Schalke – Paderborn 2:0: Wilde zweite Halbzeit führt zum verdienten Heimsieg

Schalke – Paderborn 2:0: Wilde zweite Halbzeit führt zum verdienten Heimsieg

19. Februar 2022 0 Von Susanne Hein-Reipen

Draußen tobt Orkantief „Zeynep“, drinnen der FC Schalke 04: Dank eines streckenweise spektakulären zweiten Durchgangs ringen die Königsblauen die zuvor auswärts ungeschlagenen Paderborner mit 2:0 (1:0) nieder und wahren den Anschluss an die Aufstiegsplätze. Susanne Hein-Reipen ist dabei…

Stürmische Zeiten

Im Vorfeld des Spiels stehen ausnahmsweise einmal nicht die aktuellen Corona-Regeln im Mittelpunkt der Diskussion, diesmal schaut alles aufs Wetter: Der Deutsche Wetterdienst hatte eine Unwetterwarnung mit orkanartigen Böen für Nordrhein-Westfalen herausgegeben, der Bahnverkehr wurde teilweise eingestellt – würde es eine Spielverlegung geben…? Nein, stattdessen gibt es Anreise- und Parktipps für PKWs und Unterstellempfehlungen für „wetterbedingte Gefahrensituationen“. Die Meinungen dazu gehen bei denen, die sich durch den Wind zur Arena durchkämpfen, durchaus auseinander. Zusammenfassend lässt sich allerdings sagen, dass das Vertrauen der Fans, dass es der DFL primär um ihre Gesundheit und Sicherheit und nicht die fernsehtaugliche Optimierung des Spielplans um jeden Preis geht, gen Null tendiert. Immerhin: Das Dach ist zum ersten Mal seit langer Zeit wieder vollständig geschlossen. Zugig ist es trotzdem.

Beim Fanspiel trennen sich die Fanclubs „Königsblau Werdohl“ und „Krähenpower Herdringen“ mit einem hochklassigen 4:4. Im Vorgeplänkel zum Aufwärmen der Mannschaften wird zudem das neue Groß-Graffiti am Parkhaus vorgestellt, auch hier ist von „sieht geil aus!“ bis „muss man ausgerechnet jetzt gazprom abfeiern?“ alles vertreten. Auch das Esports-Duo ist bei Quatscher Dirk, der zudem die neue strenge Linie gegen Becherwürfe vorstellt und die Statistiken zum Spiel verliest: Die Gäste sind auswärts noch ungeschlagen, konnten aber noch nie einen Dreier aus Gelsenkirchen entführen…

Ohne Palsson, Thiaw, Zalazar und Pieringer

Die Schalker Aufstellung löst wie oft einen „Watt soll datt?“-Effekt aus: Neben dem angeschlagenen Palsson müssen auch Thiaw, Pieringer und Zalazar zunächst auf der Bank Platz nehmen, für sie stehen Sané, Flick, Churlinov und – recht überraschend – der junge Mikhailov in der Startelf. Immerhin: Bülter ist von dem in Düsseldorf gründlich missglückten Experiment als rechter Verteidiger erlöst und darf wieder neben Terodde stürmen. Fraisl, Itakura, Sané, Kaminski, Churlinov, Flick, Ouwejan, Mikhailov, Idrizi, Terodde und Bülter sind heute die erste Wahl von Chefcoach Dimitrios Grammozis.

Nach einer Gedenkminute für den am Donnerstag verstorbenen Hermann Erlhoff folgen das Steiger- und Vereinslied, während Terodde die Schalker Mannschaft als Kapitän aufs Feld führt. Aus der Nordkurve tönt sofort „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, der 450 Köpfe starke Paderborner Anhang in der mit 10.000 Fans „corona-ausverkauften“ Arena hält mit „Auf geht‘s Paderborn, schieß‘ ein Tor für uns“ dagegen. Auch auf dem Platz schenken sich beide Teams von Beginn an nichts; bereits nach zwei Minuten müssen die Sanitäter das erste Mal ausrücken, weil Hünemeier im Duell einen Schlag von Terodde ins Gesicht bekommt.

