Braunschweig – Schalke 1:3: Hauptsache weiter!

Braunschweig – Schalke 1:3: Hauptsache weiter!

12. August 2023 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 setzt sich in der ersten Pokalhauptrunde nach frühem Rückstand dank cooler Chancenverwertung noch mit 1:3 (1:2) bei Eintracht Braunschweig durch. Die knapp 4.000 mitgereisten Schalker feiern ihre Mannschaft für den Einzug in Runde 2. Susanne Hein-Reipen berichtet aus dem Gästeblock…

Vor den Auswärtssieg haben die Götter die Anreise gesetzt und dabei stellt eine stundenlange Vollsperrung der A 2 wegen Bergungsarbeiten alle Reisenden aus dem Pott auf eine harte Geduldsprobe: Entweder in den kilometerlangen Stau einreihen oder mit dem Navi das Weserbergland erkunden. Etliche idyllische Örtchen und viele, viele Kühe später finden wir die Autobahn wieder.

Im Gästeblock nur bleifrei

Endlich in Braunschweig angekommen, streben die Schalker nach den unkomplizierten und freundlichen Einlasskontrollen Richtung Bierstand – oh Schreck, dort wird nur Alkoholfreies ausgeschenkt. Der Zentralrat der durstigen Auswärtsfahrer ist empört! Dafür überzeugt das Cateringangebot, vor allem die „Mantaplatte“ mit scharfer „Spezialwurst“ gefällt.

Das Stadion – die späteren 21.800 Zuschauer bedeuten restlos ausverkauft – ist für Schalker Augen putzig klein, besticht aber durch eine exzellente Akustik. Dauerbanner wie „Einmal Löwe – immer Löwe“ und „Wir sind Eintracht“ zeugen von der Verbundenheit der Heimfans mit ihrem Team. In der Südkurve sind mit dem „Psycho Clan BS“ und den Ultras zwei große Stimmungsblöcke erkennbar.

Die supportmäßig tolle Akustik entpuppt sich als Folter, als die Eintracht die Lautsprecher anwirft: Es ist so laut, dass sich nicht wenige Schalker die Ohren zuhalten. „Macht die verdammten Schallkanonen leiser!“ ächzt ein Schalker aus Wuppertal, doch es hilft nichts, mehrere Eintrachtlieder quälen die Trommelfelle.

Aufstellung à la Malocher

Beide Mannschaften werden von ihren Fans lautstark begrüßt, am Spielfeldrand vor dem Block stellen sich Gerald Asamoah und Thomas Reis den sky-Interviews. Der Stadionsprecher ist voller Vorfreude und stellt Schalke ausführlich vor, „obwohl die eigentlich jeder kennt“. Auch die Statistiken zwischen Teams werden in einem umfassenden Rückblick aufbereitet.

Reis hat sich für eine „arbeitsbetonte“ Startelf entschieden und beginnt mit Müller, Brunner, Baumgartl, Kaminski, Matriciani, Schallenberg, Seguin, Tempelmann, Drexler, Karaman und Terodde, dann werden auch die Auswärtsfans herzlich willkommen geheißen und es gibt einen weiteren Eintracht-Song: „Wann ist sie vorbei, diese Leidenszeit…?“ Über allem flitzt unermüdlich eine Drohne hin und her.

Nach der Aufstellung der Löwen folgt „You’ll never walk alone“, von den Schalkern in Kombination mit Gelb mit sehr mäßiger Begeisterung aufgenommen. Dafür wird’s beim Einmarsch umso lauter, „Hurra, hurra, die Schalker die sind da“ und „Schalke, ich bin für Dich geboren“ werden mit vereinten Kräften rausgebrüllt. Die Mannschaft spielt in den schwarzen Auswärtstrikots, Müller gibt den weißen Riesen.

Baumgartl bringt Müller in Nöte und Schalke in den frühen Rückstand

Beide Mannschaften gehen engagiert zu Werke, die ersten Minuten und der erste Abschluss gehen an die Hausherren, aber Müller pariert den Kopfball von Krauße (5.). Wenig später dürfen die Löwenfans aber jubeln, denn Baumgartl spielt einen viel zu kurzen „Rückpass des Todes“ auf Müller, der zwar noch den Schuss von Kaufmann, nicht aber den folgenden Heber von Ujah klären kann: 1:0 für den BTSV in der 12. Minute.

Die Schalker Elf auf dem Feld muss sich nach dem frühen Rückstand ein wenig sortieren, frenetisch angefeuert von den Gästeblöcken mit „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ und „Vorwärts FC Schalke, schieß ein Tor für uns“ – und dieser Auftrag wird prompt mit der ersten echten Torannäherung erfüllt: Freistoß Seguin, Ujah verlängert unfreiwillig und Karaman kann aus kurzer Distanz zum 1:1 abstauben (19.). GEht doch!

Bilderbuchtreffer von Seguin dreht das Spiel

Der königsblaue Anhang ist naturgemäß begeistert von dem in dieser Phase etwas glücklichen Ausgleich und startet eine lange Schleife von „S 04… nur mit Dir!“. Das Banner „Fußball gehört den Fans!“ der gegenüberliegenden Braunschweiger Ultras stößt ebenfalls auf Zustimmung.

Nikolaou grätscht Karaman um und sieht die erste Gelbe des Spiels, Tempelmann leistet technischen Support bei Schiedsrichter Ittrich, dessen Verkabelung in die Binsen zu gehen droht und Nikolaou bei zweiten Foul kurz darauf vermutlich vor einer frühen Ampelkarte rettet. Müller schnappt sich einen satten Abschluss von Marx (33.).

