Schalke – Köln 0:0: Schalke erkämpft sich einen Punkt und die Anerkennung der Nordkurve

Schalke – Köln 0:0: Schalke erkämpft sich einen Punkt und die Anerkennung der Nordkurve

30. Januar 2023 1 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 zeigt sich nach der bösen Klatsche gegen RB Leipzig und der Ansprache der Ultras beim Abschlusstraining klar verbessert und kommt beim torlosen Remis gegen den 1. FC Köln hochverdient zum ersten Punkt der Rückrunde. Für einen Paukenschlag sorgt bereits die Aufstellung, denn Thomas Reis stellt Ralle Fährmann statt des glücklosen Schwolow ins Tor. Die Neuzugänge Skarke und Jenz liefern ein gelungenes Debüt ab. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Die Partie wird aufgrund der Freundschaft der Kölner zu einem gewissen schwarzgelben Verein als Hochrisikospiel eingestuft, dementsprechend viel Polizei und Absperrungen schmücken das Berger Feld. Warum allerdings der komplette Parkplatz E hermetisch mit Sichtschutzwänden gegen Schalker abgeriegelt ist, während sich Kölner munter auf allen Parkplätzen tummeln und vereinzelt sogar hinter der Nordkurve gesichtet werden können, wird wohl das Geheimnis des Sicherheitskonzepts bleiben. Die Arena ist mit 61.571, davon gut 5.000 Jecken, ausverkauft.

Torwartwechsel!

Das ungemütlich kalte Wetter treibt viele Fans zeitig in die Arena, wo der Fanclub „Zum blau-weißen Rüssel Kleve“ das Fanspiel gegen den „Anholter Kreisel“ mit 1:3 verliert. Deutlich mehr Aufmerksamkeit als das Fanspiel und die Talkgäste von den Damen- und Esports-Teams bekommt jedoch die traditionell 60 Minuten vor dem Anpfiff bekanntgegebene Aufstellung: Cheftrainer Reis macht seine Drohung wahr, dass niemand sich seines Platzes sicher sein könne und ersetzt den glücklosen Schwolow durch das königsblaue Urgestein Ralf Fährmann. Die Meinungen über diese Personalie gehen weit auseinander, doch die Mehrheit gönnt entweder „Ralle“ den Einsatz oder setzt darauf, dass es kaum schlimmer werden kann als beim 1:6 gegen Leipzig unter der Woche.

Vor Fährmann muss Matriciani in der Viererkette für Neuzugang Jenz weichen, neben ihm stehen Brunner, Yoshida und Uronen. Krauß und Latza bleiben, der zweite Neuzugang nimmt die Position des blitzartig zu Kopenhagen verliehenen Larsson zwischen Kozuki und Bülter ein, Terodde ist der Stoßstürmer.

Wechselseitiger Austausch fäkaler Nettigkeiten

Die Kölner Fanszene entert den Gästeblock mit lautstarken Absteiger!, Absteiger!-Rufen, die Nordkurve schickt die entsprechende Antwort zurück. H*rensöhne Effzeh…

Dirk Oberschulte-Beckmann und Jörg Seveneick begrüßen unter anderem Huub Stevens und Edi Glieder, dann gibt’s die Statistik: Mit 18 Siegen bei 15 Unentschieden und 11 Niederlagen ist diese zwar noch positiv, aber der letzte Heimsieg stammt aus dem August 2011, als ein gewisser Senor Raúl beim 5:1 das Tor des Jahres 2011 erzielte.

Bei der Verlesung der Aufstellung der Kölner ist der Gästeblock gut zu hören, bevor er mit Nettigkeiten der Marke „Colooogne, Colooogne, die Scheixxe vom Dom“ übertönt wird. Als prompte Retourkutsche stören sie die Anfänge des Steigerlieds mit einem lauten Pfeifkonzert; gegen die geballte Schalker Power beim Vereinslied „Blau und Weiß“ kommen sie aber nicht an.

Schalke deutlich verbessert

Zur Schalker Aufstellung kommen die Mannschaften auf das Spielfeld, die Nordkurve legt direkt mit „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ und „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ vor: Steht auf, wenn Ihr Schalker seid! Und die Mannschaft lässt sich nicht lumpen: Uronen sprintet los und wird von Ljubicic unsanft ausgebremst; der fällige Freistoß landet bei Skarke, der mustergültig zu Jenz flankt, dessen Kopfball Schwäbe nur mit einer Glanzparade abwehren kann (2.). Das wäre ein Traumstart für die beiden Neuzugänge gewesen!

