Schalke – Leverkusen 0:3: Schwarzer Tag auf Schalke

Schalke – Leverkusen 0:3: Schwarzer Tag auf Schalke

2. April 2023 3 Von Susanne Hein-Reipen

Bayer Leverkusen erweist sich beim 0:3 (0:0)-Auswärtssieg als zu schnell und abgezockt für Schalke 04 und bringt den tapferen Königsblauen die erste Niederlage der Rückrunde bei. Viel schlimmer aber ist, dass in der Südkurve ein Schalker zusammenbricht und trotz eines langen Notarzteinsatzes nicht reanimiert werden kann. Susanne Hein-Reipen über einen sehr traurigen Tag auf Schalke…

Trotz Dauerregens über Gelsenkirchen sind die Schalkefans nach zwei Wochen „Entzug“ in der Länderspielpause heiß wie Frittenfett, die Arena ist mit 62.271 Zuschauern bis auf den letzten Platz ausverkauft.

Osterhasen und Frauenpower

Das Parksystem ist neu – Zahlen nicht vergessen, sonst droht eine Zahlungsaufforderung von satten 35 € -, die Riesenpfützen sind bekannt, aber nichts kann Schalker auf dem Weg in den blau-weißen Tempel aufhalten. Einmal im Trockenen angekommen, kann man sich die Zeit mit Osterhasen suchen vertreiben oder gemütlich ein Pils trinken.  

Beim Fanspiel putzt der Fanclub Daseberg mit viel Frauenpower den Fanclub Volkmarsen e. V. mit 4:2 vom Rasen, danach begrüßt Jörg Seveneick die erfolgreichen Esport-Halbfinalisten am Mikrophon. Dann wird Judith Neuwald-Tasbach, langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchens, die viele gemeinsame Aktionen gegen das Vergessen mit dem Verein durchgeführt hat, von Bernd Schröder, Christina Rühl-Hamers und Sebastian Buntkirchen zum wohlverdienten Ruhestand geehrt.  Weiter geht’s mit erfreulichen Neuigkeiten aus der Knappenschmiede mit dem Halbfinal-Auswärtssieg der U 17 bei den Junioren von Arminia Bielefeld und den Frauenteams. Gäste aus der Handball- und Blindenfußball-Abteilung runden das Vorprogramm ab und zeigen einmal mehr, dass Schalke ein sehr vielfältiger Verein ist.

Die Nordkurve ist heiß

Unterdessen sind beide Mannschaften zum Warmmachen auf das Feld gekommen; die Nordkurve stimmt sich schon einmal mit „Stadion geh’n im Pappbecher Bier“ und „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ ein. Die Aufstellung der Gäste aus der Farbenstadt ist schnell verlesen, also können wir zum Steigerlied übergehen, auch im Hellen inbrünstig rausgeschmettert.

Einmal warmgesungen, überbrückt die Nordkurve die Zeit bis zum Vereinslied mit „Jeden Tag und jede Nacht, singen wir immer wieder blau-weiße Lieder…“ und einem dröhnend lauten Wechselgesang Schalke! – Nullvier! mit der Südkurve, dann ist „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ angesagt. Tausend Feuer in der Nacht…

Zum Einlaufen der Mannschaften gibt’s dann die Aufstellung des geilsten Clubs der Welt. Thomas Reis setzt heute auf Fährmann, Brunner, Yoshida, Greiml, Matriciani, Krauß, Drexler, Kral, Zalazar, Bülter und Frey. Henning Matriciani, der in dieser Woche erfolgreich in der U 21-Nationalmannschaft debütiert hat und zum „Rookie des Monats“ gewählt wurde, bekommt einen satten Sonderapplaus.

Umkämpfte erste Halbzeit

Leverkusen gewinnt die Seitenwahl und wählt zunächst das Tor vor der Nordkurve, dann ist Anpfiff. Schalke startet gegen die mit fünf Siegen u. a. über Bayern München in Folge und breiter Brust angereisten Leverkusener äußerst schwungvoll und hat über Bülter und Zalazar erste ansehnliche Vorstöße. Die Kurve supportet erfreut und lautstark mit „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ und „Wir lieben alle nur den FC Schalke“.

Nach zehn Spielminuten taucht die Werkself erstmals gefährlich vor dem Schalker Tor auf, aber Fährmann pariert sowohl einen Schuss von Adli als auch den Nachschuss von Frimpong, der wohl auch im Abseits gestanden hätte, bravourös (11.). Auf der Gegenseite lenkt Tah einen wuchtigen Abschluss von Frey über die Latte, dann ist wieder Leverkusen am Drücker und Fährmann klärt gegen Andrich. Freistöße von Zalazar und Adli treffen nicht ins Schwarze.

Krauß muss am Knöchel behandelt werden, kann aber weitermachen. Leverkusen hat nun eine Sturm-und-Drangphase, doch mit viel Einsatz können Diaby, Adli, wieder Diaby, Palacios und Frimpong an Treffern gehindert werden. Zalazar holt nach einem flotten Sololauf eine Ecke raus und wird bejubelt. Diese wird aber wie die weiteren Ecken Beute der hochgewachsenen Leverkusener Abwehr um Tah.

Die Nordkurve stimmt „Schalke 04 für jetzt und alle Zeit“ an, die anderen Tribünen verfolgen das Geschehen trotz des bislang kämpferisch guten Auftritts eher passiv. Ein Freistoß von Zalazar nach Adli-Foul gegen Drexler zischt links am Tor vorbei (38.); Palacios sieht nach einer sehr rustikalen Grätsche gegen Bülter die erste Gelbe der Partie (39.). Hradecky faustet eine Freistoßflanke von Zalazar aus der Gefahrenzone, dann geht es mit einer Minute Nachspielzeit, „Wir komm‘n vom Berger Feld“ und Applaus torlos in die Kabinen.

