Fair, fröhlich, familiär: Schalke feiert 20:1-Schützenfest in Bottrop

Fair, fröhlich, familiär: Schalke feiert 20:1-Schützenfest in Bottrop

13. Juli 2019 1 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 hat einen Tor-Rausch und siegt vor ausverkauftem Haus auswärts beim weißen Ballett auch in dieser Höhe verdient mit 20:1. Klingt gut? Ist es auch, allerdings ist der Gegner nicht Real Madrid, sondern die tapfere Stadtauswahl Bottrop. Susanne Hein-Reipen über sportliche Fairness, lange Rüssel, Torjingles und ein sehr vergnügliches Schützenfest…

Dass die Begegnung gegen die mit Kickern aus den Bottroper Kreis- und Bezirksligamannschaften zusammengesetzte Stadtauswahl nicht unbedingt der ultimative Härtetest der Saisonvorbereitung wird, lässt sich vorher erahnen. Doch Bottrop ist Schalker Stammland und so pilgern doch 4.000 Fußballhungrige in das Jahnstadion, das nach dem großen Umbau im Jahr 2005 den Schwerpunkt eher auf Leichtathletik legt, unschwer zu erkennen an den professionellen Lauf-, Sprung- und Wurfanlagen und den aushängenden Stadionrekorden.

Bottrop feiert mit dem FC Schalke 04

Doch an diesem Abend steht das runde Leder im Vordergrund; während zwei örtliche E-Jugend-Teams das Vorspiel bestreiten, genießen die anreisenden Gäste die bundesligareif leckeren Würstchen. Auch ein kleiner Stromausfall, der vorübergehend die Pommesfriteusen lahmlegt, wird von den sehr charmanten ehrenamtlichen Helferinnen gutgelaunt überbrückt.

Helfer wie Bottroper Spieler tragen stolz „Bottrop feiert mit dem FC Schalke 04 – 12.07.2019“ auf dem Rücken, auch Trainer Marco Hoffmann und Oberbürgermeister Bernd Tischler heißen alle Zuschauer herzlich willkommen und betonen, wie sehr man sich über die berühmten Nachbarn freut. Erklärtes Ziel ist, einstellig zu bleiben…

Weißes Ballett gegen Königsblau

Als die Bottroper Spieler als „weißes Ballett“ zum Warmmachen rauskommen, gibt es kräftigen Applaus. Die Schalker Mannschaft macht es etwas spannender, kämpft sich dann aber auch gutgelaunt durch ein Spalier vom Bus bis auf den Rasen.

Anders als in Oberhausen, wo Chefcoach David Wagner in der ersten Halbzeit fast nur Profis und im zweiten Durchgang vornehmlich U 23-Kicker ranließ, fällt die Schalker Startelf dieses Mal gemischter aus: Es beginnen Michael Langer, Fabian Reese, Jonas Carls, Matija Nastasic, Sebastian Rudy, Levent Mercan, Sandro Plechaty, Marcel Langer, Steven Skrzybski, Benito Raman und Guido Burgstaller.

Einziger Wermutstropfen: Die Lautsprecheranlage ist zunächst völlig übersteuert und pustet den Zuschauern auf der hübschen kleinen Tribüne bei „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ fast die Trommelfelle raus. Auch Teamkoordinator Sascha Riether, der sich gewohnt sympathisch zum Interview stellt, ist vermutlich noch drei Häuserblocks weiter problemlos zu verstehen.

Er hat den Längsten

Erfreuliche kleine Randnotiz: Amine Harit, in der Vorsaison nach seinem Unfall und in Gesellschaft der mittlerweile bei den Profis aussortierten Bentaleb und Mendyl bisweilen ein Sorgenkind, scheint sich nunmehr stark an Benjamin Stambouli anzuschließen und macht sich an der Seite des designierten Kapitäns höchst gewissenhaft warm.

Nach Steigerlied und „Wir sind das Ruhrgebiet“ kommen die Mannschaften aufs Feld, begleitet vom Maskottchen des Bottroper Sponsors ELE, vielen Schalkern noch bestens bekannt vom gleichnamigen Soundcheck aus der Arena. Der ELE-fant glänzt dabei durch exzellente Laune, einen elvis-reifen Hüftschwung und einen superlangen Rüssel, gegen den der Grotifant vor Neid erblassen würde. Auch die Schalker Spieler tätscheln beim Shakehands grinsend die beeindruckende Nase.

Fair geht vor

Noch ein gemeinsames Foto, dann kann das Schützenfest beginnen – und wie! Nach gerade einmal zwei Spielminuten erzielt Steven Skrzybski das 0:1, zwei weitere Minuten später trifft Guido Burgstaller mit seiner ersten Bude aus der Drehung heraus zum 0:2. Auch das 0:3 (10.) geht auf das Konto des österreichischen Publikumslieblings.

Auffällig ist das faire Verhalten aller Akteure: Die Schalker sparen sich gegen den Underdog überschwängliche Jubelgesten und klatschen sich nur kurz ab; die Bottroper Spieler verzichten ihrerseits darauf, mangelnde Technik mit übertriebener körperlicher Härte wettzumachen und minimieren so das Verletzungsrisiko. Und das Publikum honoriert jede gelungene Aktion beider Teams mit anerkennenden Applaus: Als Bottrop nach gut 10 Minuten erstmalig nachhaltig die Mittellinie überschreitet, werden sie sofort lautstark bejubelt und auch von Schalkern angefeuert. Zwei Schüsse von Kilic werden jedoch sichere Beute von Langer, der ansonsten einen ziemlich ruhigen Abend verlebt.

