Niederlage in Leverkusen: Fans bauen Schalke wieder auf

Niederlage in Leverkusen: Fans bauen Schalke wieder auf

8. Dezember 2019 3 Von Susanne Hein-Reipen

Durch einen Fehlgriff von Alexander Nübel und eine offensiv schwache erste Hälfte verpasst Schalke 04 trotz eines kämpferisch ansprechenden zweiten Durchgangs einen Punktgewinn in Leverkusen. Die 6.000 königsblauen Fans versichern der Mannschaft trotz der 1:2-Niederlage lautstark ihre Unterstützung. Susanne Hein-Reipen berichtet aus dem Auswärtsblock…

Schalke und Leverkusen trennen gerade einmal 80 km, für die bekannt reisefreudigen Schalkefans also ein Katzensprung, der den Auftritt in der BayArena regelmäßig zu einem gefühlten Schalker Heimspiel macht. Die königsblaue Meute staut sich schon früh erwartungsvoll vor den Gästeeingängen F und G, auch die anderen Schlangen sind gründlich blau unterwandert.

Die Currysauce kann nix

Die Currywurst hält von der Qualität des Würstchens den kritischen Ruhrpott-Gaumen stand, aber die Schärfe oder vielmehr Nicht-Schärfe der Sauce entlockt bestenfalls ein müdes Lächeln. „Gewürzt wie ein Babybrei-Gläschen“ befindet ein stattlicher Schalker kopfschüttelnd.

Im Inneren der Arena turnen gleich scharenweise junge Schalker über den Zaun in den Stehblock, während die reichlich vorhandenen Ordner alle Hühneraugen zudrücken. Die Stimmung ist blendend –  in den letzten 9 Begegnungen der beiden Teams ging nie die Heimmannschaft als Sieger vom Platz, das lässt hoffen – und die Ergebnisse der Nachmittagsspiele auf den anderen Plätzen sorgen für weiteres Hallo: Auch wenn auf Sicht wohl eher Gladbach ein Konkurrent sein dürfte als Bayern München, eine Last-Minute-Niederlage der ungeliebten „Nordtiroler“ ist immer ein Grund für satte Schadenfreude. Isso.

Schlümpfe, Cowboys und ein laufender Blumenkohl

Als sich die Schalker Aufstellung rumspricht, bekommt die gute Laune einen kleinen Dämpfer, denn Matija Nastasic, der in den letzten Spielen Aufstellung gemeinsam mit Ozan Kabak ein tadelloses Innenverteidiger-Duo stellte, kann wegen Beschwerden in der Kniekehle nicht auflaufen. Für ihn darf Guido Burgstaller nach einigen Runden Ersatzbank wieder in der Startelf ran, Amine Harit rückt ins Mittelfeld, Weston McKennie in die Innenverteidigung. Die komplette Elf besteht aus Nübel, Kenny, Kabak, McKennie, Oczipka, Mascarell, Caligiuri, Serdar, Harit, Burgstaller und Raman.

Das Leverkusener Stadionsprecherduo begrüßt alle Anwesenden, die Schalker Kurve ihre Torhüter. Maskottchen „Brian the Lion“ trägt heute einen knallroten Weihnachtsmantel und erinnert damit mehr denn je mehr an einen freundlichen gelben Blumenkohl als einen Löwen. Amine Harit hingegen trägt während des Aufwärmens eine schwarze Mütze, die ihn verdächtig nach Schlumpf aussehen lässt – gibt es das Modell vielleicht auch in blau oder weiß…?

Zu Blumenkohl und Schlumpf gesellt sich der „Werkself-Cowboy“ mit dem Vereinslied „Leverkusen, wir sind die Macht am Rhein, Leverkusen, und das wird immer so sein…“. Und, oh Wunder: Die Untertitel, die das Lied bei vergangenen Ausflügen in die Chemiestadt stets begleiteten, sind verschwunden.

Wer hat hier Heimspiel?

Aber auch, wenn die Bayer-Fans nach schlappen 40 Jährchen Bundesliga endlich ihre Hymne gelernt haben: Lauter sind in der mit 30.210 Zuschauern ausverkauften Arena wie immer die königsblauen Gäste. Als die extralaute Musik des Vorprogramms verstummt und die Mannschaft aufs Feld kommen, geht die Leverkusener Aufstellung fast in der ersten Schleife von „Schalke 04“ unter. Ein wildgewordener Rasensprenger verschreckt derweil einige Kids, die den Einmarsch – Schalke in Weiß, Leverkusen in Rot –  mit Fahnen und einem „Danke ans Ehrenamt“-Banner flankieren.

Und die königsblaue Kurve lässt nicht locker. „Hurra hurra, die Schalker die sind da!“, „Auswärtssieg!“, „Auf geht‘s Blau-Weiß, holt Euch den Sieg für uns“ und „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ zeigen direkt in den ersten Minuten, wo die Reise hingehen soll. Auf dem Rasen rasseln bereits nach 90 Sekunden Kenny und Bailey schwungvoll aneinander; der junge Jamaikaner muss behandelt werden, kann aber weiterspielen – und legt zwei Minuten später die erste Chance der Werkself auf, doch Bellarabis Abschluss geht deutlich über das Schalker Tor.

