Schalke – Frankfurt 2:2: Grandioser Support und später Ausgleich lassen die Hoffnung leben

Schalke – Frankfurt 2:2: Grandioser Support und später Ausgleich lassen die Hoffnung leben

21. Mai 2023 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 und Eintracht Frankfurt trennen sich nach einem hitzigen Spiel unter einem streckenweise überforderten Schiedsrichter Schlager mit einem letztlich leistungsgerechten 2:2 (1:1). Nach dem Schlusspfiff gibt es aufgrund unsportlicher Provokationen der Frankfurter weitere Streitereien sowohl auf dem Rasen als auch den Rängen. Susanne Hein-Reipen berichtet…

„Oberrang alle in Blau, Unterrang alle in Weiß“ lautet das ausdrücklich vom Verein unterstützte Motto der Ultras Gelsenkirchen für ein geschlossenes Bild beim letzten Heimspiel – und weil die allermeisten Schalker dabei nur zu gerne mitmachen, stehen bereits am Freitag Tausende für die Choreoshirts an. Vor dem Spiel wird schnell klar: Weißer war die Arena nie!

Ganz in Weiß…

Neben den Choreoshirts werden weiße Trikots, Shirts aller Art, teilweise arg an die Figur des Trägers angeschmiegte weiße Pullis, das gute alte Feinripp-Achselshirt und sogar ein weißes Smoking-Hemd gesichtet. Ob sich die wenigen „Verweigerer“ angesichts dieser fantasievollen Kreationen nicht dumm vorkommen? In Block O macht eine Omma von 70+ in bestem Ruhrpottsprech einen halb so alten Typen nach allen Regeln der Kunst zur Schnecke, der in dunkelblau in den Unterrang möchte – kurz darauf trägt auch er das weiße Shirt des Vereins.

Quatscher Dirk Oberschulte-Beckmann fällt nach einem Motorradunfall aus, an seiner Stelle begrüßen Jörg Seveneick und Kai Regnitter die Zuschauer. Regnitter, normalerweise für Schalke TV zuständig, darf dann auch gleich ein Fanspiel mit einem hochklassigen 5:6 der Fanclubs „Sauerland Kreisel 04“ gegen die „Königsblaue Eichen Hagen“ moderieren.

Während sich die Torhüter warmmachen, geben unter anderem das „Walking Football“-Team und das Damen-Team Blau, souveräne Double-Gewinnerinnen, ihre Visitenkarte am Mikro ab. Die Mannschaften werden von den jeweiligen Fanlagern lautstark begrüßt, dann schallt aus dem ganz in schwarz gewandeten Frankfurter Block ein lautstarkes „Absteiger!“ herüber, natürlich sofort mit „Ihr seid nur ein H*rensohnverein“ übertönt. Geht doch nichts über einen liebevollen Empfang.

Blau und Weiß werd‘ ich für immer tragen

Die Heimstatistik ist mit 24 Siegen bei 8 Niederlagen und 15 Remis erfreulich, was kommt heute hinzu…? Die Aufstellung der Gäste ist schnell abgehandelt, nur beim Ex-Lüdenscheider Götze werden die Pfiffe lauter. Viel wichtiger ist das Steigerlied, lautstark rausgebrüllt, während die Spieler noch auf dem Platz sind.

Anschließend folgen weitere gegenseitige Komplimente von Absteiger bis Eintracht-Schweine, die Nordkurve grüßt die Freunde aus Twente und Nürnberg und stimmt „Stadion geh’n im Pappbecher Bier“ und „Hier regiert der S 04“ an. Wieder versucht der Frankfurter Block mit „Wenn wir wollen, schlagen wir Euch tot“ zu provozieren, wird aber von dröhnend lauten „Scheiss Eintracht Franfurt! Wir singen Scheiss….!“ mundtot gemacht. Das Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ kann dann störungsfrei und mit vollem Stimm- und Schaleinsatz genossen werden.

Zum Einmarsch der Mannschaften gibt’s die königsblaue Aufstellung – in der Startelf stehen Schwolow, Matriciani, Jenz, van den Berg, Brunner, Kral, Krauß, Karaman, Zalazar, Skarke und Terodde – und ein riesiges Spruchband „Blau und Weiß wird‘ ich für immer tragen“ am Oberrang der gesamten Nordkurve. Optisch geht der „blaue“ Oberrang allerdings hinter dem weißen Meer unten ein wenig unter. Die Gästekurve hüllt sich hinter „Sportgemeinde Eintracht“ ganz in Schwarz.

