Schalke – HSV 1:3: Emotionale Achterbahnfahrt für Schalkefans

Schalke – HSV 1:3: Emotionale Achterbahnfahrt für Schalkefans

24. Juli 2021 0 Von Susanne Hein-Reipen

Wechselbad der Gefühle auf Schalke: Bei der langersehnten Teilrückkehr der Fans in die Veltins.-Arena führt Schalke lange Zeit mit 1:0 gegen den HSV, muss sich aber nach zwei späten Toren am Ende mit 1:3 geschlagen geben. Weiteres Wermutstropfen: Kapitän Danny Latza wird bereits früh verletzt ausgewechselt. Susanne Hein-Reipen über einen denkwürdigen Abend auf Schalke…  

Endlich, endlich dürfen nach langen anderthalb Jahren Geisterspielen wieder Zuschauer dabei sein: 19.770 Fans erlaubt das königsblaue Hygienekonzept und so sieht man bei allerfeinstem Fußballwetter überall glücklich grinsende Schalker. Ein Bier, eine Bratwurst und viele Gleichgesinnte, herrlich!

Noch kein Normalbetrieb

Dass noch kein Normalbetrieb herrscht, schimmert trotzdem durch: Jeder Ticketinhaber hat genaue Anweisungen erhalten, wo er parken soll, welchen Eingang er zwingend nehmen muss und wann er die Arena betreten soll, um das Geschehen zu entzerren. Zudem gelten eine großräumige Maskenpflicht und der Nachweis der „3 G“: Nur genesen, getestet oder geimpft kommt man in den Tempel. Die reichlich vorhandenen Volunteers der Schalkecrew Bändchen verteilen nach dem Nachweis giftgrüne Bändchen, beim Sicherheitscheck gilt es neben dem Ticket auch den Personalausweis vorzuzeigen.

Endlich wieder im königsblauen Wohnzimmer

Das Betreten der Arena sorgt bei Vielen für eine dicke Gänsehaut. Wohl niemand, der im März 2020  nach dem 1:1 gegen Hoffenheim als Siebter der ersten Bundesliga die Arena verließ, hätte auch nur ansatzweise geahnt, dass er erst anderthalb Jahre mit Geisterspielen und einen schlimmen Abstieg später wieder hier aufschlägt…

Die Nordkurve ist (leider) bestuhlt, das Banner „Tausend Freunde, die zusammensteh’n, dann wird der FC Schalke niemals untergeh’n“ sorgt trotzdem dafür, dass das Herz schneller schlägt, als Quatscher Dirk und Maskottchen Erwin neben der Meisterschale der 2. Liga ans Mikrophon treten. Neben den üblichen Statistiken – die Heimbilanz spricht klar für Schalke, allerdings gab es das Traditionsduell noch nie in der 2. Liga – gibt es dieses Mal auch diverse Corona-Hinweise, auch die Mannschaften erscheinen zur Platzbegehung mit Masken.

Blau-Weiß das sind die Farben von ganz oben

Noch etwas Werbung für die beliebte Schalker Fußballschule, dann kommen die Torhüter auf den Platz und werden zu den Klängen von „Wir sind Schalker, keiner mag uns“ mit deutlichem Applaus empfangen. Beim Einlauf der Gäste zeigt sich, dass auch eine luftig gefüllte Arena erstaunlich kräftig pfeifen kann; die eigene neue Mannschaft hingegen wird begeistert begrüßt. Passend dazu gibt es „Blau-Weiß das sind die Farben von ganz oben“ von Ibo, der in diesen Tagen seinen 60. Geburtstag hätte feiern dürfen. Die Königin mit Schrammen im Gesicht…

Am Spielfeldrand laufen derweil zahlreiche Interviews für die Fernsehübertragung; neben Chefcoach Dimitrios Grammozis stellt sich u. a. auch Olaf Thon den Fragen. Jörg Seveneick befragt derweil Sportvorstand Peter Knäbel, dessen Stoßseufzer „endlich wieder Fans, wir haben Euch soooo vermisst!“ wohl jeder unterschreiben kann. Er dankt Sportchef Rouven Schröder und Grammozis, so schnell eine Mannschaft mit Identifikationsfiguren zusammengestellt zu haben. „Um Schalke zu verstehen, muss man mit Schalkern reden,“, dafür seien Buyo und Asa gute Übersetzer.