Das Spiel ist spielerisch nix für Ästheten, aber darauf kommt es im Pokal bekanntlich auch nicht an, getreu dem Hashtag #Gewinnerbleibt zählt nur das Weiterkommen und so supporten die Schalkefans unverdrossen mit der Attacke, „Auf geht’s Blau-Weiß, holt euch den Sieg für uns“, „Ob ich verroste und verkalke, ich gehe immer noch auf Schalke“ und „Wir kommen vom Berger Feld“ weiter.

Schallenberg und Kaufmann prallen übel mit den Schädeln zusammen und müssen beide kurz behandelt werden (39.), Drexler bekommt für eine starke Grätsche gegen Donkor auf der ungewohnten Rechtsaußenposition Szenenapplaus (41.). Der Schalker Routinier marschiert denn auch wenig später gemeinsam mit Brunner über rechts in den Strafraum, dieser legt klug auf den mitgelaufenen Seguin zurück – und dieser knallt den Ball präzise und unhaltbar zur 1:2-Pausenführung für Königsblau unter die Latte (42.). Zwei Ecken für Braunschweig in der Nachspielzeit bringen nichts ein.  

Oho, kämpft und siegt für uns

Die  Auswärtsfans können mit dem Halbzeitstand und der Chancenverwertung prima leben, die Löwen erfreuen sich zumindest am frühen Pokalaus des Lokalrivalen aus Hannover. Unter zusammengelegten Fahnen deutet sich derweil eine Pyroaktion der Heimfans an, die dann auch bei Wiederanpfiff die Südkurve in Gelb-Blau-Gelb verwandelt, dazu ertönt „Auf geht‘s Eintracht kämpfen und siegen“, von den Gästen ziemlich uncharmant kommentiert, bevor sie sich mit „Schalke nur Du alleine“, „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“, „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ und „Schalke ist die Macht“ wieder komplett der Unterstützung der eigenen Elf widmen.

Wie bereits im ersten Durchgang startet Braunschweig etwas druckvoller in die Partie, kann daraus aber keinen Profit schlagen, weil insbesondere Kaminski hinten bereinigt, was zu bereinigen ist. In der 60. Minute bringt Reis Lasme, der zuvor blendend gelaunt mit Buddy Ouédraogo auf der Bank flachste, für Drexler, der trotzdem noch das Kunststück fertigbringt, sich auf der Bank wegen Meckerns eine gelbe Karte abzuholen. Das gleiche Schicksal ereilt Griesbeck, der sich partout nicht von Karamans Klamotten trennen mag.

Nun bringt auch Braunschweig-Coach Härtel mit Caliskaner und dem Ex-Schalker Multhaup für Marx und Kaufmann frisches Personal, bei Schalke darf Latza für Seguin ran (71.). Lasme versemmelt eine wunderbare Vorlage von Karaman zur Entscheidung und hadert danach mit sich selber (74.) Musikalisch begleitet wird diese Phase durch „Wir lieben alle nur den FC Schalke“ und den neuen Kurvensong „Oho kämpft und siegt für uns/Schalke kämpft und siegt für uns/Spielt nach vorne und schießt ein Toooor!“

Latza macht den Deckel drauf

Mit Wiebe, Philippe und Endo (für Behrendt, Ujah und Gomez) stemmt sich Braunschweig noch einmal gegen die Niederlage, Polter und Mohr ersetzen Terodde und Matriciani; Tempelmann sieht Gelb für ein Foul an Multhaup (81.).

Karaman hat ebenfalls die Entscheidung auf den Fuß, verpasst jedoch frei vor dem leeren Gehäuse einen Querpass von Lasme knapp (87.). Stattdessen heißt es auf der Gegenseite kurz Atem anhalten, denn mehrere Fehlpässe bringen Multhaup und Philippe gefährlich vor Müller, aber der Schalker Keeper regelt (89.).

Die Nachspielzeit beträgt fünf Minuten – und die haben es noch einmal in sich. Zunächst darf Griesbeck nach einem Foul an Polter mit der Ampelkarte duschen gehen (90+2.). Dann gelingt Latza nach Zuspiel von Polter und unter leichter Assistenz von Eintrachtkeeper Hoffmann, die umjubelte Entscheidung zum 1:3 (90+4.) und in die höhnischen „Warum seid ihr H*ren so leise?!“-Triumphgesänge des Gästemobs hinein platzt noch eine Ampelkarte für Tempelmann, der kurz vor der Strafraumgrenze Endo umsenst.

Ergebnis stimmt, spielerisch weiter viel Luft nach oben

Unter „Wer holt den Pokal, wer holt den Pokal? Schaaaalke holt ihn wieder mal!“-Gesängen geht das Spiel zu Ende, Schalke zieht somit in die zweite Hauptrunde ein und darf auf weitere wichtige Einnahmen hoffen. Wie bereits beim Heimsieg über die roten Teufel gilt jedoch: Ergebnis hui, spielerischer Auftritt pfui oder zumindest stark ausbaufähig.

Der Freude der Auswärtsfans tut das jedoch in diesen Momenten keinen Abbruch und so wird die Mannschaft beim Gang vor die Kurve begeistert empfangen. Neben dem Pokal wird erneut „Unsere Fahnen weh‘n im Wind, weil wir deutscher Meister sind“ und „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ beschworen, bevor sich alle hinsetzen, um gemeinsam abzufeiern.

Die Marschroute muss weiterhin lauten: Zusammenhalt und Effizienz bewahren, spielerisch steigern, gerne direkt beim gleichen Duell an gleicher Stelle in der zweiten Bundesliga am nächsten Sonntag.