Kann Schalke die gute Ausgangsposition in die Winterpause retten?

Kann Schalke die gute Ausgangsposition in die Winterpause retten?

21. November 2019 0 Von Susanne Hein-Reipen

Nach einem Drittel der Saison mischt Schalke munter im oberen Drittel mit, einige „Baustellen“ gibt es dennoch. Susanne Hein-Reipen wirft einen Blick auf das bisher Gebotene und die bis zur Winterpause anstehenden Spiele.

Insgesamt stehen wir besser da als erwartet!

„Hey, insgesamt stehen wir viel besser da als erwartet!“ ist der wohl häufigste Satz in den Diskussionen der Schalke-Fans der letzten Monate. Unsere Stürmer treffen kein Scheunentor? Insgesamt stehen wir besser da als erwartet! Unnötige Punktverluste? Insgesamt stehen wir besser da als erwartet! Unsere Innenverteidigung ist ein großes Lazarett? Insgesamt stehen wir besser da als erwartet…

Das Schöne an diesem Mantra ist: Es stimmt. Wer vor der Saison prophezeit hätte, dass David Wagner mit der nur punktuell verstärkten Mannschaft, die in der letzten Saison bis auf wenige Ausnahmen durch Lustlosigkeit und Gruselfußball „glänzte“ und lange in Abstiegsgefahr schwebte, größtenteils sehr ansehnlichen Fußball mit Einsatz, schönem Pressing und zählbaren Erfolgen spielen lassen würde, wäre mitleidig angeschaut oder nach dem Kraut, das er raucht, gefragt worden.

Erfreuliche Zahlen und Fakten

Für Schalke stehen nach 11 Spieltagen 19 Punkte und 20:14 Tore zu Buche, damit befinden sich die Königsblauen punktgleich mit dem Erzrivalen aus Lüdenscheid-Nord auf dem siebten Platz, nur zwei Zähler hinter RB Leipzig auf Platz 2. Vor einem Jahr waren es zum selben Zeitpunkt nur 10 Punkte, eine negative Tordifferenz und satte 17 Punkte hinter den Schwarzgelben.

Und der schöne Aufwärtstrend ist bei weitem nicht nur darauf zurückzuführen, dass die Bayern schwächeln und zahlreiche Mannschaften hinter dem Überraschungstabellenführer aus Mönchengladbach zusammengerückt sind. Schalke war in zahlreichen Partien die klar bessere Mannschaft – und hat dabei phasenweise so schönen Fußball gespielt, dass sich viele Fans verwundert die Augen gerieben haben: Huch, sie können es ja doch – waren letzte Saison die untalentierten Zwillingsbrüder unterwegs…?

Souveräner Sieg in Leipzig

Die wohl größte Überraschung war der in jeder Hinsicht verdiente 3:1-Auswärtssieg beim bis dato ungeschlagenen Tabellenführer aus Leipzig, aber auch in zahlreichen anderen Partien dominierte Königsblau. In Drochtersen und Paderborn gab es jeweils fünf Tore zu bewundern, statt wie früher spätestens nach dem zweiten Treffer in den Verwaltungsmodus zu schalten. In Bielefeld gab’s eine Halbzeit Zauberfußball, in Augsburg eine starke kämpferische Leistung trotz Verletzungspech, VAR-Ärger und zweimaligem Rückstand. Auch in Hoffenheim und im Revierderby war Schalke lange Zeit die stärkere und spielbestimmende Mannschaft, auch wenn es am Ende nicht zu drei Punkten reichte.

Harit und Mascarell als große Gewinner

David Wagner hat bislang eine ganze Menge richtig gemacht auf Schalke und der Zombie-Elf der Vorsaison wieder Leben, Selbstvertrauen und Malochermentalität eingeimpft. Hinzu kommt ein klares System mit Viererkette und zwei defensiven Mittelfeldspielern – und eine eingespielte Grund-Stammelf, die in der häufigen Rotation unter Domenico Tedesco bisweilen schmerzlich vermisst wurde.

Den größten Sprung haben unter Wagner Amine Harit und Omar Mascarell gemacht, die auf ihren Positionen regelmäßig zu den notenbesten Spielern der ganzen Liga gehören und in der jetzigen Form nicht aus der Mannschaft wegzudenken sind. Mascarell glänzt mit exzellenten Zweikampf- und Passwerten und guter Spieleröffnung; Harit zaubert sich in der Offensivzentrale mit fünf Toren und zwei Vorlagen zweimal in Folge zum „Spieler des Monats“ und besten Schalker Scorer, obendrein wurde sein Hammer gegen Hertha mit großem Abstand zum Tor des Monats gewählt.