Auf geht’s in die Saison 2021/2022!

Beim Steigerlied ist auch ohne Vollbesetzung das nächste Hühnerfell fällig, auch das Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb‘ ich Dich“ wird mit viel Einsatz, aber ohne die bekannte große Blockfahne geschmettert. Es fehlen auch zahlreiche Zaunfahnen, aber über der Gegengerade erinnert ein Banner „Heaven is a halfpipe, RIP Basti“ daran, dass einer von uns diese Rückkehr nicht mehr erleben darf.

Fahnen satt mit den Logos aller Zweitligateams gibt es dann allerdings bei der folgenden kurzen Eröffnungsfeier. Während die Mannschaften auf das Spielfeld kommen, wird traditionell die königsblaue Aufstellung verlesen: Langer, Thiaw, Flick, Kaminski, Ranftl, Palsson, Ouwejan, Latza, Drexler, Bülter und Terodde bedeuten gleich 8 neue Gesichter.

Singen wir immer wieder blauweiße Lieder…

Noch eine Schweigeminute für die Opfer und Betroffenen der Hochwasserkatastrophe, dann rollt endlich wieder der Ball – und prompt branden Schalker Klänge auf. „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, ein Attacke!-Trompetenstoß und der Wechselgesang „Schalke! – Nullvier“ hallen durch die Arena.

Die Hausherren starten stark, insbesondere Dominick Drexler, gerade erst vor zwei Tagen verpflichtet, ist überall. Nach fünf Spielminuten gibt es dann auch die erste Chance zu bejubeln, doch Simon Teroddes Abschluss nach Vorarbeit von Marius Bülter und Danny Latza geht knapp vorbei. „Auf geht‘s Schalke schieß ein Tor“ und „Vorwärts FC Schalke, schieß ein Tor für uns…“ weisen gut gelaunt die Richtung.

Das Tor zählt!!!

Zwei Minuten später kommt der Ball über Drexler und Bülter erneut zu Terodde, der in den Startraum startet und Heuer Fernandes gnadenlos überlupft. JAAAAAAAAAAAAAAA….AAAA? Die Fahne ist oben, doch der VAR schaltet sich ein und entscheidet auf gleiche Höhe. Das Tor zählt, Schalke führt mit 1:0 (8.)! Erleichtert wird der Torjingle „Blau und Weiß ein Leben lang“ rausgebrüllt, dazu gibt es „Spitzenreiter, Spitzenreiter“-Rufe.  

Die Stimmung ist natürlich jetzt richtig gut, auch „Schalke ist die Macht“ und „Wir sind Schalker“ brandet kurz auf, dennoch zeigt sich: Ohne die vollbesetzte Nordkurve mit organisiertem Support versanden die Gesänge auch sehr schnell wieder. Ein Fehltritt von Latza, der sich im Duell mit Leibold das Knie verdreht und behandelt werden muss, sorgt für einen weiteren kleinen Dämpfer.   

Langer pariert Elfmeter und der Kapitän muss von Bord

Schalke agiert jetzt trotz der Führung verhaltener und bringt so die Hanseaten besser ins Spiel. Kinsombi versucht sich an einer glasklaren Schwalbe, bei der Schiedsrichter Timo Gerach sofort abwinkt, zum Leidwesen des Publikums aber auch keine Karte vergibt.

Rund zehn Minuten später fällt der Deutsch-Kongolese erneut mit viel Show im Strafraum- und dieses Mal gibt es Elfmeter, weil Florian Flick ihn berührt hatte. Glatzel tritt an, doch Michael Langer als Vertretung der an Corona erkrankten Nummer 1 Ralf Fährmann pariert den verzögerten Schuss souverän (28.). Jawoll!

Kurz darauf muss Latza doch humpelnd vom Feld, für ihn kommt Blendi idrizi. Die Binde geht an  Victor Palsson, der sofort das Kommando übernimmt und seine Kollegen dirigiert. Meffert stoppt Terodde mit einem beherzten Griff ans Trikot und sieht die erste gelbe Karte des Spiels.

Die nächste schöne Aktion gehört Bülter, der nach einem langen Kopfballvon Drexler David verlädt, doch sein Schuss landet leider am Außennetz (36.). Die Nordkurve stimmt kurz den Mythos vom Schalker Markt an; Florian Flick wird ebenfalls verwarnt. Je einen Freistoß für den HSV und Schalke später geht es inklusive drei Minuten Nachspielzeit mit der 1:0-Führung in die Pause.