Kalte Dusche zu Beginn der zweiten 45 Minuten

Die Fans sind bislang sehr zufrieden mit dem Einsatz gegen die Werkself. Die Fanbox verströmt viel gute Laune plus eine gesangliche Hommage an Matriciani. Für die Abteilung Fanbelange blickt Thomas Kirschner auf die gelungenen „90 Minuten unter Schalkern“ zum 50 Geburtstag des Parkstadions zurück und lädt alle Interessierten zur Jüdischen Spurensuche am 19.04. und zu „Mitgeredet“ mit Gerald Asamoah und Matthias Schober am 3.4. ein. Patrick und Laura von Fanprojekte.NRW haben einen Workshop zum Thema Antidiskriminierung durchgeführt und übergeben zahlreiche Flyer dazu. Die Auswärtsinfo für die „Schalker Karawane“ nach Hoffenheim folgt im Laufe der Woche.

Zur zweiten Halbzeit schickt Thomas Reis Balanta für Drexler auf den Rasen, die Nordkurve grüßt die Freunde aus Nürnberg: Schalke und der FCN…! Mit dem Wechselgesang und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ geht es weiter, während Hradecky einen Schuss von Frey entschärft (49.). Aber dann kommt es knüppeldick: Fährmann rettet stark im Eins-gegen-eins gegen Diaby (50.), doch der Ball kommt über Tapsoba erneut zu Diaby, der mustergültig für Frimpong vorlegt, der den Ball nur noch aus vier Metern über die Linie drücken muss. Das 0:1 in der 50. Minute – leider einfach zu schnell für die Schalker Abwehr ohne Jenz.

Zum ersten Mal überhaupt ist der Gästeblock kurz zu hören, wird aber sofort wieder mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Immer wieder S 04“ übertönt. Matriciani und Balanta sehen kurz nacheinander Gelb, weil sie etwas zu intensiv an den Trikots ihrer Gegenspieler Frimpong und Wirtz hängen. Das Leverkusener Supertalent „rächt“ sich sehr effektiv, indem er nach Doppelpass mit Adli die komplette Schalker Abwehr austanzt und an Fährmann vorbei zum 2:0 vollstreckt (61.). Der offensive Jubel vor der Nordkurve lässt einige Feuerzeuge und Beleidigungen fliegen.

Wenn Fußball unbedeutend wird

Die Nordkurve fängt sich schnell wieder, obwohl ein Schalker Comeback an ein Wunder grenzen würde und stimmt die „Asozialen Schalker“ an, Terodde ersetzt Frey, Azmoun und Demirbay kommen für Adli und Palacios, Skarke löst Krauß ab.

Die größte Schalker Chance im zweiten Durchgang vergibt Yoshida, der eine schöne Freistoßflanke haarscharf neben den rechten Pfosten setzt (77.). Auf der Gegenseite scheitert Diaby gleich zweimal, dann greifen beide Trainer noch einmal ins Wechselkontingent: Mohr kommt für Zalazar, bei Leverkusen sollen gleich drei Neue (Hudson-Odoi, Sinkgraven und Bakker) helfen, den Sieg nach Hause zu schaukeln. Die Nordkurve stimmt das „Mantra“ „Wir sind da, jedes Spiel, ist doch klar“ an, durchaus üblich in dieser Situation.

Absolut ungewöhnlich ist jedoch die Totenstille, die sich nur Sekunden später über die Nordkurve und folgend die ganze Arena senkt: Absoluter Supportstopp und respektvolles Schweigen, denn in der Südkurve hat sich ein medizinischer Notfall ereignet, zahlreiche Ärzte und Sanitäter kämpfen um das Leben eines Schalkers.

Das Spiel ist nun absolute Nebensache, doch Bayer lässt nicht locker. Fährmann rettet erneut im „Nahduell“ gegen Diaby, aber die folgende Ecke führt über Wirtz und Diaby zu Azmoun, dessen Kopfball Fährmann nicht mehr entscheidend ablenken kann (90+2.).  Der Jubel sowohl der Spieler als auch des Gästeblocks fällt angesichts der bedrückenden Situation sehr verhalten aus, dann ist das 0:3 auch der Endstand.

Eine schlimme Nachricht

Schalke kassiert damit im neunten Rückrundenspiel die erste Niederlage und bleibt mit 21 Punkten auf Platz 17, rettendes Ufer und Relegationsplatz sind unverändert nur einen Punkt und ein schwaches Torverhältnis entfernt. Leverkusen war heute schlicht zu stark.

Da der Notarzteinsatz in der Südkurve noch andauert, nehmen beide Mannschaften nur ganz kurz den Applaus ihrer Anhänger entgegen, auch der Gästeblock beweist in der Freude über den verdienten Auswärtssieg viel Fingerspitzengefühl. Kurz darauf räumt der Sicherheitsdienst die Arena – und die abreisenden Schalker kennen nur ein Thema: Hat es der Unbekannte geschafft?

Die Hoffnung auf ein Happy-End stirbt jedoch um kurz nach 18 Uhr, als der FC Schalke 04 auf seinen Vereinskanälen mit großer Betroffenheit den Tod des Anhängers verkünden muss. Ruhe in Frieden, lieber unbekannter Schalker – das Wissen, dass einer von uns aus der Arena nie wieder nach Hause kommt, tut weh.