Didi Schacht: „Ich werde Schalke mein Leben lang dankbar sein!“

Didi Schacht: „Ich werde Schalke mein Leben lang dankbar sein!“

29. September 2022 1 Von Susanne Hein-Reipen

Statt 90 werden es fast doppelt so viele Minuten, doch keine einzige ist langweilig: Der ehemalige Schalker Aufstiegskapitän Dietmar „Didi“ Schacht feiert seinen 60. Geburtstag mit Familie, Freunden und Fans bei einer unterhaltsamen Talkrunde auf Schalke. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Lange, viel zu lange mussten die Schalker coronabedingt auf die beliebte Gesprächsreihe „90 Minuten, ein Abend unter Freunden“ mit Jörg Seveneick verzichten, jetzt gibt es endlich eine Neuauflage: Didi Schacht, „Erfinder der Herz-Lungen-Grätsche“ wird 60 – und er ist der erste Jubilar, der wirklich an seinem Geburtstag „zum Anfassen“ da ist. Dafür gibt es von den rund 100 Schalkern erst einmal kräftigen Applaus und ein Happy-Birthday-Ständchen.

Kämpfer vor dem Herrn

Mit Peter Neururer und Ingo Anderbrügge („Didi, Du warst mein kämpferisches Vorbild!“) gratulieren zwei Weggefährten per Videobotschaft, dann gibt es einige augenzwinkernde Anspielungen auf die recht robuste Spielweise des Geburtstagskinds: „Kein Mensch, kein Tier, die Nummer 4“, „vorher hieß es Sechzehner, nach Didi hieß es Strafraum“ oder „der würde auch eine Kiste Bier aus dem Fünfer köpfen, um ein Gegentor zu verhindern“ sind geflügelte Worte.  Genau wegen dieses Einsatzes und dem Mut, sich auch nach schlechten Spielen den Fans zu stellen ist Dietmar Schacht immer noch sehr beliebt auf Schalke.

Nur folgerichtig heißt seine Autobiographie deshalb auch „Der Kämpfer“. Bereits die erste Episode, wie Didi, der viel lieber Daktari als die Sportschau geguckt hätte, nicht ganz freiwillig über das Kicken auf dem Hof und die E-Jugend des MSV Duisburg zum Fußball kam, sorgt für Erheiterung. Sein Bundesligadebüt feierte er übrigens gegen einen gewissen schwarzgelben Verein…

Sein absolutes Vorbild beim MSV war Enatz Dietz („ihm habe ich sehr viel zu verdanken“), obwohl er schnell selber zum Publikumsliebling avancierte („Didiiiii kann man halt gut brüllen“). Nicht so gute Erinnerungen hat er an Siggi Melzig („der schlechteste Trainer, den es in Deutschland je gab“) und zwei „unberechtigte!“ rote Karten innerhalb von nur neun Tagen. Insgesamt sind es nur drei rote Karten in 270 Profispielen geworden, denn „ich habe ja immer Ball UND Mann getroffen!“

Südkorea, Berlin, Bielefeld, Aachen, SCHALKE!

Schon früh in seiner Karriere kommt Didi Schacht mächtig rum: Nach einem geplatzten Engagement bei Hessen Kassel verschlägt es ihn für einige Monate zu Posco Atoms in Südkorea („ich bin der einzige südkoreanische Vizemeister hier!“), dann geht es weiter zu TeBe Berlin: „Wenn wir gewonnen haben, waren es die Berliner, bei Niederlagen waren es wir Wessis“.

Ein Jahr später holt ihn Horst Franz zur Arminia nach Bielefeld, dann zieht er weiter zur Alemannia aus Aachen – und von dort wechselt er gemeinsam mit seinem Freund Peter Sendscheid und Trainer Peter Neururer 1989 auf Schalke. 1990 klappt der Wiederaufstieg noch nicht, da sich die Mannschaft trotz häufiger Überlegenheit zu viele Blößen gibt und unter anderem gegen Preußen Münster und Fortuna Köln trotz Führung verliert, doch Schacht erobert mit seinem kompromisslosen Einsatz die Herzen der Schalker im Sturm und avanciert zum Kapitän. In der Folgesaison wird Neururer überraschend entlassen, nach einem kurzen Gastspiel von Klaus Fischer übernimmt Alexander Ristic („sehr speziell, aber er hielt sein Wort“). Der Aufstieg gelingt dann „im Bus“, Schacht wird nach der Saison zum beliebtesten Spieler der Saison gewählt. „Ich bin nach wie vor stolz, dass ich Kapitän der Aufstiegsmannschaft sein durfte!“

