Schalke – Union 1:1: Der erste Punkt als kleiner Schritt aus der Krise?

Schalke – Union 1:1: Der erste Punkt als kleiner Schritt aus der Krise?

18. Oktober 2020 0 Von Susanne Hein-Reipen

Schalke 04 und Union Berlin trennen sich mit einem leistungsgerechten 1:1 (0:0). Für die Königsblauen ist es der erste Punkt der laufenden Saison, die Horror-Sieglos-Serie wächst damit aber auf 20 Spiele an. Susanne Hein-Reipen weiß nicht so recht, ob sie sich freuen oder ärgern soll…

Beim letzten Heimspiel gegen die Eisernen ging Schalke nach hart umkämpften 90 Minuten als Heimsieger vom Platz und wurde von der Nordkurve frenetisch gefeiert. Vorangegangen war ein nicht unbedingt spielerisch hochklassiges, aber intensives und sehr spannendes Spiel mit zwei Fanlagern, die wie ein Mann hinter ihren Teams standen.

Gute 10 Monate später sieht die Welt vor dem Anpfiff komplett anders aus: Schalke steht nach einer beispiellosen Negativserie mit null Punkten auf Platz 18, Union kommt mit der Empfehlung eines 4:0-Sieges gegen Mainz – und von den treuen Fans sind corona-bedingt gerade einmal 300 zugelassen. Die – bestuhlte – Nordkurve, sonst DAS königsblaue Epizentrum, ist gänzlich leer, was das große schwarze Banner „Tausend Freunde, die zusammenstehen * dann wird der FC Schalke niemals untergehen!“ etwas eigenartig wirken lässt.

Überraschende Startelf

Das Spiel ist gleichzeitig die Heimpremiere des neuen Cheftrainers Manuel Baum; auch die Leihgaben Frederik Rönnow und Kilian Ludewig treten zum ersten Mal „auf Schalke“ an. Und Baum sorgt bei der Bekanntgabe der Startelf für erstes Aufhorchen: Rönnow, Ludewig, Sané, Nastasic, Oczipka, Mascarell, Skrzybski, Bentaleb, Bozdogan, Raman und Ibisevic sollen es richten. Stambouli, Paciencia und der nach der Corona-Infektion zurückgekehrte Harit sitzen nur auf der Bank; Uth, der noch im Testspiel gegen Paderborn eine sehr starke Leistung zeigte, muss wegen muskulärer Probleme gänzlich passen.

Die neu formierte königsblaue Mannschaft startet schwungvoll in die Partie, der erste Torschuss geht auf das Konto des sichtlich hochmotivierten Can Bozdogan (6.), aber der Ex-Schalker Marvin Friedrich fälscht den Schuss zur Ecke ab. Die erste Viertelstunde wird von intensivem Gehakel im Mittelfeld geprägt.

Rönnow mit tollen Reflexen

Die erste echte Torannäherung der Eisernen durch Becker wird von Bastian Oczipka geklärt, die anschließende Ecke landet bei Andrich, aber sein Distanzschuss segelt über die Querlatte (17). Das gleiche „Schicksal“ erleidet kurze Zeit später ein Kopfball von Bülter, weil Ludewig im letzten Moment stört.

Dann schlägt die Stunde für Frederik Rönnow: Über Andrich landet der Ball im Strafraum bei Prömel, der den Ball mit dem Rücken zum Schalker Kasten annimmt und per Seitfallzieher Richtung Tor schickt – Rönnow hat nur Sekundenbruchteile zum Reagieren, kann den Ball aber um den Pfosten lenken (22.). Kaum eine Zeigerumdrehung später muss der von Eintracht Frankfurt ausgeliehene Däne erneut sein ganzes Können zeigen. Beim Distanzschuss von Andrich reißt er gedankenschnell den Arm hoch.

Torlos in die Pause

Das Spiel ist ausgeglichen, jetzt traut sich auch Schalke wieder einmal nach vorne: Bentaleb schickt Raman, dieser flitzt in den Strafraum, doch sein abschließender Schuss titscht von Bozdogans Scheitel aus über die Latte. Schiedsrichter Patrick Ittrich entscheidet gleichwohl auf Ecke, doch der als der Ball zurück in den Strafraum fliegt, stehen gleich drei Schalker im Abseits. Auf der Gegenseite kommt Bülter aus kurzer Distanz zum Kopfball, trifft das Leder aber nicht richtig, so dass Rönnow keine Mühe hat, den Ball festzuhalten.

