Karlsruhe – Schalke 3:0: Mannschaft enttäuscht Fans trotz Trainerwechsels weiter tief und bekommt Ansage

Karlsruhe – Schalke 3:0: Mannschaft enttäuscht Fans trotz Trainerwechsels weiter tief und bekommt Ansage

23. Oktober 2023 0 Von Susanne Hein-Reipen

Die Schalker Niederlagenserie setzt sich auch unter dem neuen Coach Karel Geraerts fort; beim Karlsruher SC setzt es eine 3:0 (2:0)-Niederlage. Die knapp 5.000 mitgereisten Fans stellen bereits zur Halbzeit den Support ein, nach Abpfiff gibt es eine wütende Ansprache der Ultras. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Sonntagsspiel in Karlsruhe, erstes Pflichtspiel unter dem neuen Chefcoach, dazu der frisch renovierte BBBank Wildpark, da machen sich die bekannt reisefreudigen Schalker natürlich scharenweise auf Socken, Reifen und Schienen. In der Fächerstadt angekommen, gibt’s allerfeinstes Herbstwetter und einen zunächst noch geschlossenen Gästeparkplatz. Als die erforderlichen Ordnungshüter zur Verteidigung gegen die Invasion aus dem Ruhrpott da sind, kostet ein normaler PKW schlanke 10 Euro, das dürfte der teuerste Nicht-VIP-Parkplatz im deutschen Profifußball sein.

Fairness, Fährmann, Fahnen

Der Gästeeingang ist noch nicht ganz fertiggestellt, doch die königsblaue Meute bildet routiniert zwei elegante Schleifen für Anwesenheitskontrolle und Einlass. Das Securitypersonal ist freundlich, die Kontrollen fair und kurz. Dahinter warten zwei brandneue Verpflegungsstände und bildhübsche Toiletten.

Auch das Stadioninnere, beim letzten Besuch im Februar 2022 noch eine Großbaustelle, ist einer modernen Arena gewichen. Kleine Wermutstropfen sind die aus dem Gästesitzblock kaum sichtbare Anzeigentafel und das Netz, das jeden Versuch, etwas heranzuzoomen, wie einen Rollbraten aussehen lässt.

Bei Bekanntgabe der Startelf lüftet sich das meistdiskutierte Geheimnis der Woche: Geraerts setzt im Tor auf Ralf Fährmann. Der vierte Keeper im zehnten Saisonspiel ist neuer Rekord im deutschen Profifußball, zudem ist das Urgestein seit der peinlichen medialen Attacke seines Beraters gegen den Verein nicht unumstritten; die Begrüßung fällt trotzdem sehr lautstark aus. Auch vor Fährmann hat Geraerts gründlich durchgemischt und auf eine Dreierkette mit Kalas, Baumgartl und Kaminski umgestellt. Im Mittelfeld stehen Seguin, Kabadayi, Ouwejan, Tempelmann und Ouédraogo, vorne sollen es Lasme und Terodde richten.

Während das leicht geänderte Aufwärmprogramm läuft, werden in den Gästeblöcken eifrig blau-weiße Fahnen zur optischen Unterstützung der Mannschaft verteilt.

Neuer Trainer, alte Probleme

Die Schalkefans schmunzeln über das Banner „Nervenklinik KSC“ und das Maskottchen, passend zum Wildpark ein sehr freundliches Wildschwein namens Willi. Als Stadionsprecher fungiert ein gemischtes Duo, das erfreulich normal und ohne überzogenes Gebrüll und Getue agiert. Mit 33.000 Zuschauern kann ausverkauftes Haus verkündet werden.

Als der Einmarsch der Mannschaften näher rückt, lässt der Gästeblock akustisch die Muskeln spielen: „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen!“ Karlsruh, Karlsruh, wir scheixxen euch zu“ und „Jeden Tag und jede Nacht“ werden mit voller Stimmkraft und eindrucksvoller Fahnenbegleitung zelebriert.  Nachdem beide Teams auf dem Feld sind, gibt es eine Schweigeminute für alle unschuldigen Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten – und es ist tatsächlich so still, dass man die berühmte Stecknadel fallen hören könnte. Danach setzt der Support unvermindert wieder ein.

Auf dem Rasen gehen die ersten Minuten und die erste Ecke an die Gastgeber; die durchaus offensive Ausrichtung der Schalker trägt keine Früchte, Lasme und Ouédraogo kommen nicht durch.

Zwei weitere Ecken des KSC werden Beute von Fährmann bzw. von Lasme aus der Gefahrenzone geköpft, doch der KSC bleibt mit Bormuth, Wanitzek und Nebel im Vorwärtsgang, obwohl sich die Gästeblöcke mit „Eine Stadt erstrahlt in Blau“, „Wir komm‘n vom Berger Feld“, „Wir kommen aus Gelsenkirchen, fahr’n mit blauweißen Fahnen durch das Land“ und „Schalke, ich bin für Dich geboren“ die Seele aus dem Leib singen.

Wir woll’n Euch kämpfen seh’n!

Schalke steht zu weit weg und kommt nicht richtig in die Zweikämpfe – und das rächt sich: Flanke Schleusener, Stindl kann zu Matanovic verlängern und dieser den Ball zurückgeben, ohne von der Schalker Abwehr behelligt zu werden. Stindl bedankt sich mit dem 1:0 aus 13 Metern in die rechte untere Ecke (22.).

