Schalke – Augsburg 0:3: Spielerischer und kämpferischer Offenbarungseid im Geisterheimspiel
24. Mai 2020Schalke bleibt nach der Niederlage beim BVB auch im Heimspiel gegen „Lieblingsgegner“ FC Augsburg torlos und geht verdient mit 0:3 unter. Susanne Hein-Reipen ist entsetzt über den blutleeren Auftritt ihrer Mannschaft.
Wenn am Samstag fast alle anderen Mannschaften für Schalke spielen und die Knappen es sonntags selber in der Hand haben, durch einen Sieg einen ordentlichen Schritt nach vorne zu machen – in diesem Fall an Freiburg und Wolfsburg vorbei wieder auf Rang 6 -, stellen sich langjährigen Schalkern schon die Nackenhaare auf. Aus leidvoller Erfahrung wissen sie: Steilvorlagen versemmeln ist eine Schalker Königsdisziplin.
Hinzu kommt, dass auch die Heimbilanz gegen den FC Augsburg klar für Schalke spricht; sechs Siegen in der Veltins-Arena stehen nur zwei Remis und bislang keine einzige Niederlage gegenüber. Hält diese Serie auch im ersten Geisterspiel der Arenageschichte oder gibt es nach der Derbyklatsche eine weitere Blamage? Die Formkurve beider Mannschaften in der Rückrunde ist erschreckend schwach.
Gregoritsch darf gegen seinen Stammverein ran
Chefcoach David Wagner nimmt gegenüber dem Spiel beim BVB drei Änderungen vor: Für die angeschlagenen Jean-Clair Todibo (Sprunggelenksprobleme) und Amine Harit (Innenband) beginnen Alessandro Schöpf und Rabbi Matondo, dazu darf Michael Gregoritsch (für Benito Raman) gegen seinen eigentlichen Club ran. Offenbar hofft Wagner, dass die FCA-Leihgabe in diesem Spiel besonders „brennt“. Die Startelf stellen somit Schubert, McKennie, Nastasic, Serdar, Gregoritsch, Matondo, Caligiuri, Kenny, Oczipka, Sané und Schöpf, die Dreierkette weicht wieder der Viererkette.
Düstere Wolken über der Veltins-Arena und gähnend leere Ränge im Inneren sorgen für eine unheilschwangere Stimmung. Dort, wo sonst 60.000 treue Schalker ihre Mannschaft anfeuern, sind nur einige wenige stumme Banner wie die Zaunfahnen des Fanclubs Rheinland und der Königsblauen Eichen Hagen übriggeblieben. Auch David Wagner wirkt sehr angespannt.
Mehr Schweigen war noch nie
Die Mannschaften kommen zeitversetzt aufs Spielfeld und stellen sich mit gebührendem Abstand am Mittelkreis zu einer Schweigeminute für die Opfer der Corona-Pandemie auf. Mehr Schweigen war noch nie…
Das Spiel beginnt mit gegenseitigem Abtasten. Eine leicht verunglückte Flanke von Gregoritsch segelt nahe am Augsburger Kasten vorbei, die anschließende Ecke bringt nichts ein. Im Gegenzug verliert McKennie den Ball, Schöpf stoppt den Augsburger Vorstoß durch ein Foul an Khedira. Den fälligen Freistoß aus rund 25 Metern Torentfernung hebt Löwen millimetergenau über die Schalker Mauer in die linke Ecke. Schubert, dem die Sicht verstellt war, kommt um Sekundenbruchteile zu spät, um das 0:1 zu verhindern (6.). Ein denkbar ungünstiger Beginn – und keine Nordkurve am Start, die sofort lautstark „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid!“ einfordert.
Schalke versucht sich wieder zu berappeln, aber Augsburg hält, nötigenfalls auch per Foul, dagegen. Vargas kassiert gegen Caligiuri die erste Gelbe der Partie, Löwen kommt für einen fiesen Tritt gegen Sané ungeschoren davon.
Matondo als Lichtblick
Mit zunehmender Spieldauer erspielt Königsblau sich mehr Ballbesitz, ohne zu wirklich zwingenden Chancen zu kommen. Bei einem halbwegs gelungenen Vorstoß von Schöpf steht Matondo leider klar im Abseits (15.); gleiches passiert Gruezo auf der Gegenseite. Ein Distanzschuss von Serdar segelt über die Latte (25.)
In der 27. Spielminute sorgt Matondo für die bis dato beste Szene der Partie, als er auf links Freund und Feind davonläuft und nach innen zieht, dort jedoch leider in Luthe seinen Meister findet. Der Augsburger Keeper bewahrt die Nerven und kann den Ball mit dem Fuß parieren.
