Nürnberg – Schalke 1:2: Schalke entführt beim Freundschaftsgipfel drei umjubelte Punkte

Nürnberg – Schalke 1:2: Schalke entführt beim Freundschaftsgipfel drei umjubelte Punkte

5. November 2023 0 Von Susanne Hein-Reipen

„Schalke und der FCN“ ist die innigste Fanfreundschaft in Deutschland, deshalb stehen das Duell und die große gemeinsame Choreo unter dem Motto „Ein Bündnis für die Ewigkeit“. Auf dem Platz schenken sich Glubb und Knappen aber nichts und so kann der FC Schalke 04 durch ein spätes Tor des eingewechselten Latza zur Freude der ca. 15.000 Schalker im ausverkauften Mal-Morlock-Stadion alle drei Zähler mit in den Ruhrpott nehmen und die Abstiegsränge verlassen. Susanne Hein-Reipen über einen fast perfekten Tag…

Begegnungen der beiden Traditionsclubs werden regelmäßig von zahlreichen gemeinsamen Aktionen und Partys begleitet und so rollt bereits am Freitag eine königsblaue Invasion Richtung Franken. Die Begrüßung ist herzlich und bereits am Abend wird neben den „offiziellen“ Angeboten  der Vereine so manche Gerstenkaltschale verkostet.

Ein Bündnis für die Ewigkeit: Rot-Schwarze Schlachtenbummler und Kumpel und Malocher

Am Spieltag gibt der Wettergott alles und ein königsblauer Himmel wölbt sich über den Fans, die bereits zur Kaffeezeit voller Vorfreude Richtung Max-Morlock-Stadion pilgern. Statt mit Kaffee und Brötchen kann man übrigens auch mit den leckeren Schweinereien des original Glubb Imbiss in den Tag starten.

An den Zäunen rund um das Stadion hängen diverse Spruchbänder wie „Verein, Fans und Stadt vereint für ein neues Max-Morlock-Stadion“ oder „Heute Choreoschal für guten Zweck“; auch das Adventssingen und das „Pre-Ordering“ des Stadioncaterings werden beworben. „Da kannste direkt eine Standleitung zum Bierstand Deines Vertrauens einrichten“ neckt ein Schalker aus Erlangen seinen recht wohlbeleibten Kumpel. Die Atmosphäre ist fröhlich-friedlich wie bei kaum einem anderen Spiel, selbst die (wenigen) anwesenden Polizisten sind tiefenentspannt.

Im Stadioninneren finden die Choreoschals mit der schönen Aufschrift „Ein Bündnis für die Ewigkeit: Rot-Schwarze Schlachtenbummler – Kumpel und Malocher“ gegen 10 Euro Spende zugunsten caritativer Zwecke von UN und UGE reißenden Absatz. Bei der Platzbegehung gibt’s ein großes Wiedersehenshallo mit Florian Flick, jetzt in den Diensten des Glubbs.

Der schönste Fußballnachmittag des Jahres

Als Erster kommt FCN-Keeper und Kapitän Mathenia zum Warmmachen auf den Platz, dann folgt das von Fährmann angeführte Schalker Torwarttrio, alle mit Applaus beider Kurven begrüßt. Auch der Stadionsprecher ruft euphorisch „die beste Freundschaft, die es in Deutschland gibt“ aus und heißt alle zum „schönsten Fußballnachmittag des Jahres“ willkommen… Prompt klingen die ersten „Schaaalke und der FCN“-Gesänge auf.

Die folgenden Statistiken sehen aus Schalker Sicht ziemlich gut aus; insbesondere die letzte Begegnung im Mai 2022, als Schalke durch das Traumtor von Zalazar die Zweitligameisterschaft unter Dach und Fach brachte, ist allen noch in bester Erinnerung.

Der Glubb zählt aktuell genau 29.772 Mitglieder, die „Neuen“ seit dem letzten Heimspiel werden namentlich auf der Anzeigentafel aufgelistet und begrüßt – vielleicht auch eine Idee für Schalke…? Nicht fehlen darf auch der Appell gegen Rassismus: Der FCN hat ähnlich wie der S 04 gegen entsprechende Anmache eine Nummer gegen „diskriminierende Fouls“ eingerichtet. Karel Geraerts steht derweil am sky-Mikrophon Rede und Antwort.