Bülter erzielt die Führung

Nach zehn Minuten gibt es den ersten echten Schalker Angriff; doch Churlinov schöne Hereingabe an den ersten Pfosten wird von van der Werff zur Ecke geklärt. Wenig später verursacht Fraisl einen kleinen Herzkasper beim königsblauen Anhang, als er einen Rückpass von Sané nur haarscharf aus der Gefahrenzone bugsiert (15.). Kurz darauf landet eine verunglückte Kopfballabwehr von Kaminski genau vor den Füßen des Ex-Schalkers Carls, dessen Abschluss links am Tor vorbeifliegt (16.).

Das Schalker Publikum versucht mit dem Wechselgesang „Schalke! – Nullvier!“ zwischen Nord- und Südkurve, die Mannschaft aufzuwecken, vereinzelt sind auch Pfiffe zu hören – und siehe da: Ein Schuss von Flick von der Strafraumgrenze geht über das Tor (18.), aber Schalke bleibt am Drücker und marschiert mit Mikhailov über die linke Seite erneut nach vorne. Schallenberg kann den jungen Russen nur per Foul bremsen, es gibt Freistoß – und Ouwejan nimmt Maß und zieht das Leder scharf an den ersten Pfosten. Dort entwischt Bülter im entscheidenden Moment seinen Bewachern und kann schwungvoll zur 1:0-Führung einköpfen (22.). Jawollja!

„Und wenn ich von einer Reise zurückkehrte und die Flutlichtmasten des Parkstadions erblickte, wusste ich, ich bin zu Hause und alles ist in Ordnung!“

Kurz darauf sieht Terodde wegen eines Fouls an van der Werff Gelb. Die wenigen Schalker Offensivaktionen in dieser Phase gehen fast ausnahmslos vom sehr agilen Churlinov aus; Paderborn verdaut den Rückstand zunehmend und hat durch Justvan (37.) die Chance zum Ausgleich. Fraisl muss kurz behandelt werden, kann aber weiterspielen. Die letzte Aktion in der dreiminütigen Nachspielzeit gehört dann wieder Schalke, aber ein schöner Schuss von Terodde aus der Drehung wird geblockt (45+2.).

Und so geht es mit der knappen 1:0-Führung in die Kabinen; am Bierstand ist man sich einig: Da muss im zweiten Durchgang gegen die auswärtsstarken Paderborner noch eine Schüppe draufgelegt werden. In der Pause gibt es Geburtstagsgrüße an den „Flankengott aus dem Kohlenpott“, denn Rüdiger „Abi“ Abramczik feiert heute seinen 66. Geburtstag. Die Fanbox entfällt, vermutlich wurde auf den Aufbau verzichtet, damit sie nicht bis nach Lüdenscheid fliegt; dafür kann Thomas Kirschner ausgiebig die neueste Aktion der Ultras Gelsenkirchen vorstellen: Mit einem Retro-Parkstadionschal soll der letzte verbliebene Flutlichtmast aus dem Parkstadion restauriert werden, um wieder weithin für den FC Schalke 04 e. V. zu strahlen. Man muss kein Prophet sein, um zu prophezeien, dass sich viele Schalker nur allzu gerne daran beteiligen werden. Ein kurzer Ausblick auf das Auswärtsspiel in Karlsruhe – die 500 Tickets werden am Montag verlost – und das fast zeitgleich in der Arena stattfindende Duell der „Amas“ gegen Rot-Weiß-Essen runden die Infos aus der Abteilung Fanbelange ab.

Jetzt geht’s los…

Paderborn startet mit einem Doppelwechsel in die zweite Halbzeit, der Ex-Schalker Platte ersetzt den Ex-Schalker Carls, Srbeny ersetzt Yalcin. Kurz darauf geraten beide mit Sané aneinander, der für ein Foul an Platte Gelb sieht, während Srbeny für das Revanchefoul ungeschoren davonkommt. Nun reagiert auch Grammozis und nimmt Sané aus der Gefahrenzone, auch Mikhailov muss runter; für sie kommen Thiaw und Latza (53.).

Das Spiel gewinnt nun zunehmend an Fahrt; ein scharfer Fernschuss von Klement rauscht über die Querlatte (55.), auf der Gegenseite landet der Ball über Churlinov und Terodde bei Bülter, der das Leder jedoch nicht entscheidend nach unten drücken kann und deshalb auf das Tornetz köpft (57.).

