Schalke plant Gehaltsobergrenze: Mutiger Schritt in die richtige Richtung oder populistische Schnapsidee?

Schalke plant Gehaltsobergrenze: Mutiger Schritt in die richtige Richtung oder populistische Schnapsidee?

29. Juni 2020 1 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 plant einem Bericht der SĂŒddeutschen Zeitung zufolge als erster deutscher Club eine Gehaltsobergrenze fĂŒr neue ProfivertrĂ€ge von 2,5 Mio. Euro im Jahr, die Reaktionen sind sehr gespalten. Susanne Hein-Reipen schaut genauer hin


Es recht zu machen jedermann, ist eine Kunst, die niemand kann – das alte Sprichwort bewahrheitet sich auch auf Schalke: Obwohl die hohen Personalkosten seit Jahren in der Kritik stehen, löst die AnkĂŒndigung der 2,5-Millionen-Deckelung bei zahlreichen Fans erneut Ablehnung hervor: „Dumme Selbstlimitierung“, „reiner Populismus“ und „damit verabschieden wir uns endgĂŒltig Richtung Mittelmaß“ sind hĂ€ufig zu lesende Bedenken.

Personalkosten sind zu hoch

Die Gesamtpersonalkosten bei Königsblau betrugen im Jahr 2019 rund 123,6 Mio. Euro. Wie viel davon genau auf den Profikader und den Trainerstab entfÀllt, ist nicht bekannt, aber Schalke liegt damit in der Bundesliga auf dem sechsten Rang und vor deutlich besser platzierten Konkurrenten wie beispielsweise Borussia Mönchengladbach. Zu dem MissverhÀltnis zwischen Bezahlung und Leistung kommt die insbesondere seit Beginn der Corona-EinschrÀnkungen extrem angespannte finanzielle Lage und das erneute Verpassen des europÀischen GeschÀfts, so dass eine Senkung des Personaletats nahezu alternativlos ist.

VereinPersonalaufwand 2019 in Mio. Euro
  
Bayern MĂŒnchen356, 1
BVB205,1
Bayer Leverkusen136,6
VfL Wolfsburg131,4
RB Leipzig125,2
Schalke 04123,6
Borussia Mönchengladbach  98,6
Eintracht Frankfurt  92,9
TSG Hoffenheim  77,1
Werder Bremen  71,9
Hertha BSC  62,4
Mainz 05  48,9
1.FC Köln  47,8
SC Freiburg  45,2
FC Augsburg  38,2
Fortuna DĂŒsseldorf  32,1
Union Berlin  25,8
SC Paderborn  13,6

Hauptproblem sind ĂŒberbezahlte Durchschnittskicker

Die Frage ist jedoch, ob die Senkung mit der RasenmĂ€hermethode sinnvoll ist, denn das Problem besteht weniger bei Spitzenverdienern, sondern in der ĂŒberzogenen Entlohnung von Durchschnittskickern. Richtige Spitzenverdiener stehen kaum noch auf der Gehaltsliste, nachdem Goretzka und NĂŒbel kolportierte Angebote von 8 Mio. Euro Jahresverdienst ausgeschlagen haben – aber auf Schalke verdienen auch völlig „normale“ Bundesligaprofis besser als bei vielen anderen Vereinen. BemĂ€ngelt wird auch, dass die Spieler durch die zu hohen und grĂ¶ĂŸtenteils erfolgsunabhĂ€ngigen GehĂ€lter zu schnell zu satt sind und teilweise Besorgnis erregende LeistungsabfĂ€lle gegenĂŒber ihren frĂŒheren Vereinen haben.

Liga- oder europaweite Regelung wĂŒnschenswert

Unbestritten ist, dass ein „Salary Cap“ im Idealfall bundesliga- oder besser europaweit gelten mĂŒsste, da damit die Gefahr, dass Spieler sich einfach einem besser bezahlenden Konkurrenten zuwenden, sinken wĂŒrde. So weit ist es jedoch noch nicht, obwohl sich von Fritz Keller und Oliver Bierhoff ĂŒber Karlheinz Rummenigge und Thomas Röttgermann bis zu Ewald Lienen bereits zahlreiche FunktionĂ€re fĂŒr eine Deckelung der ausufernden Personalkosten ausgesprochen haben. In verschiedenen US-Profiligen ist sie bereits seit Jahren ĂŒblich.