Was bringt die zweite Halbzeit?

In der Pause gibt es die obligatorische Würstchen-Fanbox und Infos aus der Abteilung Fanbelange. Thomas „Kirsche“ Kirschner plaudert mit Dirk über Gebärdensprach-Service für Gehörlose, das Sommerferienprogramm der Knappenkids, das vergangene Trainingslager und eine Trikotversteigerung. Ein Gedenken an den viel zu jung verstorbenen Francesco, vielen Schalker als unschlagbar gut gelauntes Mitglied der S04-Crew bekannt, darf auch nicht fehlen.

Was bringt der zweite Durchgang sportlich? Grammozis verzichtet zunächst auf Wechsel, die Mannschaft kommt zu einem erneuten Attacke!-Trompetenstoß zurück auf das Feld. Die ersten Spielminuten sind ein offener Schlagabtausch mit leichten Feldvorteilen der Gäste. In der 52. Minute bringt Flick an der Strafraumgrenze Glatzel zu Fall – Freistoß. Zwar kann Langer den Schuss von Leibold mit einer starken Parade rauskratzen, doch Glatzel erwischt den Abpraller vor Thiaw und hebt ihn über Langer hinweg zum 1:1 ins Tor.

Zwei Minuten später heißt es erneut durchschnaufen, aber Jatta lupft knapp über das Tor (54.). Auf der Gegenseite hat Ouwejan eine Riesenchance, Schalke erneut nach vorne zu bringen, scheitert aber aus nächster Nähe an Heuer Fernandes (56.).

Späte Tore bringen Schalke auf die Verliererstraße

Florian Flick verlässt das Feld, für ihn kommt Timo Becker, der sich sofort auch nach vorne einbringt, doch weder Bülter (59.) noch Terodde können ihre Chancen verwerten: Erst scheitert der Torjäger mit einem Kopfball an Heuer Fernandes, danach prallt der Ball direkt zweimal an den Pfosten.

Das Spiel ist nun sehr schnell und spannend und steht einem Erstligaduell kaum nach. Beide Trainer bringen frische Leute, beim HSV ersetzen Heyer und Rohr Reis und Kinsombi, bei Schalke kommt Bleron Krasniqi von den Schalker Amateuren für Drexler, dessen kampfstarkes Debüt mit Applaus honoriert wird. Kurz darauf dürfen auch Kaufmann und Kittel für Glatzel und Wintzheimer, Bülter sieht Gelb wegen eines Fouls an Heyer. Schiedsrichter Gerach, nach Meinung vieler Zuschauer etwas zu kleinteilig an der Pfeife, bekommt einen Ball ins Gesicht, kann aber nach kurzer Zeit weitermachen.

Leider erweisen sich die Joker als Matchwinner für den HSV: Kittel zu Rohr, dieser bedient Heyer, dessen Linksschuss ins lange eck langer keine Chance lässt (86.). 1.2 aus Schalker Sicht, das hatte sich leider durch zunehmende Passivität abgezeichnet. Kann Königsblau trotzdem noch den Punkt retten?

Sie versuchen es jedenfalls, doch Keeper Heuer Fernandes rettet sowohl gegen einen Kopfball von Marcin Kaminski (88.) als auch Teroddes Abschluss nach der folgenden Ecke (89.). Schade! Stattdessen bringt der nächste Konter die endgültige Entscheidung, Jatta hat keine Mühe, Kittels mustergültige Vorlage zum 1:3-Endstand zu verwerten.

Was bleibt?

Die Enttäuschung über die späte Niederlage steht Spielern und Fans ins Gesicht geschrieben, dennoch bekommt die Mannschaft auf der Stadionrunde aufmunternden Applaus: So schade es ist, dass man schon wieder mit leeren Händen dasteht, gab es über die Dauer des Spiels doch zahlreiche gute und ausbaufähige Ansätze des neuformierten Teams. Und, vielleicht das Wichtigste: Die Mannschaft hat sich wirklich als Mannschaft präsentiert, auch wenn natürlich noch viel Arbeit und Abstimmungsarbeiten zu leisten sind.

Zu hoffen ist, dass Danny Latza nicht zu lange ausfällt – an dieser Stelle gute Besserung!