Blitzstart nach Maß durch Terodde

Dann rollt der Ball – und wie! Nach wenigen Sekunden holt Tuta Karaman von den Beinen, Zalazar schlägt den fälligen Freistoß schwungvoll von links in die Mitte, dort steht Terodde goldrichtig und vollstreckt nach gerade einmal 47 Sekunden per Kopf zum 1:0. Wie geil ist bitte dieser Start? Die Wogen der Begeisterung schlagen hoch.

Und Schalke bleibt tonangebend, lautstark unterstützt von der Nordkurve mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ und „Für deine Farben leben und sterben wir“. Sow sieht für zu rigoroses Einsteigen gegen Zalazar die erste Gelbe des Spiels (6.), Jenz setzt einen Zalazar-Freistoß per Kopf knapp rechts am Tor vorbei (15.).

Insgesamt haben die Schalker die Gäste gut im Griff, trotzdem steht es plötzlich 1:1 (22.): Vorangegangen war ein Ballverlust von Brunner gegen Lenz, der über Buta und Kolo Muani bei Kamada landet, dessen Abschluss Schwolow unter sich durchrutschen lässt. Klarer Fall von Kacktor, aber der eingeschaltete VAR befindet, das Ding zählt trotz Lenz‘ recht rabiatem vorangegangenem Einsteigen.

Gelbe Karten im Dutzend billiger

Die Nordkurve schüttelt sich einmal kurz und steigt mit „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“, „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ und dem Wechselgesang sofort wieder in den Support ein.

Für Ärger beim Schalker Anhang sowohl auf den Rängen als auch der Bank sorgt in dieser Phase Kolo Muani, der bei jedem kleinsten Luftzug den sterbenden Schwan mimt. Asamoah und Reis regen sich über die Showeinlagen so auf, dass sie beide Gelb sehen, ihnen folgen Buta, der sich an Karaman klammert, Krauß wegen Haltens gegen Kamada – und Terodde, weil er sich über Krauß‘ Gelbe beschwert. Das ist bitter für den Torschützenkönig der zweiten Liga, denn es ist seine Fünfte und damit ist dieses Spiel seine letzte Ligapartie für Schalke – ein souveräner Schiedsrichter hätte hier vermutlich mehr Fingerspitzengefühl gezeigt. Terodde brüllt seinen Frust heraus und trommelt vor Wut mit den Fäusten auf den Boden.

Jeweils eine gute Chance für Frankfurt durch Kamada und Schalke durch Karaman später der nächste Aufreger: Jenz und Kolo Muani geraten aneinander, der Frankfurter jammert wieder herum, es bildet sich ein ansehnliches Rudel und der überforderte Schiedsrichter Schlager dekoriert wieder beide mit dem gelben Karton, damit ist auch der gerade erst zurückgekehrte Jenz leider in Leipzig zum Zuschauen verdammt.

„Bitte unterlasst das Abbrennen von Pyrotechnik“

Nach drei Minuten Nachspielzeit geht es mit dem 1:1 und Applaus in die Kabinen, Schlager und Schwolow müssten angesichts der Halbzeitgespräche eigentlich die Ohren klingen. Die Protagonisten in der Fanbox bleiben ungebrochen optimistisch; für die Abteilung Fanbelange talkt Thomas Kirschner über den Museumstag, an dem auch das Schalker Museum mit einigen Sonderaktionen teilnimmt, den Knappenkidstag, B2Run Gelsenkirchen für Schalkemitglieder und das kommende Auswärtsspiel in Leipzig.

Zum Wiederanpfiff plakatiert der Gästeblock „Europapokalsieger der Randale 2023“ und unterstreicht das Motto mit fetten schwarzen Rauchtöpfen, Bengalos und Raketen, die teilweise am Arenadach abprallen und die angrenzenden Blöcke der Südkurve erschrecken. Die immer gleiche monotone Durchsage von „Sicherheitssprecher“ Esser „Bitte unterlasst das Abbrennen von Pyrotechnik“ interessiert die Frankfurter Chaoten natürlich genauso wenig wie die Schalker, die gelegentlich einzelne Bengalos in der Nordkurve entzünden. Braucht man wirklich einen eigens installierten Sicherheitssprecher, um stereotyp einen Satz zu wiederholen…?

Auf dem Rasen gehen beide Mannschaften weiter sehr engagiert zu Werke, van den Berg rettet vor dem einschussbereiten Kolo Muani zur Ecke (52.). Als erster Wechsel kommt Drexler für Skarke (55.), die Nordkurve supportet mit „Auf geht‘s Schalke schieß ein Tor“, „Gelsenkirchen-Schalke“ und „Schalke, ich bin für Dich geboren“.

