Schwere Beine und gute Laune: Gerechtes Remis zwischen Wattenscheid 09 und Schalke 04

Schwere Beine und gute Laune: Gerechtes Remis zwischen Wattenscheid 09 und Schalke 04

15. Juli 2019 0 Von Susanne Hein-Reipen

Unter dem schönen Motto „Der Pott hĂ€lt zusammen“ bitten Schalke und Wattenscheid zum „Retterspiel“ fĂŒr die finanziell angeschlagene SG 09. HandgezĂ€hlte 8.009 Zuschauer aus beiden Fanlagern erleben einen vergnĂŒglichen Nachmittag mit der legendĂ€ren Wattenscheider Stadionwurst, zwei Schalker DebĂŒtanten und einem erstaunlich ausgeglichenen Spiel. Susanne Hein-Reipen ĂŒber alles auf und neben dem Platz


Das ehrwĂŒrdige Lohrheide-Stadion ist fĂŒr Schalker gefĂŒhlt mindestens ein halbes Heimspiel: Nicht nur, dass Fans aus Gelsenkirchen gepflegt mit der „Arenalinie“ 302 anreisen können, die Schalker U 19 durfte dort ebenfalls bereits Heimspiele bestreiten. Und last not least stehen bei der SG 09 mit Aufsichtsrat Josef „Jupp“ Schnusenberg und natĂŒrlich „Peddar“ Neururer als sportlichem Leiter zwei gute alte Bekannte in der Verantwortung.

Niemals geht man so ganz: FÀhrmann fÀhrt mit

Kenner wissen: Die Wattenscheider Wurst schmeckt legendĂ€r lecker, davon zeugt nicht nur ein großes Banner in der heute fĂŒr das Publikum gesperrten Nordkurve. WĂ€hrend des Vorspiels der Wattenscheider Traditionsmannschaft schiebt sich der Schalker Mannschaftsbus vorsichtig durch die bereits gut gefĂŒllte SĂŒdkurve. FĂŒr einen kleinen Lacher sorgt seine weithin sichtbare Lackierung mit dem Konterfei des mittlerweile an Norwich City verliehenen Ralf FĂ€hrmann. Niemals geht man so ganz


Testspiel SG Wattenscheid 09 – Schalke 04 14. Juli 2019: DebĂŒt fĂŒr Markus Schubert (Foto: Susanne Hein-Reipen)

Zwischen den Pfosten steht natĂŒrlich trotzdem nicht „Ralle“, sondern erstmalig Markus Schubert, der beim Warmmachen mit erstaunlicher SpurtstĂ€rke beeindruckt. Ansonsten bietet das Vorprogramm mit AuszĂŒgen des Musicals „Starlight Express“, diversen Interviews und einer ausgiebigen Stadionrunde von Erwin „Hooligan“ mit seinem Wattenscheider „Amtskollegen“ fĂŒr jeden Geschmack etwas. Der niedliche schwarz-weiße PandabĂ€r scheint allerdings unter seinem PlĂŒschkopf nicht ganz den richtigen Durchblick zu haben, aber Erwin und eine charmante Begleiterin helfen ihm ĂŒber alle Klippen und Stolperfallen hinweg und verhindern, dass er Ahmed Kutucu umrennt.

Neben dem Wattenscheider Vereinslied gibt auch Olaf Thon seine Visitenkarte am Mikrophon ab und schildert trocken, wie er wĂ€hrend seiner „6 Jahre im Ausland“ mit Bayern MĂŒnchen einmal 0:2 in der Lohrheide verloren hat. Gegenseitige Komplimente und SolidaritĂ€tsbekundungen werden ĂŒberhaupt großgeschrieben, die AtmosphĂ€re ist ausgesprochen freundschaftlich.