Ibiseviv rackert viel, bekommt die Kugel aber im Getümmel im Strafraum nicht unter Kontrolle. In der Abwehr gewinnt Salif Sané fast jeden Zweikampf. Bentaleb bekommt einen Schlag auf den Fuß und wird, schimpfend wie ein Rohrspatz, kurz am Zeh behandelt. Mit einer Minute Nachspielzeit und einem leistungsgerechten 0:0 geht es in die Kabinen. Die Beurteilung des Kicks durch die Schalkefans in den sozialen Medien ist sehr unterschiedlich, die meisten erkennen aber zaghafte Verbesserungen – wenn doch bloß offensiv etwas mehr klappen würde…!

„Ausgerechnet“ Friedrich

Trotz erlaubter fünf Wechsel kommen beide Mannschaft personell unverändert wieder auf das Spielfeld – und wie bereits im ersten Durchgang steht sofort Rönnow wieder im Mittelpunkt: Mascarell verschätzt sich bei einer Flanke von Bülter, Lenz kann unbedrängt abziehen, aber Rönnow taucht ab und schnappt sich den Ball (47.).

Nach knapp 10 Spielminuten lenkt Nastasic den Ball zur Ecke, die zunächst wieder aus dem Strafraum geschlagen werden kann; doch dann schickt Trimmel den Ball erneut auf die Reise und ausgerechnet der Ex-Schalker Marvin Friedrich überspringt Nastasic und köpft über Rönnow hinweg zur 1:0-Führung für die Eisernen ein (55.). Wieso treffen eigentlich gefühlt alle Ex-Spieler gegen Schalke…?!

Joker Paciencia gleicht aus

Baum reagiert und bringt Paciencia für Ibiseviv und kurze Zeit später Harit für Bozdogan, aber Union bleibt im Vorwärtsgang. An der Körpersprache der meisten Spieler ist unschwer zu erkennen, dass der erneute Rückstand das ohnehin nach der Niederlagenserie schwer angeschlagene Selbstvertrauen weiter angeknackst hat.

In der 68. Minute dann wieder ein Lebenszeichen: Skrzybski setzt sich gegen Lenz durch und kann aus spitzem Winkel abschließen, Luthe lenkt den Ball an die Latte. Aber Schalke bleibt dran: Mascarell serviert die fällige Ecke in den Fünfmeterraum auf den Scheitel von Paciencia, dieser lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen und erzielt das 1:1 (69.). JAAAAAAAAAA!

Skrzybski sieht Gelb für einen herzhaften Tritt gegen den Knöchel von Knoche, auch Prömel und Paciencia werden verwarnt. Bei Union kommen Awoniyi, Gentner und Ingvartsen für Pohjanpalo, Becker und Kruse in die Mannschaft. Und Ingvartsen und Awoniyi starten direkt einen Angriff, aber Sané bringt ein Bein dazwischen.

Es bleibt beim 1:1

Der engagierte, aber glücklose Raman wird derweil von Krämpfen geplagt; Referee Ittrich leistet Hilfe, dann ersetzt Baum Raman durch Schöpf. Harit schickt Mascarell auf die Reise, aber dessen Fernschuss wird geblockt; obendrein kassiert Harit Gelb wegen Zeitspiels – schlimm genug, dass ein 1:1 gegen Union bereits als rettenswertes Ergebnis angesehen werden muss…

Eine weitere Ecke durch Mascarell landet bei Oczipka, dessen Kopfball jedoch zu harmlos ausfällt, um Luthe in Bedrängnis zu bringen. Auch ein Kopfball von Sané nach Freistoßflanke von Oczipa landet genau in den Armen des Köpenicker Schlussmanns.

Die dreiminütige Nachspielzeit verläuft bis auf den Wechsel Endo für Bülter weitgehend ereignislos, beide Teams geben sich mit dem Punkt zufrieden.

Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel

Schalke lässt mit diesem ersten Punkt der Saison zumindest den FSV Mainz hinter sich und gibt die rote Laterne ab, klar ist aber, dass das Spiel nur ein klitzekleiner Schritt in Richtung Rettung sein kann. Etwas Hoffnung machen dabei die Leistungen von Rönnow, Ludewig, Sané und Paciencia; zudem ist die Mannschaft endlich einmal nach einem Gegentreffer nicht auseinandergebrochen, sondern hat sich, wenn auch mit bescheidenen Mitteln, zur Wehr gesetzt.

Das sieht auch eine Gruppe Ultras so, die am Tor West auf die Mannschaft wartet, um die Spieler auf das Derby einzuschwören: „Das war okay heute. Ihr müsst aber fürs Derby noch ein paar Prozente mehr draufpacken. „… Ist das angekommen? 200 Prozent! Von jedem! Für Schalke. Auf geht’s!“

Da es der Spielplan mit den Auftaktspielen leider wieder einmal nicht gut mit Schalke gemeint hat, steht am nächsten Spieltag zu allem Überfluss das Auswärtsderby in Dortmund an. Man darf gespannt sein, sollte aber als Schalkefan besser etwas Hochprozentiges im Haus haben…