Schalke 04 – Erzgebirge Aue 1:1: Schalke verschenkt zwei Punkte

Schalke 04 – Erzgebirge Aue 1:1: Schalke verschenkt zwei Punkte

14. August 2021 0 Von Susanne Hein-Reipen

Im Kumpelduell der beiden Vereine mit Bergbau-Tradition hat Schalke 04 lange die Nase vorne, am Ende steht jedoch eine 1:1 (1:0)-Punkteteilung. 20.126 Königsblaue und Veilchen haben trotzdem nicht nur beim gemeinsamen Steigerlied einen unterhaltsamen Abend. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Endlich sind auch auf Schalke wieder Gästefans zugelassen – und die 1.000 Tickets gehen in Aue weg wie warme Semmeln. Am Bierstand vor dem Clubheim auf dem Parkplatz P 7 stehen dann auch Kumpel unterschiedlicher Farben friedlich gemeinsam am Brett. Eine frische Hopfenkaltschale überwindet auch kleine sprachliche Unterschiede.

Happy Birthday, Veltins-Arena!

Wie bereits beim ersten Heimspiel gegen den HSV sind reichlich Volunteers rund um die Arena unterwegs, um die „3 Gs“ (Geimpft/Genesen/Getestet) zu checken und per giftgrünem Bändchen zu attestieren. Die Zeitfenster für den Einlass werden flexibel gehandhabt, allerdings entpuppen sich die meisten Fanshops als geschlossen; erst hinter der Haupttribüne werden Liebhaber des Spieltagsangebots fündig: Schal 10 Euro!

Weil der Tempel, pardon, die Veltins-Arena auf den Tag genau zwanzig Jahre alt wird – die Einweihung war am 13. August 2001 mit einem Blitzturnier gegen die Freunde vom 1. FC Nürnberg und die Nicht-Freunde aus Lüdenscheid-Nord -, haben Quatscher Dirk und Maskottchen Erwin einige Dönekes über die Heimspielstätte im Angebot: Rund 32 Millionen Menschen haben in diesen 20 Jahren die Arena besucht! Auch Ulli Potofski, Arena-Reporter der ersten Stunde und Johan de Kock, Eurofighter und als studierter Bauingenieur auch am Bau der Arena beteiligt, schauen vorbei. Und das königsblaue Wohnzimmer gefällt offenbar auch den Gästen aus Aue, schon bei der Platzbegehung machen etliche Spieler Fotos und Selfies.

Während sich die Mannschaften warmmachen, berichtet Sebastian Buntkirchen für Schalke hilft! über die Hilfe für die Flutopfer. Ihm zur Seite: Fünf Feuerwehrleute, die bis zur Erschöpfung im Einsatz waren und sich heute auf Schalke verwöhnen lassen dürfen.

Vereint im Steigerlied

Es folgt die Aufstellung der Gäste aus Aue: Männel, Carlson, Gonther, Bussmann, Strauß, Fandrich, Messeguem, Barylla, Nazarov, Gueye und Zolinski, dann ist es soweit: Gemeinsames Zelebrieren des Steigerlieds! Die Textversionen im Ruhrpott und im Erzgebirge mögen sich ein wenig unterscheiden, die Gefühle tun es nicht. Glückauf, Glückauuuuf… Während die Schalker ihre Schals schwenken, halten die Gäste ihre ausgebreitet in die Höhe und kreuzen die Arme zu den berühmten zwei Hämmern.

Das Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ ist dann natürlich Schalke-Sache, ebenso die Aufstellung der Königsblauen. Chefcoach Dimitrios Grammozis setzt auf Fährmann, Aydin, Thiaw, Kaminski, Ouwejan, Palsson, Zalazar, Mikhailov, Drexler, Terodde und Bülter – erstmalig in dieser Saison also mit einer Viererkette gegenüber dem sonst meist favorisierten 3 – 5 – 2.

Beide Mannschaften schwören sich im Kreis auf das Spiel ein; die Auer erinnern dabei ein wenig an die niederländische Nationalelf, denn vom Blau der Hausherren würde sich Lila nicht genug abheben, das gewählte Grellorange lässt hingegen keinerlei Zweifel aufkommen.

Erster Durchgang geht an Schalke

Die ersten zehn Minuten bestehen aus gegenseitigem Abtasten und einigen kleinen Vorstößen von Bülter. Beide Fanlager singen sich warm, „FC Schalke oléolé“ hier, „Wismut Aue“ da. Der Wechselgesang SCHALKE! – NULLVIER! zwischen Nord- und Südkurve kommt prima rüber, bei „Wer nicht hüpft, der ist Borusse“ machen auch die Auer mit. Wer will schon Borusse sein…?

Das Spiel wird zunehmend engagierter, Mikhailov bekommt einen Pferdekuss von Bussmann und muss kurz auf dem Platz behandelt werden (11.); kurz darauf sitzt Thiaw mit blutiger Nase etwas angeschlagen hinter dem Tor, kann aber weiterspielen. Die Nordkurve unterlegt das Geschehen mit den „Asozialen Schalkern“ und einem „Mythos vom Schalker Markt“, die Gäste kontern mit „Auswärtssieg!“

Danach sieht es aber zunächst nicht aus, Schalke kommt durch Bülter (20.), Mikhailov (21.), Drexler (22.) und Palsson (25.) zu Chancen, von Aue ist bis auf einen kurzen Konter über Gueye in dieser Phase offensiv wenig zu sehen. Und nach einer guten halben Stunde ist es so weit: Fehlpass Fandrich, der Ball kommt über Bülter und Terodde zu Drexler, der mit einem platzierten Rechtsschuss auch Männel überwindet und die verdiente 1:0-Führung erzielt (32.).