Kein Armutsausbruch


Die BefĂŒrchtung, dass Schalke als „Vorreiter“ einer solchen Regelung nunmehr keine Spieler mehr bekommt, ist trotzdem völlig ĂŒberzogen. 2,5 Mio. Euro (bei denen noch nicht einmal klar ist, ob damit das Grund- oder Gesamtgehalt mit PrĂ€mien geeint ist) sind immer noch ein stattliches SalĂ€r; bei mindestens der HĂ€lfte aller Bundesligisten wird deutlich weniger gezahlt, ohne dass das öffentlich verkĂŒndet wird. In Freiburg beispielsweise – Gesamtpersonalaufwand 45,2 Mio. Euro – verdient kein Spieler auch nur annĂ€hernd 2,5 Mio. Euro. Zu vermuten ist auch, dass coronabedingt auch noch andere Clubs den GĂŒrtel in Zukunft deutlich enger schnallen mĂŒssen.  

Ja, absolute Top-Spieler werden sicher nicht fĂŒr 2,5 Mio. Euro unterschreiben – dies ist aber keine Frage der Deckelung, sondern seit langen Jahren bekannt. Wenn Bayern, Manchester City oder Real Madrid Ernst machen, ist dort bereits jetzt fĂŒr Bundesligavereine bis hin zu den finanziell durchaus respektabel aufgestellten schwarz-gelben Nachbarn nichts mehr zu holen. Die erste Adresse fĂŒr hochtalentierte Spieler ist Schalke leider aufgrund der fehlenden internationalen Spiele ohnehin nicht mehr; rar gesĂ€te Spieler vom Kaliber eines RaĂșl oder Huntelaar sind derzeit nicht darstellbar.

Hat Jochen Schneider die Idee aus Leipzig mitgebracht? (Foto: Hein-Reipen)

FlexibilitĂ€t wĂŒnschenswert

Zu hoffen ist aber, dass eine solche Regelung mit Augenmaß gehandhabt wird. Sinnvoller als sture Einzelregelungen wĂ€re die Deckelung des Gesamtpersonaletats – diese wĂ€re unter anderem angesichts von nur zwei Wettbewerben auch durch eine Kaderverkleinerung erreichbar und wĂŒrde eine gerechtere Honorierung von Leistungs- und Erfahrungsunterschieden ermöglichen. Junge, hungrige und (vergleichsweise) preiswerte Jugendspieler aus der Knappenschmiede sind ein sehr guter Ansatz sowohl fĂŒr die Finanzen als auch die Identifikation mit der Mannschaft, aber ganz ohne erfahrene und starke FĂŒhrungsspieler geht es nicht – und diese mĂŒssen angemessen bezahlt werden.

FlexibilitĂ€t und stĂ€rkere Leistungsanreize wĂ€ren zudem ĂŒber die PrĂ€mienregelungen möglich, als Punkt-, Einsatz- oder PlatzierungsprĂ€mien: Sollte die Mannschaft unerwartet gut abschneiden und so Fernseh-, Sponsoren- und UEFA-Einnahmen ermöglichen, kann die Grenze immer noch angepasst und angehoben werden, wie es bei RB Leipzig, frĂŒherer Club von Sportvorstand Jochen Schneider, praktiziert wurde.

Einen Versuch ist es wert

Da die Kostensenkung unumgĂ€nglich ist, ist die Personalkostendeckelung ein durchaus mutiger und sinnvoller Ansatz, solange nicht stur nach Schema F verfahren, sondern die Leistungen in den Vordergrund gestellt werden.  

Sehnsuchtsziel vieler Schalker: Die Nordkurve (Foto: Hein-Reipen)