Schalke darf nicht mehr das Opfer bei Leihverträgen sein!

Schalke darf nicht mehr das Opfer bei Leihverträgen sein!

9. Juni 2020 0 Von Susanne Hein-Reipen

Jochen Schneider möchte, dass Schalke aufhört, „das Opfer der Bundesliga zu sein“. Susanne Hein-Reipen hat diesbezüglich auch an ihn einen dringenden Wunsch…

Leihgeschäfte sollen eigentlich eine Win-Win-Situation sein: Der Stammverein des Spielers erhält eine Leihgebühr, der Kicker selber bekommt in der Regel mehr Spielpraxis und der ausleihende Club hat vorübergehend einen Spieler zur Verfügung, den er sich nicht aus der Portokasse leisten könnte und kann ohne nennenswertes Risiko testen, ob dieser in die Mannschaft und das Spielsystem passt. Wenn das der Fall ist und der Stammverein den Spieler nicht unbedingt zurückhaben will, kann der ausleihende Verein die meistens im Leihvertrag enthaltene Kaufoption ziehen oder in erneute Verhandlungen eintreten.

Wer hat die besseren Karten?

Wer in diesen Vertragsgesprächen am längeren Hebel sitzt, hängt von mehreren Faktoren ab: Wie dringend braucht der Leihverein den Spieler, was kann er sich leisten? Ist der Stammverein auf das Geld angewiesen und möchte vielleicht einen Unruheherd loswerden oder einen teuren Spieler von der Gehaltsliste bekommen? Oder braucht er das Geld nicht und möchte sich den Spieler perspektivisch „warmhalten“? Und natürlich: Für welchen Club möchte der Spieler gerne auflaufen?

Schalke ist Leih-Meister

Der FC Schalke 04 hat in den vergangenen Jahren sehr rege von Leihverträgen Gebrauch gemacht. Alleine in der aktuellen Saison stehen zehn Schalker für andere Vereine auf dem Platz:  Ralf Fährmann (Norwich City/Brann Bergen), Mark Uth (1. FC Köln), Nabil Bentaleb (Newcastle United), Sebastian Rudy (TSG Hoffenheim), Steven Skrzybski, Bernard Tekpetey (beide Fortuna Düsseldorf), Cedric Teuchert (Hannover 96), Hamza Mendyl, Jonas Carls (Viktoria Köln) und Pablo Insua (SD Huesca). Auf der anderen Seite laufen Jonjoe Kenny (FC Everton), Jean-Clair Todibo und Juan Miranda (beide FC Barcelona) und Michael Gregoritsch (FC Augsburg) vorübergehend in Königsblau auf.  

Sebastian Rudy in königsblauen Zeiten (Foto: Hein-Reipen)

Vereine nutzen Schalkes Probleme aus

Was die Schalker Fans wütend macht: Insbesondere Marc Uth und Sebastian Rudy spielen bei ihren Leihvereinen sehr viel besser als auf Schalke – natürlich auch dem System geschuldet – und die jeweiligen Verantwortlichen wollen sie gerne behalten, aber nicht zu den festgeschriebenen Ausstiegsklauseln. Heldt und Gisdol betonen, wie super Uth doch beim FC eingeschlagen hat, hoffen aber auf ein „Entgegenkommen“ der Schalker und eine „vernünftige Lösung“, weil 10 Mio. Euro in Zeiten von Corona etwas viel seien.

Noch dreister ist die TSG Hoffenheim: Obwohl Sebastian Rudy nur noch 6 Mio. Euro kosten soll (wir erinnern uns: Vor nicht ganz zwei Jahren musste Schalke für ihn 16,5 Mio. Euro an Bayern München überweisen) und die Kraichgauer finanziell erheblich besser gestellt sind als Schalke, zogen sie die Kaufoption nicht und setzen ganz offensichtlich auf die finanzielle Notlage von Schalke, einen unwilligen – Rudy zog mehrfach öffentlich über Schalke her und möchte kategorisch nicht zurück – und teuren Großverdiener loswerden zu müssen. Eine ähnliche Taktik in kleinerem Rahmen fährt Hannover 96 mit Cedric Teuchert: Obwohl der 23jährige Angreifer Stammspieler bei den Niedersachsen ist, wollen sie die ohnehin niedrige Ausstiegsklausel von 1,5 Mio. Euro auf 800.000 Euro nach unten drücken.

Wir haben nix zu verschenken!

Es ist völlig legitim, dass jeder Verein versucht, für sich das Beste rauszuholen – aber Schalke muss ENDLICH Schluss damit machen, sich bei Vertragsverhandlungen über Leihspieler zum Opferlamm zu machen, nur um teure Kaderleichen von der Gehaltsliste zu bekommen! Viel zu oft wurden in der Vergangenheit bereits Spieler unter Wert abgegeben oder mit Ablösen und teilweiser Gehaltsfortzahlung an andere händereibende Vereine abgegeben, weil zu lange und viel zu hohe leistungsunabhängige Verträge geschlossen wurden.

Mark Uth in seinem ersten Testspiel für Schalke 04 (Foto: Hein-Reipen)

Wenn der Effzeh sich auf weniger Einnahmen in Zeiten von Corona beruft oder Hoffenheim 6 Mio. Euro für den Wunschspieler von Trainer Schreuder zu teuer finden, müssen Uth und Rudy eben aufs Berger Feld zurückkehren und sich entweder für Schalke den Allerwertesten aufreißen oder meistbietend anderweitig verkaufen lassen. Schalke hat nichts zu verschenken, schon gar nicht an unmittelbare Konkurrenten. Umgekehrt senken auch Everton oder Barca nicht die Ablösen für Kenny oder Todibo, die beide auf Schalke hervorragend eingeschlagen sind, weil Schalke gerade finanziell auf dem letzten Loch pfeift.

Kein zweiter Fall Streit

Jochen Schneider ist nicht um die Aufgabe zu beneiden, die Hinterlassenschaften seines Vorgängers zu versilbern, aber wenn er jetzt nicht hart bleibt, braucht Schalke es gar nicht mehr mit Ausstiegsklauseln zu versuchen, weil jeder weiß, dass Schalke leicht erpressbar ist, selbst wenn die Gegenseite den Spieler sehr gut brauchen kann. Gerade Uth könnte angesichts der leeren Kassen und der Schalker Sturmflaute auf der Position, die er in Köln spielt, durchaus auch Schalke weiterhelfen.

Auch Rudy kann sich überlegen, ob er wirklich zwei Jahre in das verhasste Gelsenkirchen zurückkehren oder nicht doch lieber die Verantwortlichen in Hoffenheim zum Beispiel durch einen teilweisen Gehaltsverzicht dazu bringen will, die geforderten 6 Mio. Euro zu überweisen. Für einen Spieler mit seiner Laufbahn und seinen Fähigkeiten kann es eigentlich keine Option sein, seinen Namen in einer Reihe mit Albert Streit als Paradebeispiel für „Verträge aussitzen“ zu hören.