Schiedsrichter ans Telefon…!

Der Treffer wird natürlich gebührend mit dem Torjingle „Blau und Weiß ein Leben lang“ und „Der FC Schalke wird deutscher Meister…“ gefeiert, bis Schiri Dr. Robert Kampka die königsblauen Gemüter mit einer gelben Karte für Drexler erhitzt: Dieser hatte zwar Strauß weggeflext, doch gefühlt sitzt die Pfeife bei Schalker Aktionen viel lockerer als beim ebenfalls recht herzhaften Einsteigen der Veilchen. Messeguem beispielsweise kann von Glück sagen, dass sein gefährlich gestrecktes Bein gegen Mikhailov nur Gelb nach sich zieht.

Bis zur Pause spielt fast nur noch Schalke; honoriert mit „Hey, Schalke ist die Macht“. Thiaw bekommt Szenenapplaus, weil er Gueye elegant und regelgerecht vom Ball trennt. (44). In der dreiminütigen Nachspielzeit gibt es dann auch den ersten Torschuss der Gäste durch Nazarov, kein Problem für Ralf Fährmann.

Nach der überzeugenden Darbietung ist die Laune des königsblauen Publikums entsprechend gut; die Fanbox und die Neuigkeiten aus der Abteilung Fanbelange werden entspannt verfolgt. Thomas Kirschner bittet darum, nicht benötigte Tickets nicht verfallen zu lassen, sondern an den Verein zurückzugeben, damit andere Schalker in den ohnehin pandemiebedingt knappen Ressourcen auch die Chance bekommen, die Spiele zu besuchen.

Was bringt die zweite Halbzeit?

Schalke kommt deutlich vor den Gästen wieder auf das Spielfeld. Beide Mannschaften sind personell unverändert; unverändert ist zunächst auch der Schalker Vorwärtsdrang, doch Ouwejan und bei der folgenden Ecke Terodde treffen nicht ins Schwarze.

Der Support leidet wie bereits beim Auftaktspiel unter dem Fehlen der Ultras; es wird zwar viel königsblaues Liedgut wie „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Auf geht’s Schalke schieß ein Tor“ angestimmt, es versandet aber auch recht schnell wieder. Die Attacke! ist allerdings kernig wie eh und je.

Nazarov holt den bienenfleißigen Zalazar von den Beinen und sieht Gelb. Bülter versucht es einfach mal mit einem Fernschuss, da Aue-Keeper Männel bisweilen fast am Mittelkreis rumschwirrt, doch der Ball rauscht einige Meter rechts am Kasten vorbei. Auf der Gegenseite jagt Gueye nach Vorarbeit von Zolinski den Ball völlig frei meterweit über das Tor.

Später Ausgleich kostet Schalke zwei wertvolle Punkte

Grammozis ersetzt Aydin und Zalazar durch Becker und Idrizi (63.), bei Aue kommen Sijaric und Jonjic für Zolinski und Nazarov. Kurz darauf darf Flick für Mikhailov auf den Rasen. Dimitrios Grammozis coacht indes nonstop und brüllt sich an der Seitenlinie die Seele aus dem Leib; jeder Einwechselspieler wird mit persönlicher Ansprache auf das Feld geschickt.

Und Schalke bleibt zunächst am Drücker: Ein allgemeines Gewusel im Gästestrafraum, an dessen Ende Thiaw, Terodde, Gonther und Bussmann schimpfend auf dem Boden liegen, löst Schiedsrichter Dr. Kampka erneut zugunsten der Gäste auf. Aue-Coach Shpilevski bringt Härtel für Barylla; Fährmann dreht einen Konter von Sijaric um den Pfosten (77.).

Dann die Riesenchance auf das 2:0: Bülter geht an die Grundlinie durch und passt den Ball in die Mitte, wo Gonthers Abwehrschlag verunglückt und das Leder genau vor die Füße von Idrizi befördert. Dessen Schuss wird jedoch von Bussmann vereitelt; den Nachschuss von Ouwejan schnappt sich Männel (82.).

Und dann ist es passiert: Statt 2:0 steht es 1:1. Jonjic bedient Strauß, der den Ball flach in die Mitte befördert, so dass der mutterseelenallein am langen Pfosten herumspazierende Joker Härtel nur noch einzuschieben braucht (86.). Sowohl die Auer Spieler als auch die Gästekurve explodiert, auch Männel ist vorne; die Schalker hingegen sind frustriert, dass schon wieder eine Führung verspielt wurde.

Schritt für Schritt in die richtige Richtung

Der Treffer gibt der Gästekurve natürlich Auftrieb, bei Schalke fehlt die Koordination, auch supporttechnisch noch einmal alles nach vorne zu werfen. Pieringer darf noch einige Minuten für den erschöpften Drexler mitmischen – und in der Nachspielzeit gibt es zwar noch drei Freistöße für Schalke, doch das erhoffte zweite Tor will nicht mehr fallen.

Nach dem Schlusspfiff sind die Schalker Spieler sichtlich enttäuscht, während Aue begeistert den Punkt feiert – verständlich nach dem Spielverlauf, denn diese zwei Punkte hätten nicht aus der Hand gegeben werden müssen.

Trotzdem gibt es auch aus diesem Spiel einige positive Erkenntnisse: Schalke kann auch Ballbesitz und Viererkette – und Zalazar, Mikhaolov und Drexler machen Hoffnung auf Mittelfeldpower für die dringend benötigten Tore. Und: Schalke hat drei Spiele in Folge nicht verloren, das gab es zuletzt vor fast drei Jahren…