In der Folgezeit wogt das Spiel lebhaft hin und her; der Effzeh erspielt sich eine Reihe von Ecken, ohne jedoch das Tor von Ralf Fährmann ernsthaft in Bedrängnis bringen zu können. Der Gästeblock ist mit „Erster Fußballclub Kööööln“ und „Steht auf, wenn ihr Kölner seid“ zu hören, dann übernimmt wieder die Nord mit „Wer nicht hüpft, der ist ein Kölner“ und „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“. Dass die Kölner Fans den Wechselgesang Schalke!-Nullvier“ mit „Absteiger“ und „Scheixxe 04“ stören, ruft ebenfalls wieder die Scheixxe vom Dom auf den Plan; ein Ritual, das sich an diesem Nachmittag noch diverse Male wiederholen wird.

In der 17. Minute wollen Terodde und die Schalker Anhänger ein Handspiel von Hübers erkannt haben, Schiedsrichter Jöllenbeck lässt weiterlaufen. Beide Mannschaften kämpfen um jeden Zentimeter Rasen und gehen dabei mitunter recht rustikal zur Sache, wirkliche Torgefahr kommt jedoch nicht auf. Spannend anzusehen ist die Partie dennoch.

Sechs Ecken, kein Elfer

Die Nordkurve stimmt „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ und „Wir lieben alle nur den FC Schalke“ an und schickt per Banner eine kleine Spitze nach Essen: Heute bei Freunden zu Gast abeR ausWärts kEin Bock auf Rast“. Latza und Chabot rasseln aneinander, der Kölner kommt jedoch ohne Verwarnung davon, was wieder die gegenseitige Komplimente-Spirale plus ein „Haut drauf, Kameraden“ aus dem Gästeblock in Gang setzt. Die erste Gelbe des Spiels geht kurz darauf an Brunner, der Kainz handgreiflich am Weiterlaufen hindert (35.).

Ralf Fährmann hat in dieser Phase einen relativ ruhigen Nachmittag und ist bis auf einen kleinen Wackler beim Rauslaufen fehlerfrei – auch dank Jenz, der gleich im ersten Spiel sehr präsent und souverän für Ruhe sorgt. In „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ platzt der bis dato schönste Angriff der Schalker, vorbereitet von Skarke, doch Latza setzt den Ball deutlich über das Tor (37.). Dasselbe Bild dann nur eine Minute später: Latza verzieht, obwohl Bülter und vor allem Terodde besser positioniert sind.

Terodde ist darüber augenscheinlich so angesäuert, dass er Chabot über den Haufen rennt und dafür Gelb sieht; der Kölner muss danach behandelt werden. Kurz darauf sitzen auch Selke und Krauß nach einem Zweikampf mit Brummschädel und den Teamärzten auf dem Boden, für den Kölner geht es nicht weiter. Fährmann faustet unterdessen die sechste Ecke der Geißböcke aus der Gefahrenzone, dann geht es mit zwei Minuten Nachspielzeit und den gegenseitigen Lieblingsbeschimpfungen in die Kabinen.

Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen

Die Fanbox erinnert dieses Mal sehr an DSDS: Viel Einsatz, schräge Stimmen. Für das Team Fanbelange gibt Thomas Kirschner die Entlastungszüge zum nächsten Auswärtsspiel in Mönchengladnach durch und blickt unter viel Applaus auf den tollen Samstag mit Training und der Wiedereinweihung des Flutlichtmasts zurück. Die Versteigerungen laufen noch.

Köln startet mit dem Doppelwechsel Tigges für Selke und Schindler für Hector in den zweiten Durchgang, die Schalker Elf bleibt zunächst unverändert. Die Nordkurve stimmt „Kämpfen und Siegen“ und „Schalke nur Du alleine“ alleine an und zeigt ein nur für die Kurve sichtbares Banner. Für alle in der Arena erkennbar hingegen ist „Schalke gehört in Liga 1, gebt alles dafür!“ am Oberrang vor Block 48.

Das Spiel geht unverändert munter zwischen beiden Strafräumen hin und her; nunmehr erspielt sich auch Schalke einige Ecken, die jedoch trotz eifriger Bemühungen ebenso wenig zu einem Torerfolg führen wie die der Gäste. Der sichtbare Einsatz von Skarke, Kozuki und Bülter wird jedoch vom Publikum sofort mit „Immer wieder S 04“ honoriert, auch auf Gegengerade und Südtribüne springen etliche Schalker auf und feuern das Team an, Maskottchen Erwin versucht sich ebenfalls als Einpeitscher. Schalke! Schalke! Schalke!