Amine Harit nimmt Maß (Foto: Hein-Reipen)

Verletzungspech in der Innenverteidigung

Stark spiel(t)en bislang auch Neuzugang Jonjoe Kenny, Suat Serdar und das Innenverteidiger-Duo Benjamin Stambouli/Salif Sané, die aber leider nunmehr beide mindestens bis zur Winterpause mit einem Bruch des Fußwurzelknochens bzw. einem Korbhenkelriss des Außenmeniskus‘ außer Gefecht sind. Stamboulis Spielintelligenz und Sanés Abwehrstärke wurden bereits beim Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf (3:3) bitterlich vermisst; das zweite und dritte Tor der Fortuna wären vermutlich gegen die beiden „alten Hasen“ nicht in dieser Form gefallen.

Die königsblauen Erfolgsaussichten bis zur Winterpause werden stark davon abhängen, ob es Wagner gelingt, die Lücke zu schließen. Ozan Kabak, der unlängst auch sein Debüt in der türkischen A-Nationalmannschaft feiern durfte, zeigt sehr vielversprechende Ansätze, zudem ist Matija Nastasic nach seinen Achillessehnenproblemen wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. Wenn das Duo Kabak/Nastasic hinten den Laden dichthält, kann auch Allrounder Weston McKennie, der gegen Düsseldorf mit eher überschaubarem Erfolg in der Innenverteidigung aushelfen, seine wertvolle Dynamik wieder auf der Acht einsetzen.

Wer beendet die Sturmflaute?

Die zweite große Frage ist, welcher Schalker Stürmer seine Torflaute am besten überwinden und die spielerische Dominanz und die herausgespielten Chancen in Tore verwandeln kann. Bislang ist die Bilanz sowohl bei Guido Burgstaller (10 Ligaspiele, 0 Tore, 2 Vorlagen) als auch Mark Uth (6/0/0) als auch Benito Raman (5/0/1) äußerst dürftig; Steven Skrzybski kam noch gar nicht zum Einsatz. Rabbi Matondo hat in seinen vier Einsätzen immerhin einmal ins Schwarze getroffen, ebenso Ahmed Kutucu.

Der deutsch-türkische Publikumsliebling feierte gemeinsam mit Kabak sein Debüt für die türkische Nationalelf und erweckte das Interesse anderer Vereine, weil er unter Wagner bislang nur zu sieben Kurzeinsätzen kam – doch Sportvorstand Jochen Schneider stellte unmissverständlich klar, es sei „völlig ausgeschlossen, dass wir Ahmed im Winter abgeben. Wir sind mit seiner Entwicklung total zufrieden. Er ist ein wichtiger Baustein unserer Mannschaft und fester Bestandteil unserer Zukunftsplanungen“. Viele Fans hoffen nunmehr, dass Kutucu bald auch über längere Zeit beweisen darf, was in ihm steckt.

Ahmed Kutucu hofft auf mehr Einsätze (Foto: Hein-Reipen)

Die Gegner: Unangenehm, aber nicht unschlagbar

Bis zur Winterpause muss Schalke noch in Bremen (A), gegen Union Berlin (H), in Leverkusen (A), gegen Frankfurt (H), in Wolfsburg (A) und gegen Freiburg (H) ran. Die gute Nachricht: Keiner dieser Gegner ist unschlagbar, die schlechte Nachricht: Selbstläufer sind auch nicht dabei. Die sicherste „Bank“ und eine kleine Punktspritze für die Heimbilanz dürfte noch das Heimspiel gegen Aufsteiger Union Berlin sein, auch wenn die Hauptstädter nach einigen Überraschungserfolgen der letzten Woche noch auf einer Euphoriewelle surfen.

In und gegen Bremen gab es in den letzten Jahren für Schalke eher wenig zu ernten, das könnte sich dieses Mal ändern: Die „Fischköppe“ sind in dieser Saison insbesondere defensiv durchaus anfällig. Leverkusen hingegen war in den letzten Spielzeiten meistens ein gutes Pflaster für Schalke. Die Werkself steht aktuell einen Punkt hinter Schalke, ist jedoch nur schwer auszurechnen.

Gegen Frankfurt taten sich die Knappen in der jüngeren Vergangenheit meistens schwer, zudem ist das verlorene Pokal-Halbfinale 2018 noch in schlechter Erinnerung. Da die Eintracht  ein direkter Konkurrent um den Einzug in das internationale Geschäft ist, wäre ein Dreier hier Gold wert für das Selbstvertrauen und die Tabelle. Ähnliches gilt für den VfL Wolfsburg, der sich immer knappe und umkämpfte Duelle mit Schalke liefert.

Das letzte Spiel ist das Heimspiel gegen den SC Freiburg, bislang die positive Überraschungsmannschaft der Liga. Hier wird Vieles davon abhängen, ob es Wagner gelingt, die Mannschaft taktisch auf seinen Kollegen Christian Streich einzustellen und die Konzentration aufrechtzuerhalten.

…und wenn dann noch die Schiedsrichter einen halbwegs vernünftigen Job machen und Handspiele für und gegen Schalke gleichermaßen pfeifen, steht einer guten Platzierung zum Weihnachtsfest kaum noch etwas im Wege!

Kann Schalke Weihnachten auch feiern…? (Foto: Hein-Reipen)