
Arm aber sexy: Schalkes Sparkurs beginnt sich auszuzahlen
16. März 2023Die Schalker Konzernbilanz 2022 ist da – und entgegen allen Unkenrufen ist Schalke nicht pleite, sondern sehr lebendig und auf dem Weg in die schwarzen Zahlen. Finanzfachfrau Susanne Hein-Reipen analysiert und erklärt die wichtigsten Werte…
Wie hoch ist der Verlust?
Die offizielle Pressemitteilung des Vereins zur Veröffentlichung des Konzernabschlusses 2022 trägt die schöne Überschrift „Trendwende steht bevor: FC Schalke 04 erwartet ab 2023 ligaunabhängige Rückkehr in die Gewinnzone“. Nanu, wird hier lieber der Ausblick ins nächste Jahr in den Mittelpunkt gerückt statt der Zahlen des abgeschlossenen Wirtschaftsjahrs? Sind die Zahlen etwa sooo schlecht, dass man sie lieber verschweigt? Zuerst gibt es nur den Hinweis „Der FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. hat das Geschäftsjahr 2022 wie erwartet mit einem niedrigen zweistelligen Verlust abgeschlossen“, deutlich weiter unten finden sich dann 19,4 Mio. Euro Fehlbetrag, die sich laut Gewinn- und Verlustrechnung zusammen mit rund -688.000 € nicht beherrschenden Anteilen zu einem Gesamtverlust von 20,04 Mio. Euro summieren.
20 Millionen Verlust? Hört sich erst einmal gruselig und nicht unbedingt niedrig an, ist aber angesichts der Umstände ein respektables Ergebnis. Vergleiche gefällig? Die schwarzgelben Rivalen haben 35 Mio. Miese gemacht – mit Championsleague-Einnahmen statt einem halben Jahr zweiter Liga. Hertha BSC hat es trotz Ausgliederung und dicken Finanzspritzen sogar auf 79,8 Mio. Verlust gebracht. Und Schalke musste neben der alle Clubs betreffenden Corona-Pandemie mit teilweisen Zuschauerausschlüssen noch geringere Umsätze in der 2. Bundesliga, die Knall-auf-Fall-Trennung vom langjährigen Hauptsponsor gazprom und den Kaderumbau stemmen.
Größtes Risiko: Das negative Eigenkapital ist zu hoch
Aber auch, wenn „nur“ 20 Mio. Euro Verlust unter diesen Bedingungen eine prima Leistung sind: Besser wird die finanzielle Lage durch fortgesetzte Verluste natürlich nicht; insbesondere das negative Eigenkapital ist auf 109,8 Mio. Euro angeschwollen. Zur Erläuterung: Eigenkapital weist das Verhältnis von Vermögen und Verbindlichkeiten aus – ist es negativ, übersteigen die Schulden das Vereinsvermögen, ist es positiv, sind mehr Werte als Verbindlichkeiten vorhanden. Minus 110 Mio. sind daher schon eine klare Mahnung zur Vorsicht und können Schalke auch im Lizensierungsverfahren auf die Füße fallen.