Zalazar bei Comeback bejubelt

Nach einer Stunde ersetzt FC-Coach Baumgart, trotz Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt kurzärmlig an der Seitenlinie unterwegs, Maina und Olesen durch Adamyan und Martel; bei Schalke darf Frey für Terodde ran (60.). Kurz darauf stockt den Schalker erneut der (hoffnungsvolle) Atem, denn der starke Krauß köpft nach einer Ecke haarscharf drüber (64.).

Kurz darauf darf trotzdem gejubelt werden, denn der schmerzlich vermisste Fanliebling Zalazar wird erstmals nach seinem Fußbruch wieder eingewechselt, für ihn muss Bülter runter (67.). Prompt gibt die Nummer Zehn eine feine Vorlage für Kozuki, der leider haarscharf im Abseits steht (70.). Musikalisch unterlegt wird diese Phase von den „Asozialen Schalkern“ und „Für deine Farben leben und sterben wir“. Unverständlich ist allerdings, dass auf den Sitztribünen trotz des packenden und engen Spiels schon wieder etliche Gestalten vorzeitig abwandern – was soll das?!


Das Spiel ist völlig offen, weder Adamyan (72.) noch Zalazar (73.) treffen das Tor; Schmitz sieht Gelb (76.). Mit Drexler für Latza, Kral für Skarke und Thielmann für Ljubicic bringen beide Trainer noch einmal frische Spieler (77.). Zalazar und McKenna werden beide gelbverwarnt; dann hat Zalazar nach einer schönen flanke von Uronen DIE Chance für den Siegtreffer, doch sein Kopfball geht links vorbei (84.). Schade!

Zalazar ist dennoch sofort ein Aktivposten im königsblauen Spiel, Hübers (86.) und Skhiri (87.) können ihn nur mit Fouls bremsen und sehen ebenfalls Gelb. Es gibt noch einen kurzen Aufreger, als Uronen einen Kölner anschießt und Jöllenbeck auf Ecke statt Handelfmeter entscheidet, dann ist auch die dreiminütige Nachspielzeit inklusive Gelb für Kainz wegen eines Fouls an Brunner vorbei: Es bleibt beim 0:0.

Gemischte Gefühle – aber: Es geht nur gemeinsam!

Die Gefühle bei den Schalker Spielern und Fans nach dem Schlusspfiff sind gemischt: Das Spiel war unstreitig eine klare Steigerung gegenüber dem Auftritt gegen Leipzig, aber eigentlich ist ein Punkt zu wenig; Schalke bleibt mit nunmehr 10 Punkten aus 18 Spielen alleiniges Tabellenschlusslicht, das rettende Ufer mit den Plätzen 15 und 16 ist aktuell 6 Punkte entfernt. Der Gästeblock streut mit „Absteiger!“-Rufen weiter Salz in die Wunden und bekommt die entsprechende Antwort.

Die Nordkurve – nach der Niederlage gegen Leipzig noch frustriert verstummt – beschließt dennoch, das Positive zu honorieren: Zu Null ist defensiv ein klarer Fortschritt, für die Offensive hat insbesondere Zalazar neue Hoffnungen für die kommenden Spiele entfacht: Und: Die Mannschaft hat, wie von den Ultras unmissverständlich eingefordert, wirklich alles gegeben, dann muss auch die zugesagte Unterstützung da sein. Dementsprechend gibt es kräftigen Applaus und „Auf geht’s Schalke, kämpfen und Siegen“, als die Mannschaft vor die Kurve tritt.

Ähnlich formuliert es Thomas Reis in der anschließenden Pressekonferenz: „Ich habe eine Mannschaft gesehen, die alles investiert und die Zweikämpfe angenommen hat. … Ich fand die Reaktion sehr gut, auch wenn das Ergebnis ein wenig wehtut. Wir müssen mit dem 0:0 leben, auch wenn wir gehofft haben, dass der eine oder andere Ball noch reinrutscht. Wir haben gegen einen sehr guten Gegner gespielt. Ich bin froh, dass die Mannschaft intensiv gearbeitet hat. Das ist der Weg, den wir weiter gehen wollen. Wir brauchen mehr Punkte, aber die Art und Weise war in Ordnung.“