Schalke muss einem Rückstand hinterherlaufen

In der 59. Minute dann der Schock: Nach einer abgewehrten Ecke gibt die Schalker Abwehr Götze und Toure zu viel Raum, der Malier kann unbedrängt zu Tuta passen, der ebenfalls weitgehend ungestört zum 1:2 trifft. Sch…

Sofort ertönt „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Immer wieder S 04“. Knauff ersetzt Lenz, wenig später muss Krauß angeschlagen für Latza Platz machen (65.). Ein Freistoß von Zalazar von halblinks liegt deutlich zu hoch (67.), auf der Gegenseite blockt Jenz einen Schuss von Kolo Muani (68.). Ein schöner Distanzschuss von Kral nach Vorarbeit von Terodde geht haarscharf am linken Eck vorbei (72.), dann verlässt Kapitän Rode für Lindström den Rasen, Trapp übernimmt die Binde und klärt kurz darauf vor Karaman.

Der nächste Aufreger folgt auf dem Fuße: Matriciani grätscht hart aber fair Buta ab, vor der fälligen Ecke meldet sich der VAR. Während das Publikum gerade Schaum vor dem Mund bekommt, befindet Schlager aber bereits, dass es keinen Elfmeter gibt (77.). Danach bringt Chefcoach Thomas Reis mit Mohr und Polter für Zalazar und Terodde noch zwei frische Offensivkräfte für den Endspurt.

Joker Polter trifft

Das Spiel wogt weiter hin und her, musikalisch unterlegt mit den „Asozialen Schalkern“ und immer wieder „Steht auf“. Frankfurt-Coach Glasner nimmt mit zwei weiteren Wechseln (Dina Ebimbe für Buta und Borré für Kolo Muani) weitere wertvolle Sekunden von der Uhr, die Schalker in der mit 61.575 Zuschauern natürlich ausverkauften Arena raufen sich die Haare – und dann naht die Rettung:

Matriciani erobert sich mit hartnäckigem Nachsetzen den Ball am Sechzehner gegen Toure zurück und passt zu Mohr, der halbhoch in die Mitte flankt, wo Joker Polter die Kugel über die Linie zum 2:2-Ausgleich über die Linie drückt (85.). JAAAAAAA!

Schalke wirft in der verbleibenden Spielzeit plus fünf Minuten Nachspielen alles nach vorne, doch ein weiterer Treffer ist trotz einiger Vorstöße leider nicht mehr drin. Die letzte Aktion des Spiels ist eine gelbe Karte für Tuta wegen Fouls an Mohr, dann ist Schluss, es bleibt beim 2:2.

Schalke geschlossen, Frankfurt unsportlich

Durch diesen Punkt und das gleichzeitige 1:1-Remis zwischen Hertha und Bochum bleibt Schalke mit nunmehr 31 Punkten und -34 Toren vorerst auf Relegationsplatz 16, könnte aber im Falle eines Auswärtssieges der Stuttgarter in Mainz vom VfB überholt werden. So oder so: Die Entscheidung, wer Hertha direkt in die zweite Liga begleitet, wer in die Relegation kommt und wer der Bundesliga sicher erhalten bleibt fällt zwischen Bochum, Schalke unter Stuttgart erst am letzten Spieltag!

Als gemeinsames Ritual geht die Schalker Mannschaft natürlich wieder Richtung Nordkurve, die sie mit „Wir sind da, jedes Spiel ist doch klar“ und dem Banner „Wir werden siegen, weil wir die Guten sind“ begrüßt, doch mitten hinein in die Ansprache und das gemeinsame Einschwören auf das „Endspiel“ in Leipzig platzen die Frankfurter Spieler, die beim Auslaufen bis weit in den Schalker Strafraum laufen. Beim ersten Mal setzt es für diese Provokation „nur“ ein lautstarkes Pfeifkonzert, die Nordkurve macht mit „Auf geht’s Schalke kämpfen und Siegen!“ weiter im Text.

Beim zweiten Anlauf drängen sich die Frankfurter sogar zwischen Kurve und Mannschaft, die sich zur Ehrenrunde Richtung Gegengeraden anschickt, es bildet sich ein Rudel auf dem Feld, bei dem Trapp nur mit Mühe weggezerrt werden kann. Auf den Rängen folgen einige Frankfurter ihren unsportlichen „Vorbildern“ auf dem Rasen und klettern über die Plexiglasabsperrung in die Süd, um dort auf Schalker einzuschlagen. Sofort machen sich zahlreiche Ultras zur Hilfe auf den Weg, die Polizei trifft erst später ein, als bereits eine DRK-Mitarbeiterin durch Faustschläge der Frankfurter verletzt wurde. Feiger als auf Sanitäterinnen einschlagen geht es nicht mehr, ein extrem unschönes und unnötiges Ende eines spannenden Fußballnachmittags.

Für Schalke heißt es nun alle Kraft voraus Richtung Leipzig, leider ohne Jenz und Terodde, dafür wieder mit Bülter – und vielleicht Fährmann?