Schalke 04 und der Big-Points-Fluch: Tabellenspitze in der Nachspielzeit vergeigt und trotzdem gefeiert

Schalke 04 und der Big-Points-Fluch: Tabellenspitze in der Nachspielzeit vergeigt und trotzdem gefeiert

6. Oktober 2019 3 Von Susanne Hein-Reipen

Gute Nachrichten vom Team Fanbelange

In der Fanbox gibt es den fast schon obligatorischen Heiratsantrag und etliche Promille zu bestaunen, dann kann Fanbeauftragter Thomas Kirschner gute Neuigkeiten verkünden: Dem Fan, der im Heimspiel gegen Mainz lange notärztlich versorgt und ins Krankenhaus gebracht werden musste, geht es deutlich besser, er konnte die Klinik bereits wieder verlassen! Daneben gibt es Einladungen zu den Gelsenkirchener Veranstaltungen der „Fußball-Kulturtage NRW“ und zum „Walking Football“-Turnier: Am 10. Oktober messen sich 12 Altherrenteams, darunter neben Schalke auch der FCN und Twente, in der Glückauf-Kampfbahn und würden sich über Zuschauer freuen.

Die Stimmung ist ungebrochen gut; niemand hatte erwartet, dass Köln sich widerstandslos zum Sterben hinlegen würde – und viele Fans hoffen darauf, dass die Schalker „Laktat-Junkies“ in den zweiten 45 Minuten mehr zusetzen können als die Gäste… Einige besonnenere Gemüter warnen davor, der möglichen Tabellenführung zu viel Bedeutung beizumessen.

Freuden-Eskalation in der 71. Minute

Zu Beginn des zweiten Durchgangs ersetzt Wagner den bemühten, aber nahezu wirkungslosen Uth durch Weston McKennie, Amine Harit rückt weiter nach vorne. Die Nordkurve begrüßt diesen Wechsel mit lautem Applaus und stimmt „Schalke und der FCN!“ an.

Die ersten Aktionen gehen mit zwei Ecken an die Gäste, dann versucht sich Caligiuri, angefeuert von „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ an zwei Abschlüssen, kann den Ball ebenso wie Guido Burgstaller aber nicht über die Linie bugsieren. Gleiches gilt auf der Gegenseite für Terodde, dessen Kopfball Nübel nur nach vorne abklatschen kann, wo er Daniel Caligiuri an die Brust und den Arm prallt. Nach kurzer Rücksprache mit dem Videoassistenten entscheidet Welz zu Recht auf „kein Handspiel“.

Zu den Klängen der Asozialen Schalker und „Von der Elbe bis zur Isar, immer wieder S 04“ darf Ahmed Kutucu für Caligiuri aufs Feld. Oczipka und Terodde kassieren gelbe Karten für Allerweltsfouls; Sané hingegen hat Glück, dass Welz ihn nach hartem Einsteigen gegen Skhiri nicht vorzeitig duschen schickt. Und dann fällt es, das ersehnte Tor: Oczipka flankt in den Strafraum, Sané verlängert und Serdar muss nur noch den Kopf hinhalten – das 1:0 in der 71. Minute! JAAAAAAAAAAA! Mannschaft und Fans eskalieren gleichermaßen und schreien ihre Freude über die erste Tabellenführung seit über neun Jahren hinaus, Screenshots der Blitztabelle sind der letzte Schrei.

…und kalte Dusche in der 90.+2. Minute

Nur 04 Minuten später hat Guido Burgstaller nach schöner Vorarbeit von Harit die Chance, auf 2:0 zu erhöhen und den Sack zuzumachen, aber „Burgi“ schießt Horn an. Der guten Laune in der Arena tut das keinen Abbruch, der Wechselgesang SCHALKE-NULLVIER wird ebenso genüsslich zelebriert wie eine weitere Auflage der „Asozialen Schalker“ und „Wer nicht hüpft, der ist Borusse“.

Köln gibt nicht auf und ermöglicht Schalke dadurch in der 88. Minute eine schöne Konterchance, die jedoch ebenso wie eine „Zweihundertprozentige“ durch Burgstaller, der den Ball völlig freistehend an den Pfosten setzt (89.), vergeben wird. „Hoffentlich rächt sich das nicht!“ unkt ein Schalker…

…und in der 90.+1. Minute hätte es sich fast gerächt, aber Nübel rettet mit einem irren Reflex gegen Modeste – sollte Schalke tatsächlich den BigPoint-Fluch abgelegt haben?!

Die Antwort lautet leider NEIN, denn eine Minute später ist Nübel geschlagen, als Hector eine Kainz-Ecke in die Maschen köpft (90.+2.). Sch…ade. Das 1:1 ist auch der Endstand, obwohl Schalke in den verbleibenden 120 Sekunden noch einmal nach vorne marschiert.

Wir werden siegen, weil wir die Guten sind!

Doch wir Schalker sind vielleicht ein bisschen irre, aber wir sind nicht blöd: Wohlwissend, dass sich alle vor der Saison vor Freude darüber, nach sieben Spieltagen zu einer punktgleichen Spitzengruppe an der Tabellenspitze zu gehören, geschlossen eingenässt hätten, wird der Frust über die so spät hergeschenkte Tabellenführung sehr schnell auf ein vernünftiges Maß zurechtgestutzt. Als die Mannschaft sichtlich bedröppelt vor die Kurve tritt, wartet dort kräftiger aufbauender Applaus und das „Wir werden siegen, weil wir die Guten sind“-Banner für das nächste Heimspiel – das Derby!  

Beim Absackerbierchen sind sich alle einig, dass die Tabellenführung durchaus charmant gewesen wäre, aber die Gefahr beherbergt hätte, die ohnehin bereits sprunghaft gestiegenen Erwartungen auf ein ungesundes Maß zu schrauben, obwohl insbesondere die erste Halbzeit deutlich gezeigt hat, dass Schalke noch einiges zur Spitzenmannschaft fehlt. Schalke kann auch so mit dem bisherigen Saisonverlauf sehr zufrieden sein! 14 Punkte nach sieben Spielen ist ein glatter Zweierschnitt, der am Ende der Saison locker für das internationale Geschäft reichen würde.

Die Abfahrt von den Parkplätzen verläuft zäh, auch wenn die Kontrollen bzw. Kassierer noch nicht alle Lücken geschlossen haben. Vielleicht sollte Schalke das Procedere und den Bezahlvorgang noch einmal überdenken…  

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