Im Gegenzug brennt dann wieder einmal im Schalker Strafraum die Hütte und Fraisl muss im 1:1 gegen Justvan retten (58.). Auf der anderen Seite tauchen Bülter und Terodde im Strafraum auf, der weggegrätschte Ball kommt zu Ouwejan, der Schuster an die Hand schießt (60.) – Spieler und Publikum fordern vehement einen Handelfmeter, doch Schiedsrichter Florian Badstübner winkt ab.  

Chancenfestival de luxe

Eine Minute später hat Churlinov nach schöner Vorarbeit von Ouwejan frei vor dem Tor das 2:0 auf dem Schlappen, trifft aber nur den Außenpfosten (61.). Auf der anderen Seite lenkt Friasl einen Schuss von Srbeny ebenfalls an den Pfosten (63.). Das zur Halbzeit noch überschaubar begeisterte Publikum ist nunmehr voll dabei und intoniert die asozialen Schalker.

Mit Zalazar für Idrizi kommt ein weiterer frischer Offensivakteur; der prompt von Schallenberg abgeräumt wird, was dem Paderborner Kapitän eine Verwarnung einträgt. Das Pfostenfestival geht derweil munter weiter; diesmal prüft Terodde nach Vorarbeit von Ouwejan das Gebälk (65.).

Das Spiel ist nunmehr so spannend, dass der Sturm draußen in Vergessenheit gerät, doch auf dem Würfel wird gewarnt, dass sich der Sturm noch bis mindestens 21 Uhr genau über der Arena befindet und es ratsam sei, so lange unter dem schützenden Dach zu bleiben.  Bei den Gästen kommt Stiepermann für Muslija, Flick „begrüßt“ ihn so herzhaft, dass er prompt Gelb sieht. Die Südkurve amüsiert sich derweil mit „Kühe – Schweine – Paderborn“.

Churlinov macht den Sack zu

Und dann ist es endlich soweit: Flickbedient Churlinov, dieser zündet den Turbo an Freund und Feind vorbei und knallt das Leder ins linke untere Toreck – das umjubelte 2:0 in der 74. Minute.

Doch Paderborn steckt noch nicht auf; Fraisl muss sein ganzes Können aufbieten, um einen abgefälschten Schuss von Pröger über die Latte zu lenken (76.). Kurz darauf humpelt Churlinov unter lautstarkem Applaus vom Platz, für ihn kommt Matriciani, Peringer darf für Terodde ran (78.). Fraisl kassiert Gelb wegen angeblichen Zeitspiels, Thalhammer kommt für Schuster, kann aber auch nichts mehr reißen. Thiaw holt sich auch noch eine Verwarnung ab, doch hier brennt nichts mehr an. Aus der Nordkurve klingt „Oppa Pritschikowski“ herüber: Ob ich verroste und verkalke, ich gehe immer noch auf Schalke…

Schalke wahrt den Anschluss

Auch die fünfminütige Nachspielzeit verstreicht, dann steht fest: Die Punkte bleiben in Gelsenkirchen; der SCP geht zum ersten Mal in dieser Saison als Verlierer von einem fremden Platz. Schalke wahrt mit nunmehr 40 Punkten den Anschluss an die vorderen Plätze; Paderborn bleibt zunächst mit 32 Punkten auf Rang 8.

Die Schalker Mannschaft begibt sich gutgelaunt auf die Stadionrunde und macht die Welle mit der Nordkurve, Maskottchen Erwin hatte offenbar etwas Leckeres im Tee und bespaßt ausgelassen die wegen des Sturms noch zahlreichen verbliebenen Fans. Hinter der Nordkurve feiern die Fans noch lange die „Sturmquarantäne“ – da muss schon etwas Schlimmeres kommen als ein Orkan, damit das Bier nicht mehr schmeckt…

Die Schalker Mannschaft hat damit die richtige Reaktion gezeigt. Auffällig waren insbesondere die vielen kleinen Aufmunterungen und der fast schon demonstrative Mannschaftsgeist, die hoffen lassen, dass der Grottenkick von Düsseldorf ein Ausrutscher war: Ob verunglückter Torschuss oder Ball im Aus, sofort gab es aufmunternde Schulterklopfer, hochgereckte Daumen, einen kurzen Dank, bei den Toren waren alle Feldspieler bei den Torschützen und jubelten mit. Mit dieser Geschlossenheit kann Schalke zuversichtlich in die anstehenden Duelle in Karlsruhe und gegen Rostock gehen.