„Blau und Weiß“ und „Die Legende lebt“ mit voller Kapelle

Eine „Attacke“ später wird es ernst: In den Choreoblöcken wurde eigens darum gebeten, spätestens eine Viertelstunde vor Anpfiff am Platz zu sein. Zu den Klängen des Schalker Vereinslieds „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ entrollt sich zunächst im gesamten Oberrang der Gegengeraden ein riesiges Banner, auf dem die beiden Vereinswappen den Schriftzug „Ein Bündnis für die Ewigkeit“ einrahmen. Ein paar kräftige Windböen später wird auch der Unterrang von „Rot-Schwarze Schlachtenbummler – Kumpel und Malocher“ überdeckt, an den Rändern dekoriert mit überdimensionalen rot—schwarz-blau-weißen Fransen. Gänsehaut!

Dann folgen die Aufstellungen; Geraerts lässt Schalke mit Fährmann, Kalas, Kaminski, Murkin, Matriciani, Schallenberg, Tempelmann, Ouwejan, Drexler, Karaman und Lasme beginnen; sein Gegenüber Fiel startet mit Mathenia, Gyamerah, Gürleyen, Horn, Brown, Flick, Castrop, Schleimer, Goller, Uzun und Okunuki.

Vollendet wird die tolle Choreo dann mit der gemeinsam inbrünstig geschmetterten Hymne des FCN: Die Legennnnde lebt, wenn auch die Zeiiiiit vergeht, unser Cluuuub, der bleibt besteeeeeh’n… Einfach nur schön! Zum Einlaufen der Mannschaften gibt es noch „Was singt heute jeder Fan? Schalke und der FCN!“ und ein spontanes „Schaaaalke und der FCN“, dann wird der Superriesenschal zusammengerollt und in einer langen Kette aus dem Stadion getragen – an seine Stelle treten tausende hochgereckte kleine Choreoschals.

Freunde auf den Rängen, Rivalen auf dem Rasen

Mit dem Anpfiff pausiert die Freundschaft, beide Fankurven unterstützen lautstark ihr Team. Schalke bemüht sich um einen druckvollen Start, was Matriciani eine sehr frühe erste Gelbe einträgt (4.), weil er Okunuki auf den Schlappen steigt. Zwei schnelle Vorstöße von Lasme werden leider nicht sauber zu Ende gespielt (5., 9.), dann das erste Ausrufezeichen: Über Schallenberg und Ouwejan landet der Ball bei Tempelmann, dessen satter Abschluss den linken Pfosten erzittern lässt (10.). Die beiden folgenden Ecken werden Beute von Mathenia.

Beim Sängerwettstreit duelliert sich „Für deine Farben leben und sterben wir“ mit „Seht ihr die Fahnen weh’n?“, auf dem Grün duelliert sich Schleimer mit Matricianis Waden und sieht ebenfalls Gelb. Wenig später setzt er einen von Tempelmann an Uzun verursachten Freistoß in die Schalker Mauer (20.). Einen weiten Abstoß von Mathenia köpft Ralf Fährmann kurz vor seinem Strafraum aus der Gefahrenzone (22.).

Der Support geht unvermindert weiter, „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ und „Schalke, ich bin für Dich geboren“ trifft auf „Auf geht‘s Nürnberg kämpfen und siegen“. Dass es trotzdem kein ganz normales Spiel ist, erkennt man dran, dass mitten in der Nürnberger Nordkurve eine königsblaue und im Schalker Block eine rote Ultrafahne am Start sind.

Umjubelte Führung vor der Pause

Zu den Klängen von „Ob ich verroste und verkalke“ marschiert Lasme ein weiteres Mal ins Abseits (31.), ein weiterer Freistoß des Clubs, dieses Mal von Uzun, geht über das Tor von Fährmann hinweg (33). Aber dann: Murkin mit hohem Ball zu Karaman, der im Strafraum Gürleyen vernascht und zu Drexler zurücklegt. Der Routinier hält den Fuß hin und bedankt sich mit einem trockenen Rechtsschuss zur 1:0-Führung (36.).

In den erleichterten Jubel der Schalker hinein fällt fast noch das 2:0, aber Karaman erschüttert nur den linken Pfosten (37.). Auch Tempelmann versucht sich an einem Distanzschuss, verfehlt das Gehäuse aber einige Meter (39.). Während Drexler nach einem Zusammenstoß mit Gyamerah behandelt wird, versucht die Nürnberger Nordkurve, ihr Team mit lautstarken „Eff! Cee! Enn!“-Rufen wieder auf Kurs zu bringen. Mit drei Minuten Nachspielzeit und der verdienten Führung der Gäste geht es in die Kabinen, wobei die Schalker von ihrem Anhang mit dem Wechselgesang „Schalke! – Nullvier!“ und Applaus verabschiedet werden. Auf diese Leistung schmecken das Bier und „Drei im Weckla“ gleich doppelt gut.