Peddar ist in seinem Element

Das Steigerlied wird mit viel Inbrunst von Hausmeister Klopotek intoniert, dann folgt die Schalker Aufstellung. Chefcoach David Wagner schickt zunĂ€chst Schubert, Reese, Nastasic, Stambouli, Oczipka, Mercan, Marcel Langer, Harit, Raman, Matondo und Kutucu auf den Rasen. Der Sechsfach-TorschĂŒtze von Bottrop, Guido Burgstaller, muss nach einem kleinen zahnchirurgischen Eingriff passen. Zu den KlĂ€ngen von „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ strahlt derweil der bekennende Schalker Peter Neururer â€žĂŒber alle vier Backen“ in die Fernsehkameras.

Als die Stadionsprecherin euphorisch die Aufstellung der „geilsten Mannschaft der Welt, unserer SG 09“ ankĂŒndigt, mĂŒssen selbst Wattenscheider grinsen. Ob die Fanfare von „The final countdown” die richtige Hymne ist
? Da kommt die „Fußballzeit bei uns im schönen Wattenscheid“ schon besser rĂŒber.

FrĂŒhe FĂŒhrung durch Kutucu

Beim Einmarsch der Mannschaften durch den Spielertunnel wird deutlich: Schalke trĂ€gt erstmalig die neuen AuswĂ€rtstrikots, die anders als das schlafanzuggraue Leibchen der Vorsaison wieder in reinem Weiß mit blauen und grĂŒnen Streifen am Ärmel strahlen. Zum Wimpeltausch tritt erneut Benjamin Stambouli an, der ein ziemlich sicherer Kandidat fĂŒr die beiden SpielfĂŒhrer sein dĂŒrfte, die David Wagner vor Beginn der Saison benennen möchte.

Der erste Torjubel in dem neuen Outfit lĂ€sst dann auch nicht lange auf sich warten: Amine Harit bedient Ahmed Kutucu, der vollendet kompromisslos ins linke untere Toreck (04.).  Das Publikum freut sich mit dem jubelnden TorschĂŒtzen und amĂŒsiert sich ĂŒber die Durchsage an den Fahrer eines offensichtlich vogelwild abgestellten PKWs: „Sie blockieren die Bogestra!“

Schalke ist in der Folgezeit feldĂŒberlegen, lĂ€sst aber die letzte Konsequenz vermissen, die Wattenscheider stemmen sich engagiert dagegen. Die Trainerteams verfolgen das Ganze von BierzeltbĂ€nken als improvisierten TrainerbĂ€nken; die Ersatzspieler sitzen ebenfalls auf HolzbĂ€nken unmittelbar an der Mauer zur OsttribĂŒne, was zu einem regen Zulauf autogrammhungriger Kids fĂŒhrt.

Raman und das Zielwasser

Die beste Möglichkeit, die Schalker FĂŒhrung auszubauen, hat Neuzugang Benito Raman, der in der 14. Minute aus spitzem Winkel das Außennetz trifft. Schubert zeigt sich bei seinem ersten Auftritt souverĂ€n und fĂ€ngt und faustet die Wattenscheider Gegenangriffe aus der Gefahrenzone.

AuffĂ€llig ist: Wagner hat der Schalker Elf offensichtlich den „langen Hafer“ ausgetrieben, die Mannschaft versucht, sich mit zahlreichen FlachpĂ€ssen nach vorne zu kombinieren. Das Motto „Hoch und weit bringt Sicherheit“ hatte die Schalker Fans in der vergangenen Saison einige Male zur Verzweiflung getrieben, weil die BĂ€lle meistens im Nirwana verschwanden.

Nach einer halben Stunde ist deutlich erkennbar, dass den Schalkern das Spiel gegen die Bottroper Stadtauswahl und das straffe Konditionstraining der letzten beiden Wochen in den Knochen stecken, daran können auch die gelegentlich aufbrandenden Wattenscheid-Sprechchöre und die Rufe nach „Schalke Zwei!!!“ nichts Ă€ndern. Raman verzieht eine weitere Chance knapp am langen Eck vorbei (39.), kurz vor der Pause rettet Kraft im Tor der Wattenscheider gegen den Neuzugang. Beim sofortigen Tempogegenstoß des Regionalligisten steigt die Stimmung, doch es geht mit 1:0 in die Pause.

