Braunschweig – Schalke 1:0: Gruselkick lässt treue Schalkefans verstummen
21. August 2023Nur neun Tage nach dem Sieg in der ersten Pokalrunde verliert der FC Schalke 04 das Zweitligaduell bei Eintracht Braunschweig nach einer über weite Strecken schwachen ersten Halbzeit mit 1:0 (1:0). Nach dem Schlusspfiff schweigt die Kurve, die zuvor unermüdlich supportet hat, die Mannschaft enttäuscht an. Susanne Hein-Reipen ist dabei…
Als Gästeparkplatz dient dieses Mal der Parkplatz eines schwedischen Möbelhauses im Gewerbegebiet am Braunschweiger Hafen. Nachdem die Busse die anreisenden Schalker einmal in Bewegung gebracht haben („der hält hier!“ – „nee, da“ – „ätsch, dahinten!“), klappt alles reibungslos, auch die mitfahrenden Polizisten freuen sich gemeinsam mit den schwitzenden Schalkern, als die Klimaanlage des Busses anzieht.
Hello again…
Am Stadion gibt’s dann ein DejaVu, in der einen Woche seit dem letzten Gastspiel hat sich nix verändert, die kulinarische Verpflegung ist immer noch okay – und auf den alkoholfreien Getränkenachschub sind zumindest die Busfahrer diesmal besser vorbereitet.
Vor der sengenden Sonne flüchten viele früh auf die Tribüne; die Südkurve ist noch komplett leer, so dass das große Banner „Mein Vater sprach vor vielen Jahren komm lass uns gehn ins Eintracht Stadion“ sichtbar ist. Auch die Begrüßung mit den vielen Statistiken ist unverändert freundlich.
Neue Spieler, neue Kurvenlieder
Beide Mannschaften werden vom jeweiligen Anhang freundlich empfangen, dann gibt’s die Schalker Aufstellung: Reis startet mit Müller, Ouwejan, Kaminski, Baumgartl, Tauer, Schallenberg, Tempelmann, Seguin, Karaman, Terodde und Lasme; die Nachwuchshoffnungen Kozuki, Ouédraogo, Kabadiya und Topp müssen zunächst ebenso auf der Bank Platz nehmen wie der wiedergenesene Ralf Fährmann.
Die Lautsprecheranlage der Hausherren ist dieses Mal nicht so gruselig laut, das gibt Raum für die Performance des neuen Kurvensongs:
„Wir war‘n bei Deinen Siegen da
An jedem schönen Tag
Wir fuhr‘n mit Dir nach Amsterdam
Istanbul und Prag…
War‘n bei Dir als es schwerer war
Und stiegen mit Dir ab
Die Liebe blieb und so auch wir
Für Dich und Deine Stadt!
Immer vor, immer vor, FC Schalke immer vor,
Immer vor, immer vor, FC Schalke immer vor!“
Die Textsicherheit ist noch ausbaufähig, aber das gute Stück auf die Melodie von „Auld lang syne“ hat auf jeden Fall Gänsehautpotential!
Ärger in Block 17 und ein Abseitstor
Nach der Aufstellung der Löwen performen der „Psycho Clan BS“ und die Ultras „You’ll never walk alone“, von den Schalkern mit ein paar verächtlichen Pfiffen garniert. Noch einmal kurz Gebrüll vom Band, dann marschieren die Mannschaften auf das Spielfeld und der Gästeblock legt los wie die Feuerwehr: „FC Schalke olé olé“, „Hurra hurra, die Schalker die sind da“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ übertönen das beliebte 1967er Video. Leichten Ärger gibt es auch im angrenzenden Block 17, wo Ordner alle Schalker auffordern, sichtbare Fan-Utensilien auszuziehen.
Auf dem Rasen bekommt Tauer bereits in der 3. Minute einen heftigen Tritt von Nikolaou ab und muss behandelt werden, den fälligen Freistoß von Ouwejan versenkt Karaman im Netz, doch der Torjubel erstirbt auf den Lippen des ungefähr 4.000 Köpfe starken Schalker Blocks, denn die Fahne des Linienrichters ist bereits oben.
Tauer muss leiden
Kurz darauf bekommt Tauer Kraußes Stollen gegen den Kiefer, macht jedoch sichtlich lädiert weiter, obwohl Matriciani sofort wieder beginnt, sich warmzumachen. In der Folgezeit geht es hin und her, die Keeper müssen allerdings nur selten eingreifen. Der Gästeblock unterstützt nonstop mit „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“, „Wenn wir uns‘re Stimmen heben“, „Stadion geh’n im Pappbecher Bier“ und „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“.
Tauer wird dann erneut zum Pechvogel: Nach einem Einwurf für Schalke leistet er sich einen Fehlpass, Ujah spritzt dazwischen und bedient Kaufmann, der Müller keine Chance lässt und zum 1:0 trifft (21.). Kurz darauf hat Ujah sogar das 2:0 auf dem Fuß, setzt das Leder aber links neben den Kasten. Dann folgt die erste Trinkpause, lautstark begleitet von „Schalalala Schalke 04“ und „Oho kämpft und siegt für uns“.