Ene meine miste, es rappelt in der Kiste…

Das 0:4 erzielt dann nach einem Doppelpass mit Sebastian Rudy wieder „Burgi“ (15.), doch ausgerechnet der schönste aller Spielstände wird auf der Anzeigentafel (oder sagen wir: auf dem Anzeigentäfelchen) nicht angezeigt, denn kaum eine Minute später erhöht Benito Raman mit freundlicher Schützenhilfe des Bottropers Albert auf 0:5. Kurze Zeit später hat er einen weiteren Treffer auf dem Fuß, doch der Bottroper Keeper Große-Beck rettet mit einer sehenswerten Parade.

Das Publikum grinst sich einen, wie, schon 5 Minuten kein Tor mehr? Es kommt sogar noch dicker: Ecke und Freistoß für die Gastgeber, beides abgewehrt – aber dann haut Matija Nastasic das Leder per verunglücktem Rückpass zum 1:5 ins eigene Netz. Passend dazu ertönt der Bottroper Torjingle „Ene meine miste, es rappelt in der Kiste“, der Stadionsprecher scherzt, „Ha! Die Aufholjagd ist eingeleitet!“

Elf Tore im ersten Durchgang

Das hätte er offenbar besser nicht gesagt, denn jetzt geht es weiter Schlag auf Schlag: Skrzybski per Doppelpack zum 1:6 (31.) und 1:7 (33.), Burgi mit seinem 04. Treffer zum 1:8 (34.) und Sebastian Rudy per Foulelfmeter zum 1:8+1 (39.) schrauben den Spielstand rasch weiter in die Höhe.

Und es wird sogar vor dem Pausentee schon zweistellig: Das 1:10 erzielt Raman (40.), in Oberhausen noch mit einem spektakulären Fehlschuss am Start, das 1:11 mit einem schönen Lupfer wieder Burgstaller (45.), während sich der Schalker Torjingle „Blau und Weiß ein Leben lang“ langsam heiß läuft. Das Pausenfazit des Schalker Anhangs ist dann auch „Ey! Wir sehen heute mehr Tore als in der gesamten Rückrunde!“

Auch Mark Uth und Daniel Caligiuri auf der Tribüne verfolgen das muntere Schützenfest in bester Laune.

Heiter weiter

David Wagner wechselt wieder kräftig durch; für Michael Langer, Marcel Langer, Matija Nastasic, Levent Mercan, Fabian Reese, Steven Skrzybski und Benito Raman kommen Sören Ahlers, Benjamin Stambouli, Görkem Can, Jason Ceka, Rabbi Matondo, Amine Harit und Bastian Oczipka auf den Rasen. Das königsblaue Publikum vermisst dabei Ahmed Kutucu, der in Oberhausen die zweite Hälfte dominierte.

Die neuen Spieler müssen sich erst ein wenig sortieren, einige Minuten später schickt auch Bottrop mehrere frische Kicker ins Rennen – und Rabbi Matondo den ersten Warnschuss Richtung Tor.

Mit dem Treffer zum 1:12 (54.) steuert Burgstaller bereits sein sechstes Tor bei, das 1:13 erzielt Harit per Foulelfmeter (57.), weil Bastian Oczipka im Strafraum zu Boden gesunken war. Das 1:14 ist ein schöner Schuss in den Winkel von Rudy (60.), danach gibt es wieder einen bejubelten Entlastungsangriff der tapferen Bottroper. Das 1:15 erzielt Jason Ceka (64.), Burgstaller und Matondo lassen weitere Einschussmöglichkeiten liegen.

Gegen Bayern wären wir mit der Hälfte zufrieden…

Ab der 70. Minute dürfen dann auch Ahmed Kutucu und Omar Mascarell für Burgstaller und Rudy ran, in die Torschützenliste tragen sich zunächst wieder Harit zum 1:16 (72.) und Linksverteidiger Jonas Carls mit einem Doppelpack (80./82) ein.  Das 1:19 ist ein Kopfball von Görkem Can nach Oczipka-Ecke (85.), dann gibt es Szenenapplaus für eine schöne Parade von Josua Garz gegen Kutucu.

Eine Minute später hat dann Kutucu die Nase vorn und erzielt das 1:20 (87.). Weitere Treffer gelingen dem sichtlich heißen Youngster nicht, weil ein Bottroper Abwehrspieler einen weiteren Schuss von der Linie kratzt und ein „Wembleytor“ von der Unterkante der Latte zurückprallt. Die Zuschauer grienen sich einen und rufen den offenbar unvermeidlichen Frühgehern „watt, wenn das Spiel jetzt kippt?“ hinterher.

Das Spiel kippt – Überraschung! – nicht mehr, das 1:20 ist der Endstand. „Gegen Bayern wäre ich mit der Hälfte zufrieden“ scherzt ein beleibter Schalker beim Bierchen danach. Zufrieden sind auch David Wagner: „ Mir hat besonders gefallen, dass wir vom Anfang bis zum Ende diesen Hunger ausgestrahlt haben. Wir haben den Ball jedes Mal direkt wieder aus dem Netz geholt und sofort weitergemacht.“ und Sechsfach-Torschütze Guido Burgstaller. Seine Aussage „Es hat uns viel Spaß gemacht“ möchten die Schalker auch in der kommenden Saison gerne öfter hören…

Testspiel zwischen der Stadtauswahl Bottrop und Schalke 04 am 12. Juli 2019: Der Endstand (Foto: Hein-Reipen)