agieren McKennie und Schöpf, dessen Ballverluste in den vergangenen Wochen etliche Schalkefans haben ergrauen lassen. Caligiuri und Startelf-Debütant Bozdogan, Kapitän der Schalker Junioren, besetzen die Flügel, vorne sollen es Kutucu und Boujellab richten. Man darf gespannt sein, was die von vielen Fans vehement geforderten Youngster jetzt abliefern.

Der Start ist jedenfalls vielversprechend: Schon in der 2. Minute setzt sich Bozdogan durch und bedient McKennie, der Hradecky zu einer Glanzparade zwingt. Den Abpraller setzt Kutucu mit einem sehenswerten Seitfallzieher knapp links neben das Leverkusener Tor. Bitte mehr davon!!!

Auch die nächste gelungene Offensivaktion geht von Bozdogan aus: Er lässt Demirbay aussteigen, verfehlt dann aber leider Boujellab, Hradecky ist schneller. Die erste gelbe Karte der Partie sieht Kabak für etwas zu herzhaftes Einsteigen gegen Amiri. Fazit nach 15 Minuten: Schalke steht defensiv sicher und zeigt tatsächlich offensive Ansätze, das ist schon mal deutlich besser anzusehen als in den letzten Partien!

Stambouli als Ein-Mann-Nordkurve

Einen weiteren Vorstoß vergibt Kutucu, weil er nach Vorarbeit von Kapitän Caligiuri zu lange wartet. Die erste Torchance für die Gäste ist ein Kopfball von Alario, den Kenny ebenfalls per Kopf über die Latte lenken kann (22.), die folgende Ecke bringt nichts ein.

Dann wieder Schalke: Einen Schuss von Caligiuri von der Strafraumgrenze lässt Hradecky nach vorne abklatschen, den Nachschub von Boujellab blockt Bender. Leverkusen kontert mit Havertz und Diaby, aber bei Kabak ist Endstation. Miranda sieht eine weitere überflüssige Gelbe wegen Ballwegschlagens.

Demirbay gibt im Zweikampf mit Schöpf den sterbenden Schwan und holt einen Freistoß an der Strafraumgrenze heraus, den Amiri genau auf den Scheitel von Alario bringt – und der Ball ist im Netz. Nutzt den „Pillen“ nur nichts, weil Alario deutlich im Abseits steht. Im Hintergrund ist derweil deutlich Benjamin Stambouli zu hören, wie er wie bereits in Berlin als Ein-Mann-Nordkurve unermüdlich seine Kollegen anfeuert. Allez, allez, allez!!!

Leverkusen ist in dieser Phase aktiver als zu Beginn, spielt aber auch keine zwingende Chance mehr heraus. Mit überpünktlichem Pausenpfiff und einem leistungsgerechten 0:0 geht es in die Kabinen, aus Schalker Fansicht mit einem wesentlich besseren Gefühl als zuletzt.

Caligiuri per Handelfmeter zur Führung

Beide Mannschaften kommen personell unverändert wieder auf das Spielfeld. Die erste Aktion geht an die Gäste, aber Amiri wird von der Schalker Abwehr ausgebremst.

Dann: Getümmel im Leverkusener Strafraum, der Ball kommt von Kutucu über McKennie zu Miranda, wird aber von Tapsoba ins Aus befördert. Schiedsrichter Siebert befindet zunächst auf Ecke, lauscht dann aber dem Videoschiedsrichter und trabt selber zum Spielfeldrand. Nach dem Studium der Fernsehbilder gibt’s Handelfmeter, weil Tapsobas Arm im Spiel war. Diese Chance lässt sich Caligiuri nicht nehmen und knallt das Leder in die Tormitte. 1:0 Schalke (51), jawollja!

Im Gegenzug wehrt Nübel einen Schuss von Alario und die folgende Ecke ab. Die Partie wird nun hitziger, Bozdogan und Wendell geraten ebenso aneinander wie Alario und Caligiuri, für die beiden letzten gibt es nach einer veritablen Rudelbildung jeweils Gelb, kurze Zeit später wird auch McKennie gelb dekoriert.

Kalte Dusche durch Paulinho

Nach knapp 70 Minuten tauscht David Wagner Bozdogan, der eine sehr mutige und Hoffnung machende Leistung gezeigt hat, gegen Becker; bei Leverkusen kommen Sinkgraven und Volland für Amiri und Havertz. Die Farbenstädter haben deutlich mehr Ballbesitz, aber Schalke verteidigt engagierter als in den vorhergehenden Partien – und setzt gelegentliche offensive Nadelstiche. Reicht das, um die Führung über die Zeit zu bringen?

Bestnoten in königsblau verdient sich Ozan Kabak, der gegen Alario und Volland rettet. Auf Leverkusener Seite ist Alario der auffälligste Akteur. Mit Gregoritsch für Kutucu und Paulinho für Demirbay bringen beide Trainer frische Offensivkräfte.

Dann leider der Ausgleich: Wendell setzt sich auf der linken Seite gegen Caligiuri durch und bedient Paulinho, der Seite an Seite mit dem mit ihm heranrauschenden Miranda vollstreckt (81.). Eigentor? Tor? Nübel streckt sich noch, kommt aber nicht mehr an den Ball, dafür fischt er kurze Zeit später eine Alario-Flanke aus der Luft, bevor sie Schaden anrichten kann.

Negativserie geht weiter, aber die Knappenschmiede macht Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Mit Hofmann und Mercan für Caligiuri und Boujellab kommen zwei weitere Youngster zu Einsatzminuten, doch auf Schalker Seite schwinden die Kräfte sichtlich, obwohl Leverkusen unter der Woche ein Pokalspiel in den Beinen hat… Wagner, dem viele Fans zuletzt Untätigkeit und mangelndes Feuer am Spielfeldrand vorwarfen, versucht, die Mannschaft für die letzten Minuten zu sortieren. Es gilt, sechs Minuten Nachspielzeit zu überstehen. Das gelingt nicht nur, Gregoritsch hat sogar in der 90.+7. Minute den Siegtreffer auf dem Fuß, aber Hradecky ist rechtzeitig zur Stelle.

Das 1:1 ist leistungsgerecht – und ein deutlicher Fingerzeig, dass die Jungs aus der Knappenschmiede Vertrauen verdient haben. Besonders Bogdogan und Boujellab sind absolut belebende Elemente in dem seit Wochen sehr pomadigen Schalker Spiel – gut möglich, dass Schalke aufgrund der knappen Kassen – Jochen Schneider ließ dies im Interview vor dem Spiel erneut sehr deutlich durchblicken – zu ihrem Glück gezwungen werden. Den Schalker Fans wird es sehr recht sein, wenn sie wieder in die Arena dürfen und Eigengewächse anfeuern können…

Fröhliche Rudelbildung im Schalker Strafraum