Nach einer halben Stunde keimt wieder Hoffnung auf: Karaman kommt auf links an den Ball und chippt ihn über Hoffmann hinweg, leider einige Zentimeter zu weit rechts (32.). Schade!
Frühe Wechsel bei S 04
Ivanov sieht Gelb wegen wiederholten Griffen an Teroddes Figur, diese Gelegenheit nutzen die beiden Fanlager für wechselseitige Nettigkeiten der Marke „Scheixxe 04“ und „Eintracht-Schweine“. Weitaus bitterer ist, dass Karaman mit Kniebeschwerden bereits vor der Halbzeit vom Feld humpelt, für ihn kommt Kozuki (39.). Bis zum Pausenpfiff plätschert das Spiel inklusive sechsminütiger Nachspielzeit und „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ und „“Schalke, ich bin für dich geboren“ so vor sich hin.
Bei den Halbzeitergebnissen der anderen Zweitligapartien gibt’s Applaus für die Führung der Nürnberger Freunde in Osnabrück; auch der in der Vorbereitung nach Braunschweig gewechselte Sidi Sané als „Losfee“ der Halbzeitverlosung wird freundlich begrüßt. Aus den Lautsprechern scheppert „Meine Liebe, meine Familie, mein Verein Eintracht Braunschweig“.
Thomas Reis war offensichtlich von der ersten halbzeit auch nicht angetan und bringt zu Wiederanpfiff untypisch früh gleich drei Neue: Matriciani, Ouédraogo und Drexler ersetzen den angeschlagenen Tauer, Tempelmann und Seguin. Musikalisch startet der Gästeblock mit dem Königblauen S04.
Und noch ein Abseitstor
Nach zwei fruchtlosen Vorstößen von Kozuki nimmt Matriciani plötzlich Fahrt auf und dribbelt sich auf rechts in den Sechzehner, steckt durch zu Terodde und der netzt ganz cool mit rechts zum 1:1 (53.) ein – leider befindet der VAR Minuten später erneut auf Abseits. Inhaltlich wohl die richtige Entscheidung, dennoch werden natürlich wieder Sprechchöre „Ihr macht unsren Sport kaputt“ und „Scheixx DFB“ laut.
Kozuki, Lasme und Terodde sind nun insgesamt offensiver unterwegs als in der ersten Halbzeit, können Hoffmann aber nicht ernsthaft in Bedrängnis bringen. Lasme muss lädiert runter, für ihn darf Kabadayi sein Debüt für Königsblau feiern (64.). Bei Braunschweig kommen in einem Dreifachwechsel Wiebe, Rittmüller und Philippe für Nikolaou, Marx und Torschütze Kaufmann.
Ouwejan an die Latte
Zu „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ vernascht Ouédraogo gleich vier Braunschweiger, wird dann aber kurz vor dem Strafraum von Behrendt umgesenst, es gibt Gelb und Freistoß – gefühlvoll von Ouwejan über die Mauer und auf die Querlatte gehoben (68.). Schade!
Die zweite Trinkpause singen beide Kurven durch, Matriciani grätscht Donkor gekonnt ab, Caliskaner ersetzt Gomez und Hoffmann rettet gegen Kabadayi, der einen erfreulich mutigen Eindruck hinterlässt. Auf der Gegenseite klärt Müller gleich zweimal gegen Philippe (78., 80.). Die Verkündung der „21.800 Zuschauer, ausverkauft“ wird prompt erwidert mit „Ohne Schalke wär‘ hier gar nix los“…“
Die letzte Großchance für Schalke entsteht durch eine Flanke von Kabayadi auf Terodde, dessen Kopfball Hoffmann nur unter Aufbietung seines ganzen Könnens über die Latte bugsieren kann (81.). Auch Philippe und Ujah treffen nicht, so dass es bis zum Ende der rund sieben Minuten dauernden Nachspielzeit spannend bleibt. Müller rettet noch einmal bravourös gegen Ujah (93.), dann wird dieser durch Decarli ersetzt. Ouédraogo verzieht den letzten Schuss, Behrendt sieht noch die Ampelkarte, weil er Kabadayi am Trikot stoppt, dann ertönt der Abpfiff. Die Braunschweiger Spieler sinken erschöpft, aber glücklich auf den Rasen, die Schalker gucken bedröppelt aus der Wäsche.
Die Kurve schweigt frustriert
Völlig klar: Mit diesem Ergebnis und mehr noch der Darstellung der ersten Halbzeit kann Schalke nicht zufrieden sein – und so setzt es nur eisiges Schweigen des Stehblocks, als die Mannschaft kurz vor die Kurve tritt, sich jedoch schnell wieder aus dem Staub macht. Wer den unermüdlichen Support der Fans selbst bei deutlichen Niederlagen, wenn die Mannschaft alles gegeben hat, kennt, weiß, was die Stunde geschlagen hat…
Reis („In der ersten Halbzeit haben bei uns die Basics gefehlt, was das Zweikampfverhalten anbelangt.) und Terodde zeigen sich nach dem Spiel durchaus selbstkritisch; aber damit die Stimmung nicht kippt, müssen im Heimspiel gegen Kiel eine sichtbare Reaktion und Taten folgen.