Schalke und der Ex-Spieler-Fluch

Für die zweite Halbzeit kommt Kabadayi für den gelbbelasteten Matriciani; beim FCN dürfen Lohkemper und Möller Daehli für Uzun und Schleimer ran. Beide Kurven arbeiten sich mit Bannern am Nürnberger Aufsichtsrat ab, die Nürnberger Kurve titelt „Missstände aufarbeiten – Werte schaffen – den Glubb leben“ und „Der nachhaltigste Verein der Welt wiegt sich mal wieder in Sicherheit – nachhaltige Veränderung jetzt!“, der Gästeblock springt ihnen mit „Wandel im Aufsichtsrat heißt nicht Revolution. Zum Wohle des 1. FC Nürnberg: Veränderung jetzt!“ zur Seite.

Die Banner geraten jedoch schnell gegenüber dem Geschehen auf dem Platz zur Nebensache: Ecke Nürnberg, Tempelmann klärt per Kopf, Browns Direktabnahme landet im Getümmel im  Strafraum und Flick reagiert am schnellsten und trifft mit dem rechten Fuß zum 1:1 (47.) – gefühlt wie immer, wenn ein Ex-Spieler gegen Schalke aufläuft.

Die Nürnberger Kurve fordert „Steht auf, wenn ihr Nürnberg seid“ und Goller befolgt dies fast mit dem 2:1, aber Kaminski schlägt das Leder für den bereits geschlagenen Fährmann von der Linie (49.). Den Schalkefans schwant ob dieses Fehlstarts in den zweiten Durchgang Übles und sie intensivieren den Support mit „Geh’n mit Dir auf jede Reise“ und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“. Das Banner „DFL & Investoren: wir haben euch im Blick“ der Nürnberger Kurve erntet ebenfalls königsblauen Beifall.

Turbulente Schlussphase mit königsblauem Happpy-End

Nach einer knappen Stunde muss Flick angeschlagen für Duman weichen und bekommt Applaus von allen Lagern; das Spiel hat in dieser Phase einen ziemlichen Hänger. Karaman hat nach einem Zweikampf Rippenprobleme und wird durch Youngster Topp ersetzt, Latza kommt für Drexler (64.). Murkin holt sich für ein taktisches Foul an Goller Gelb ab (69.), ihm folgt Horn wegen Spielverzögerung (74.). Der insgesamt überfordert wirkende Schiedsrichter Haslberger ist nun offensichtlich auf den Geschmack gekommen und bedenkt auch Brown (75.) und Coach Fiel (79.) äußerst großzügig mit gelben Karten.

Der Gästeblock lässt sich davon nicht beirren und stimmt „Schalke nur du alleine“, „Wir lieben alle nur den FC Schalke“ und „Schalke 04 für jetzt und alle Zeit“ an; Ogunuki verpasst die erneute Führung für den Club nur knapp (85.). Mit Polter für Lasme und Hübner für Gürleyen (85.) zollen beide Trainer noch einmal den 120 Pokalminuten der Woche Tribut.

Als alle bereits mit einem 1:1 rechnen, kommt Latza – und köpft einen Freistoß von Ouwejan unbedrängt zum 2:1 aus Schalker Sicht ins Tor (89.). Der Jubel der Königsblauen unter den 50.000 Zuschauern ist naturgemäß riesig und trägt die „Asozialen Schaaaalker“ lautstark durch sieben lange Minuten Nachspielzeit, in denen auch Hayashi (für Gyamerah) und Baumgartl (für Ouwejan) noch kurz mitspielen dürfen. Eine letzte gelbe Karte für Castrop, eine Ecke für Schalke und das Spiel ist AUS!

Riesengroße Erleichterung und etwas Luft

Die Erleichterung über den ersten Auswärtssieg der Saison ist riesig; Schalke verschafft sich mit dem zweiten Dreier in Folge Luft im Tabellenkeller und klettert auf Platz 14, der Club belegt Platz 10.

Karel Geraerts ruft die Mannschaft vor dem Gang in die Kurve wieder zusammen, dann geht es zum Feiern vor den Gästeblock und in einer „halbe Ehrenrunde“ an den zahlreichen Schalkern in den südlichen Blöcken vorbei Richtung Kabine, natürlich mit dem „Arbeitsauftrag“ „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ für das nächste Heimspiel gegen Elversberg im Gepäck.

So wie dieser Samstag sollte Fußball viel öfter sein: Tolles  Wetter, emotionale und friedliche Stimmung, eine wunderbare Choreo, ein abwechslungsreiches Spiel mit viel Einsatz – und drei Punkte für Schalke!