Einmal Hölle und zurück: Schalke malocht sich über Hertha ins Pokal-Viertelfinale

Einmal Hölle und zurück: Schalke malocht sich über Hertha ins Pokal-Viertelfinale

5. Februar 2020 1 Von Susanne Hein-Reipen

Geht da noch watt…?

Über den Würfel laufen Bilder vom Auswärtssieg der U 19 in Bielefeld und ein Interview mit Norbert Elgert, dann spielt die Stadionregie „Blau-Weiß das sind die Farben von ganz oben“ vom Band ein. Die Fans interessiert hingegen nur eins: Geht hier noch etwas oder beißen sich die Schalker jetzt am Herthaner Abwehrriegel die Zähne aus…? War David Wagner mit den Umstellungen zu leichtsinnig? Als erste Reaktion ersetzt er den bemühten Todibo durch Kabak.

In Nord- und Südkurve erinnern zwei große Banner an den verstorbenen Markus von der Gelsenszene. Die „Nord“ geht mit dem Wiederanpfiff sofort wieder in den Supportmodus. Es heißt „Auf geht‘s Schalke schieß ein Tor“, „Schalke nur Du alleine bist meine Liebe“ und immer wieder „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“.

Schalke hat jetzt mehr Anteile als vor dem Seitenwechsel und zwei Chancen durch Gregoritsch, aber Hertha bleibt ebenfalls gefährlich. Nach einer Stunde dürfen Raman (für Kutucu) und McKennie (für Boujellab) mitmischen, doch die Abwehr der Berliner steht weiter sicher. Jede Torannäherung eines Königsblauen wird lautstark begrüßt, aber Schalke droht die Zeit davonzulaufen. Torunarigha verzögert das Spiel zusätzlich durch einen Krampf und kassiert neben „Steh auf Du S**“ ein Pfeifkonzert und weitere Feuerzeuge; in dieser Situation soll es nach seinen späteren Aussagen auch zu rassistischen Beleidigungen und Affenlauten gekommen sein.  

Caligiuri wird zum (tragischen) Helden

Die Stimmung ist jetzt sehr aufgeheizt, trotzdem versucht die Nordkurve mit „Immer wieder S 04“ und „Vorwärts FC Schalke schieß ein Tor für uns“ noch das Unmögliche möglich zu machen – und es ist Derby-Held Caligiuri, der seine eher dürftige Vorstellung der ersten Hälfte wettmacht und den ersehnten Anschlusstreffer zum 1:2 (76.) erzielt.  Nach Vorarbeit von Harit setzt er sich gegen Mittelstädt durch und trifft an Jarstein vorbei ins kurze Eck ab.

Der Treffer beflügelt alle Schalker Kehlen, die „Asozialen Schalker“, „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ werden in Dauerschleife rausgebrüllt – und es hilft! Nur sechs Minuten verlädt wieder Caligiuri wieder Mittelstädt und legt im Strafraum quer auf Harit, der gekonnt zum 2:2-Ausgleich einschießt (82.). JAWOLLJA, wieso nicht gleich so?!

Wenig später steht erneut die königsblaue Nummer 18 im Mittelpunkt: Caligiuri hat sich am linken Bein verletzt und wird unter Applaus vom Ärzteteam vom Feld geführt. Er kehrt zwar noch einmal unter sichtbaren Schmerzen zurück, muss aber kaum 60 Sekunden später nach einem normalen Zweikampf endgültig passen und humpelt vom Platz, so dass Schalke die reguläre Spielzeit plus fünf (!) Minuten Nachspielzeit zu zehnt überstehen muss.

Aufreger in der Verlängerung

Die Verlängerung ermöglicht den vierten Wechsel, Miranda ersetzt Caligiuri, auch McKennie wirkt angeschlagen. Trotzdem ist Schalke dem erlösenden Treffer jetzt näher als Hertha, doch Raman setzt eine Miranda-Flanke aus durchaus aussichtsreicher Position knapp über die Latte. Schade, das wäre es gewesen!

Die Kurve supportet in alter Frische weiter. Ein zweiter SCHALKE! – NULLVIER-Wechselgesang, nochmal die in Blau erstrahlende Stadt und „Für deine Farben leben und sterben wir“ sollen Schalke auf die Siegstraße schreien. Den Spielern ist hingegen die zunehmende Spieldauer anzumerken, die Beine werden schwerer, die Nerven sind aufs Äußerste gespannt. So kommt es in der 100. Minute nach einem Rempler von Kapitän Mascarell gegen Torunarigha zu einer Rudelbildung vor der Schalker Bank, in deren Folge der junge Herthaner mit Gelb-Rot duschen gehen muss – und nach Konsultation des VAR zur allgemeinen Überraschung auch David Wagner mit Rot auf die Tribüne verbannt wird. Die Verwirrung ist groß: Was bitte sollte das jetzt?! „Ihr macht uns‘ren Sport kaputt“ ertönt.

Mittlerweile sitzt keiner mehr; Kabak versucht, die Kurve weiter aufzuputschen. Beide Mannschaften nutzen den erneuten Seitenwechsel für eine letzte kurze Lagebesprechung, die Schalker unter Co-Trainer Bühler. Kurze Zeit später stockt den Zuschauern der Atem, denn die 10 verbliebenen Berliner gehen fast noch durch Joker Dilrosun in Führung. Den umjubelten Schlusspunkt setzt aber Raman, der nach schönem Pass von Miranda mit einem Sololauf über das halbe Feld Freund und Feind stehenlässt und zum 3:2 (115.) vollendet. Die komplette Ersatzbank rast erleichtert aufs Feld, Sascha Riether schreit völlig losgelöst seine Freude raus, in der Kurve fliegt das Bier tief. Was für eine schwere Geburt, warum muss es dieser wahnsinnige Verein immer soooo spannend machen? Aber eigentlich lieben wir ihn ja genau deswegen so sehr…

Wenn Steine direkt zentnerweise von königsblauen Herzen fallen…

Trotz Stimmungs-Eskalation: Inklusive Nachspielzeit sind noch sieben Minuten zu überstehen, auch wenn die Kurve schon feiert. Dann ist es vollbracht, SIEG! und der Mythos hallen durch die Arena.

Als die Spieler sichtlich ausgepumpt, aber glücklich vor die Kurve gehen, werden sie minutenlang abgefeiert – „wer holt den Pokal? Wer holt den Pokal? Schalke holt ihn wieder mal…!“ und „Der FC Schalke wird deutscher Meister und wir holen den Pokal“ werden högschdt erleichtert rausgebrüllt.  
Dass die schwarzgelben Erzrivalen aus Lüdenscheid-Nord und RB Leipzig ausgeschieden sind, macht den eigenen Last-Minute Triumph doppelt schön und so machen sich alle Schalker mit lädierten Nerven, aber in allerbester Stimmung auf dem Heimweg: Schalke ist und bleibt der geilste Club der Welt!

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