Der Körper macht nicht mehr mit

In der kommenden Saison macht der Körper dem eisenharten Kämpfer einen dicken Strich durch die Rechnung: Didi Schacht muss sich für das große Derby fitspritzen lassen – und spürt tatsächlich die Schmerzen nicht mehr, als sich das Parkstadion beim 5:2-Sieg über den großen Rivalen in ein Tollhaus verwandelt. Doch „am nächsten Tag bin ich nicht mehr aus dem Bett gekommen“, das Ende der aktiven Karriere ist da.

Didi bleibt dem Fußball jedoch treu und macht die Fußballlehrerlizenz, gemeinsam mit Norbert Elgert, Matthias Herget und Klaus Augenthaler. Das erhoffte und von Eichberg in Aussicht gestellte Engagement als Co-Trainer auf Schalke scheitert jedoch an Klaus Fischer, der sich für Jürgen Gehde entscheidet, weil er ihn länger kennt. Mittlerweile hat Didi Klaus verziehen, aber „ich war damals sehr enttäuscht!“

Didi und Litti: Freunde für’s Leben

Schachts Trainervita wird trotzdem noch bunter als die Spielerkarriere: Über den Wuppertaler SV und den FC Remscheid landet er als Cotrainer unter Ristic bei Fortuna Düsseldorf. Über TURU Düsseldorf geht es dann zurück zum MSV, erst als Jugendtrainer, dann als Co von Pierre Littbarski zu den Profis. Littbarski hatte noch selber gegen Schacht gespielt, der ihm sogar bei der Traditionsmannschaft androhte „Dich putz‘ ich weg!“. Littbarski erklärt grinsend „Typen wie Didi, Paul Steiner oder Jürgen Kohler haben Dich damals ohne Betäubung auf dem Platz operiert, aber man kann sich absolut auf ihn verlassen!“

Der gemeinsame Beginn beim MSV steht jedoch unter keinem guten Stern, denn sie sollen sieben Spieler, deren Vertragssituation problematisch ist, „raustrainieren“. Diverse 400m-Läufe mit zwei Medizinbällen unter dem Arm später hat Schacht seinen Ruf als Schleifer weg. Er wechselt nach Babelsberg und übernimmt dann als erster männlicher Exprofi überhaupt die Damen des SC Bad Neuenahr.

Littbarski („wenn mir Köln damals keinen Vertrag gegeben hätte, wäre ich heute wie mein Vater beim Finanzamt!“) wird unter anderem in Japan, Australien und dem Iran tätig. Bereits dorthin will er Schacht erneut locken, doch dieser trainiert gerade die Nationalmannschaft für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen und gibt ihm einen Korb. Die „Wiedervereinigung“ gibt es dann beim FC Vaduz, die sich in die Schweizer Liga eingekauft haben. Liechtensteiner, Schweizer und Deutsche werden sich jedoch nicht so richtig grün und so werden die beiden 2010 entlassen.

Überall mit ganzem Herzen dabei

Schacht, der danach noch den 1. FC Kaan-Marienborn, den SV Bergisch Gladbach 09, Hamborn 07, SV Straelen und den FSV Duisburg, ist mit seiner Karriere zufrieden: „Das Einzige, was ich nicht geschafft habe, ist Cheftrainer der ersten Liga zu sein, aber ich bin für alle meine Stationen dankbar!“ Das gibt kräftigen Applaus, ebenso wie für Littis Ergänzung „es geht nicht um die erste Liga, sondern mit ganzem Herzen dabei zu sein!“

Der Jubilar ist tiefenentspannt: „Schalke lebt man und liebt man, dafür werde ich mein Leben lang dankbar sein“. Wer ihm selber mal Hallo sagen oder die berühmte Currywurst nebst Sauce verkosten möchte, kann das jeden Dienstag zwischen 12 und 16 Uhr am Stölting Harbour in Gelsenkirchen tun. „Die Currywurst ist die geilste im Pott – und es macht einfach Spaß, mit Euch zu feiern!“

Nach diesem perfekten Schlusswort gibt’s noch einige dicke Dankeschöns des Geburtstagskindes und viele zufriedene Mienen: Das war wieder einmal Schalke, wie es leibt und lebt!