Der Konzernabschluss selbst schreibt dazu „Darüber hinaus besteht das Risiko einer aus einem negativen Eigenkapital resultierenden Kapitalauflage. Ein Verfehlen dieser Auflage hätte einen Abzug von einem Gewinnpunkt in der Saison 2024/25 sowie drei Gewinnpunkten in den Folgesaisons zur Folge.“
Aber: Es gibt Licht am Ende des Stollens – bereits im zweiten Halbjahr 2022 wurde ein kleiner Gewinn erwirtschaftet und für die Folgejahre prognostiziert Christine Rühl-Hamers unabhängig von der Ligazugehörigkeit einen Gewinn. Dass sich die allseits für Nüchternheit und Vorsicht bekannte Finanzvorständin zu einer solchen Prognose hinreißen lässt und dies auch noch unabhängig (!) von einem etwaigen Abstieg, ist ein ganz starkes Zeichen dafür, dass Schalke seine Hausaufgaben gemacht und die unter der vorigen Vereinsführung absurd aufgeblasene Kostenstruktur gesundgeschrumpft hat. CRH führt dazu aus: „Wir haben es nach fast drei Jahren intensiver Arbeit geschafft, wieder ein stabileres finanzielles Fundament zu legen, von dem aus wir nun die nächsten Schritte gehen können. Das ist eine großartige Leistung des gesamten Vereins.“

Verbindlichkeiten leicht gesenkt, aber…
Gut ist auch, dass die Verbindlichkeiten immerhin um 3,5 Mio. Euro gesenkt werden können, nunmehr stehen noch insgesamt 180 Mio. Euro zu Buche, davon 141,5 Mio. Euro zu verzinsende Finanzverbindlichkeiten. Der Blick in den Verbindlichkeitenspiegel löst dann allerdings ein unangenehmes Kribbeln im Bauch aus, denn 60,98 Mio. Euro haben eine Restlaufzeit unter einem Jahr, müssen also im Laufe des Jahres 2023 zurückgezahlt bzw. umgeschuldet werden – Geld, das dann natürlich nicht für Investitionen in den Kader zur Verfügung steht… Aber: Es geht langsam bergauf, die ersten Raten des „Coronakredits“ sind bereits zurückgezahlt, die Vollplatzierung der beiden neuen Anleihen zeigt zudem, dass Anleger und Fans immer noch auf Schalke vertrauen.
Umsätze solide
Die Umsätze beliefen sich 2022 auf 157,0 Mio. Euro, das ist solides Bundesliga-Mittelfeld. Positiv entwickelt haben sich dabei durch das Ende der coronabedingten Zuschauereinschränkungen die Einnahmen aus Spielbetrieb und Catering, auch andere Veranstaltungen in der Veltins-Arena waren wieder vermehrt möglich. Gestiegen sind auch die Umsätze im Sponsoring (trotz der Trennung von gazprom!) und Merchandising; ein Loch klafft hingegen wegen des Ausflugs in die zweite Bundesliga bei den Erlösen aus medialen Verwertungsrechten (sprich: Fernsehgeldern) und den Transfereinnahmen.
Spielerwerte und Personalkosten runter
Weiterhin deutlich gesunken sind die Spielerwerte und der Personalaufwand. Schalke hat jetzt endlich (!) eine Kostenstruktur, die dem Verein nicht mehr die Luft abschnürt und zum Größenwahn verdammt – jetzt gilt es, mit Augenmaß vorsichtig in den Kader zu investieren und die sportliche Konkurrenzfähigkeit zu verbessern. Erste sehr gute Schritte dazu wurden im Wintertransferfenster bereits unternommen, Moritz Jenz ist neben Ralf Fährmann das Gesicht des Aufschwungs in der Rückrunde, auch Jere Uronen, Tim Skarke und Soichiro Kozuki sind, wenn fit, auf Anhieb zu Stammspielern geworden.
GroĂźes Engagement auch abseits des Platzes
Alle Geldsorgen haben nicht etwa dazu geführt, dass Schalke sein soziales Engagement vernachlässigt hätte, im Gegenteil, Themen wie Mitgliederdialog und Nachhaltigkeit und Antidiskriminierungsarbeit sind aktueller denn je. Zwischen Schalke und seine Fans passt momentan wieder kein Blatt, die Kurve tut nicht erst seit der Brandrede beim Abschlusstraining vor dem Rückrundenstart alles, um die Mannschaft zum Klassenerhalt zu pushen, diese zahlt es in der Rückrunde mit aufopferungsvollem Einsatz und bislang 11 Punkten aus sieben Spielen zurück.
Die Verantwortlichen müssen natürlich trotzdem zweigleisig planen und rechnen für beide Varianten trotz unterschiedlicher Umsätze jeweils mit Gewinnen und einer konkurrenzfähigen Mannschaft. Es ist aber trotzdem kein Geheimnis, dass der Weg zur finanziellen Konsolidierung in der ersten Bundesliga erheblich einfacher ist…