Ausgeglichene zweite Halbzeit

Die Pausen-Live-Musik ist reichlich laut, der Sturm auf die Grills unvermindert groß. Die angeschlagenen Spieler um Mark Uth und Ozan Kabak verfolgen das Geschehen aus dem Medienbereich. David Wagner nutzt die Pause fĂŒr zunĂ€chst drei Wechsel: Michael Langer, Rudy und Skrzybski ersetzen Schubert, Marcel Langer und Harit, Stambouli – zuvor als Sechser unterwegs – rĂŒckt in die Innenverteidigung.

Bei einer Schalker Ecke ertönt der berĂŒhmte Trompetenstoß zur Attacke, dann brandet im ansonsten eher ruhigen Publikum einmal kurz „Schalalala Schalke 04“ auf. Und dann ist wieder Jubeln angesagt: Reese bedient Skrzybski, dessen Schuss kullert ins linke Toreck, das 0:2 in der 55. Minute. Die Stadionsprecherin schreibt den Treffer zunĂ€chst Kutucu zu, korrigiert sich aber aufgrund der Lacher des Publikums kurz darauf.

Die Freude wĂ€hrt jedoch nur kurz, denn im direkten Gegenzug fĂ€llt der Anschlusstreffer fĂŒr die SG: Hirschberger vernascht Nastasic und legt quer zum aufgerĂŒckten Buckmaier, der sich die Ecke aussuchen kann.

Viele Wechsel und ein weiterer DebĂŒtant

Nunmehr steht bei Schalke direkt ein FĂŒnffach-Wechsel an, Firat, Carls, Ceka, Plechaty und Macaraell ersetzen Mercan, Oczipka, Kutucu, Raman und Matondo. Fabian Reese, zuvor als Rechtsverteidiger unterwegs, wechselt nun in den Sturm. Die Stadiondurchsage dazu lautet „Schalke hat mehrfach gewechselt, wir ham auch gewechselt“ – alle Klarheiten beseitigt
?

Das Spiel ist nunmehr sehr ausgeglichen, die Stimmung gut. Wat-ten-scheid!-Sprechchöre und eine la Ola machen die Runde – und hinein platzt das 2:2 durch Kaya (69.). Vorausgegangen war ein MissverstĂ€ndnis zwischen Stambouli und Plechaty. „Hier regiert die S-G-W“-Rufe werden laut und mit den „Asozialen Schalkern“ gekontert. Einige lauthals motzende SchreihĂ€lse werden von ihren Nebenleuten schnell beruhigt, dass mĂŒde Beine in dieser Phase der Vorbereitung kein Grund zur Sorge sind.

In der 77. Minute darf dann auch Everton Leihgabe Jonjoe Kenny sein DebĂŒt fĂŒr Schalke feiern, er kommt fĂŒr Reese ins Spiel, Can ersetzt Nastasic. Die Schalker im Publikum bemerken erfreut, dass der junge EnglĂ€nder sofort voll einsteigt und trotz erst zwei Tagen Mannschaftstraining bereits ansetzt, seine Mitspieler zu dirigieren.

Es bleibt trotz mehrerer Ecken fĂŒr Wattenscheid und einer Großchance fĂŒr Ceka nach schöner Vorarbeit von Skrzybski beim durchaus leistungsgerechten 2:2, die Wattenscheider Spieler werden von ihrem Anhang gefeiert, der Stadionsprecher bedankt sich noch einmal aufs herzlichste bei Schalke fĂŒr das „Retterspiel“, das eine sechsstellige Summe in die klammen Kassen spĂŒlen dĂŒrfte.

Trainer Farat Toku lobt in der Pressekonferenz die „sensationelle Kulisse“, David Wagner konstatiert einen „guten Test“, weil Schalke gefordert wurde. Das dĂŒrfte auch fĂŒr das nĂ€chste Testspiel in Lotte gegen Norwich City (Freitag, 19. Juli, 18.30 Uhr) mit dem hochmotivierten Ralf FĂ€hrmann im Tor gelten


Testspiel SG Wattenscheid 09 – Schalke 04 14. Juli 2019: DebĂŒt fĂŒr Jonjoe Kenny (Foto: Susanne Hein-Reipen)