Polizeikritische Banner und frühe Führung für Leverkusen

Die Leverkusener Kurve arbeitet sich in mehreren großformatigen Bannern an der Polizei ab, die einigen Fans die Ausreise zum Championsleague-Spiel bei Lokomotive Moskau verweigerte hatte: Auf „Ihr könnt uns unsere Reisefreiheit nehmen – aber niemals unsere Stimme!“ folgt „Bullenschweine“ und später „Bundesweite Statistik: 10 von 10 Bullen sind Hurensöhne“. Die Schalker Kurve begnügt sich mit „Vorwärts Schalke olé“.

Das Spiel wogt in dieser Anfangsphase hin und her, beide Mannschaften gehen nicht zimperlich zur Sache, aber die Hausherren sind in der Offensive aktiver – und gehen in der 15. Minute durch einen schulbuchmäßigen Kopfball von Alario mit 1:0 in Führung. Bei diesem Treffer sieht Schalkes Kapitän Alexander Nübel nicht gut aus, da er im Getümmel im Fünfmeterraum glatt am Ball vorbeifliegt. Die Gästekurve ist mäßig begeistert, zumal der offensive und langwierige Vertragspoker des sehr selbstbewussten Nübels ohnehin vielen gehörig auf den Sack geht, schaltet aber schnell wieder um. „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n, immer wieder feuern wir euch an…“.

Zum ersten Mal weht auch ein hörbares „Leeeeverkuseeeen“ aus der Heimkurve herüber, das sich kurz darauf in lauten Jubel verwandelt, doch das vermeintliche 2:0 zählt nicht, weil Torschütze Bailey beim Abpraller von Nübel ungefähr einen halben Kilometer im Abseits steht. Die Leverkusener Kurve will dazu ein Banner „Videobeweis abschaffen“ aufziehen, das jedoch blitzschnell von den Sicherheitskräften runtergerissen wird.

Schalke tut sich offensiv schwer

Die Gäste tun sich in dieser Phase offensiv schwer; trotz unermüdlichen Supports mit „Schalke 04 für jetzt und alle Zeit“ und „Vorwärts FC Schalke, schieß‘ ein Tor für uns“ dauert es bis zur 26. Minute, bis zur ersten echten Chance: Einer von Nübels weiten Abschlägen landet über Suat Serdar bei Benito Raman, doch Hradecky im Leverkusener Tor kann den Schuss parieren.

Das Geschehen verlagert sich nun zunehmend ins Mittelfeld; Caligiuri holt Havertz von den Beinen und sieht die erste Gelbe der Partie. Fünf Minuten später versucht der Deutsch-Italiener mehrfach, sich in den Leverkusener Strafraum durchzutanken, doch Dragovic und Wendell halten knüppelhart dagegen.

Der königsblaue Anhang stimmt „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“, „Immer wieder S04“ und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ an, die Leverkusener versuchen sich an „SV Bayer Leverkusen“ und „Wer nicht hüpft der ist ein Kölner“. Ozan Kabak liefert eine sehr starke Partie ab und bekommt mehrfach Szenenapplaus.

Gestatten, Ruhrpottkanaken

Kurz vor der Pause heißt es dann noch einmal kräftig durchatmen: Aranguiz und Alario marschieren nach vorne, doch dieses Mal ist Nübel auf dem Posten und pariert. Für mehr Aufregung sorgt ein Foul von Wendell an Harit, der daraufhin behandelt werden muss: Trotz der gelben Karte für den „Übeltäter“ skandieren die Schalker Fans „Bayer-Schweine“ – die Heimkurve hält es daraufhin für ein probates Gegenmittel, „Ihr seid Ruhrpottkanaken!“ zu brüllen. Diese „Beleidigung“ greift der königsblaue Block natürlich nur zu gerne auf und singt die „Pillen“ kurzerhand mit dem freimütigen Bekenntnis „Wir sind die Ruhrpottkanaken, Ruhrpottkanaaaaken“ und „Asoziale Schalker“ nieder. Und ein liebevolles „Ihr seid ein Haufen Scheixxe!“ gibt’s gratis obendrauf.

Nach zweiminütiger Nachspielzeit geht es mit der 1:0-Führung der Leverkusener zum Abkühlen in die Kabinen. Das Pausenprogramm besteht neben der bereits aus Bremen bekannten „Kiss cam“ aus einigen Fan-Infos („Alle in Rot gegen Turin“) und viel, viel Werbung für Mitgliedschaften und Heimspiele, musikalisch untermalt mit „We will rock you“. Die Auswärtsfans beraten derweil, welchen Stürmer sie am liebsten für den wie immer äußerst bemühten, aber indisponierten „Burgi“ sehen würden.

Seiten: 1 2