Von einem einzelnen Gegentor lässt sich der königsblaue Auswärtsmob noch nicht entmutigen; sofort ertönt „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Vorwärts FC Schalke, schieß ein Tor für uns“, doch außer einer Großchance für Lasme, der nach Zuspiel von Baumgartl an Freund und Feind vorbei in den Strafraum flitzt, das Leder dann aber überhastet über das Tor setzt (35.), springt wenig dabei heraus.

Besser macht es der KSC: Über Jung und Stindl kommt der Ball zu Nebel, der ungehindert zu Matanovic flanken kann, der aus zehn Metern volley das 2:0 erzielt (37.). Der Treffer bzw. die mangelnde Gegenwehr erhitzt die Gemüter im Gästeblock, „Wir woll‘n euch kämpfen seh’n“ und „1000 Trainer schon verschlissen…“ sind deutliche Warnzeichen, dass die Lunte brennt.

Fahnen werden vorzeitig eingesammelt

Kalas und Tempelmann rasseln mit den Köpfen aneinander, der Tscheche muss behandelt werrden und bekommt einen Turban verpasst. Da der Gästeanhang schweigt, sind die feiernden KSC-Fans gut zu hören. Schleusener sieht Gelb, dann schickt der königsblaue Anhang die Mannschaft mit einem Pfeifkonzert zum Pausentee. Als Zeichen des Frustes über die mangelnde Leistung werden die Schwenkfahnen bereits eingesammelt – die Mannschaft muss sich den Support erst wieder verdienen!

Das Pausenprogramm ist erfreulich unaufdringlich und besteht im Wesentlichen in von den Sprechern verlesenen Grüßen aller Art.

Zum Wiederanpfiff schickt Geraerts Mohr, Kozuki und Matriciani auf den Rasen, für Terodde, Kalas und Ouwejan ist das Spiel beendet. Die Gästekurve schweigt beharrlich weiter, während von der gegenüberliegenden Seite „Immer wieder KSC“ herüberweht.

Frust pur

Die erste Viertelstunde nach dem Wiederanpfiff besteht im Wesentlichen aus mehreren Duellen Schleusener gegen Fährmann, doch der Schalker Keeper hält dicht. Nach einer guten Stunde Spielzeit taucht Schalke dann tatsächlich mit Lasme, Matriciani und Kozuki mal im Karlsruher Strafraum auf, doch weder der junge Japaner noch Ouédraogo (62.) finden ein Mittel gegen die gutgestaffelte Abwehr der Hausherren.

Erster Wechsel beim KSC ist Zivzivadse für Matanovic; bei Schalke ersetzt Polter den bemühten, aber komplett glücklosen Lasme. Ouédraogo sieht Gelb für ein taktisches Foul (71.). Kurz darauf macht Karlsruhe den Deckel drauf:  Stindls Pass in Richtung Schleusener kann Mohr nur abfälschen, aber nicht entschärfen. Den scharfen Flachpass des Stürmers grätscht Matriciani beim Klärungsversuch unglücklich zum 3:0 ins eigene Tor (75.).

Die Heimfans feiern nun ausgelassen, „Steht auf für den KSC“, während im Gästeblock der pure Frust herrscht und auch die Zaunfahnen eingerollt werden.

In den letzten zehn Minuten und der vierminütigen Nachspielzeit passiert außer einem Distanzschuss von Mohr und diversen Wechseln – Murkin für Kabadayi sowie vier Wechsel auf Seiten der Hausherren – nicht mehr viel. Ein provozierendes „Schalala Scheixxe 04“ der Heimkurve wird nur mit einigen hochgereckten Mittelfinger beantwortet.

Geraerts Debüt geht gründlich in die Hose

Der Abpfiff erlöst alle Beteiligten. Der KSC feiert verdiente drei Punkte und den Sprung auf Platz 12; Schalke bleibt auf Rang 16 mit nunmehr schon fünf Punkten Rückstand auf Nichtabstiegsplatz 15.

Von weitem ist zu sehen, wie Geraerts, der sich seinen Einstand sicher anders vorgestellt hatte, im Kreis lautstark auf die Mannschaft einredet. Als die Spieler schließlich zögernd in Richtung Kurve gehen, werden sie von einem gellenden Pfeifkonzert empfangen und herangewunken, dann gibt es eine Ansprache der Ultras.

Wie betretene Schuljungen stehen die Spieler, die wissen, dass das Gezeigte – die Laufleistung betrug z. B. rund 6 Kilometer weniger als Karlsruhe – nicht den Ansprüchen genügte, vor den Fans, die Kampf und Einsatzbereitschaft statt Ausreden fordern, weil es um die Existenz des Vereins und der Mitarbeiter geht. Kaminski schlägt die Hände vor das Gesicht, auch andere fühlen sich sichtlich unwohl, als erneut „„Wir woll‘n euch kämpfen seh’n“ und „1000 Trainer schon verschlissen…“, untermalt von hochgereckten Fäusten und wutverzerrten Mienen, ertönen.

Sowohl Kapitän Terodde als auch Trainer Geraerts zeigen in späteren Interviews Verständnis für die Wut der Fans, aber mit Verständnis ist das Zerwürfnis nicht zu lösen. Nur eine deutliche Leistungs- und vor allem Einsatzsteigerung kann die Risse kitten, am besten gleich im kommenden Heimspiel gegen Hannover 96.