Kurze Zeit später will Matondo erneut den Turbo anwerfen, steht aber wieder im Abseits. Eine Hereingabe von Gregoritsch wird von Uduokhai geklärt, eine Flanke von Oczipka pflückt Luthe runter, bevor Gregoritsch einköpfen kann (38.). Der FCA tut noch weniger für das Spiel nach vorne, eine Ecke von Ex-Schalker Max verpufft im Nirwana (40.). Ein weiterer Vorstoß von Matondo endet bei Richter, auf der Gegenseite entschärft Schubert einen Schuss von Niederlechner. Die letzte Aktion ist eine Flanke von Kenny in den Augsburg Strafraum, die von Jedvaj geklärt wird, dann geht es mit 0:1 in die Kabinen.
Geht da noch was?
Die Statistiken sehen Schalke in puncto Ballbesitz und Passquote klar vorne, dafür ist Augsburg mehr gelaufen und gewann 52 % der Zweikämpfe. Wenn die Hausherren das Spiel umbiegen wollen, müssen sie eine ordentliche Schüppe drauflegen.
Beide Teams starten personell unverändert in die zweiten 45 Minuten, McKennie bringt mit einem suboptimalen Pass Nastasic in Bedrängnis. Kurze Zeit später kann Niederlechner über links nahezu unbedrängt in den Strafraum spazieren, doch Schubert ist auf dem Posten. Serdar wird unterdessen am Spielfeldrand an der Wade behandelt, kann aber zunächst weitermachen, läuft jedoch sichtlich unrund und sackt schnell wieder zusammen. Wagner schickt für ihn Fan-Liebling Ahmed Kutucu auf den Rasen (55.). Beim FCA kommt Sarenren Bazee für den ebenfalls angeschlagenen Vargas.
Oczipka verspielt den Ball, doch Schubert schnappt sich den folgenden Schuss von Richter (61.). Im Gegenzug kommt Schöpf zum Abschluss, doch sein Schuss wird geblockt. Kurz darauf rauscht ein Fernschuss von Caligiuri rechts an Luthes Kasten vorbei. Schubert entschärft einen weiteren Schussversuch des agilen Richter.
Schalke läuft die Zeit davon, Augsburg trifft
Das Spiel ist jetzt zumindest etwas lebendiger als in der ersten Halbzeit, doch wirklich zwingende Chancen bleiben Mangelware.Ein Foul von McKennie an Niederlechner knapp 20 Meter vor dem Tor führt zu einem Freistoß, aber Max überwindet zwar die Mauer, nicht jedoch Schubert, der den Ball wegfaustet (69.). Beim FCA kommt der Ex-Schalker Moravek für Löwen.
Eine von Caligiuri hereingebrachte Ecke landet auf dem Scheitel von Gregoritsch, doch der insgesamt souveräne Schiedsrichter Stegemann pfeift Stürmerfoul. Danach darf Youngster Mercan für den arg unkonzentriert wirkenden McKennie ran (74.) – doch auch er ist kurze Zeit später machtlos, als ein Abwehrversuch von Sané ebenso verunglückt wie die folgende Grätsche von Kenny und Joker Sarenren Bazee Schubert mit einem Schlenzer ins rechte obere Toreck keine Abwehrchance lässt. Das 0:2 in der 76. Minute.
Wagner versucht es jetzt mit der Brechstange und bringt Nassim Boujellab (für Caligiuri) und Benito Raman (für Matondo), Augsburg tauscht Gruezo gegen Oxford und Niederlechner gegen Cordova. Die Körpersprache der Spieler in Königsblau lässt aber leider bereits erahnen, dass hier und heute gar nichts mehr geht. Im TV ist zu sehen, wie Clemens Tönnies, der einsam und mit Maske auf der Tribüne hockt, sichtlich angefressen etwas in sein Smartphone hackt.
Eine ganz bittere Pille
Die letzten Spielminuten gehören noch den Gästen aus der Fuggerstadt, doch mehrere Vorstöße von Max verfehlen das Tor von Markus Schubert. Schalke findet offensiv schlicht nicht mehr statt, in einem Heimspiel – selbst, wenn es ein Geisterspiel ist – gegen einen deutlich schwächer platzierten Gegner ein Armutszeugnis. Was wohl die Nordkurve zu diesem spielerischen und kämpferischen Offenbarungseid sagen würde…?
Mit Beginn der Nachspielzeit trifft Cordova sogar noch zum 0:3, nachdem Mercan der Ball versprungen war und der Augsburger Joker alleine auf Schubert zugelaufen war. Schalke verbleibt somit auf Rang 8 – doch das ist alleine der guten Hinrunde zu verdanken, denn die Rückrundenbilanz ist mit nunmehr 9 sieglosen Spielen und 2:22 Toren in Folge die eines Absteigers. Was ist nach dem so gelungenen Start mit dem 2:0 gegen Gladbach passiert, dass die Mannschaft so auseinanderfällt? Und vor allem: Wie soll es weitergehen?!?