Schalke – Stuttgart 2:1: Schalke bejubelt drei BigPoints, ein Zaubertor und die Auferstehung
26. Februar 2023Nach zuletzt vier Nullnummern in Folge gelingt dem FC Schalke 04 beim frenetisch bejubelten 2:1 (2:0)-Heimsieg über den VfB Stuttgart der erhoffte Befreiungsschlag. Nach einer starken ersten Halbzeit ist im zweiten Durchgang wegen eines Patzers des ansonsten starken Keepers Fährmann noch einmal mächtig Zittern angesagt, aber nach dem Schlusspfiff hüpfen Nordkurve und Mannschaft gemeinsam völlig losgelöst herum. Susanne Hein-Reipen über einen aufregenden Abend auf Schalke…
Der Heimsieg der Herthaner hat noch ein Ausrufezeichen dahinter gesetzt, aber eigentlich wissen es alle Schalker auch so: Dieses Spiel MUSS gewonnen werden! Thema Nummer 1 beim Einstimmen ist denn auch die Frage, wer den Tor-Bann bricht.
Alle brennen auf das Spiel, nur einer fehlt
In der mit 62.271 Zuschauern restlos ausverkauften Arena dann eine ungewohnte Stimme am Mikro: „Quatscher“ Dirk Oberschulte-Beckmann fällt krankheitsbedingt aus, für ihn führt Kai Regnitter an der Seite von Jörg Seveneick durch das Vorprogramm. Im Fanspiel duellieren sich die Almeröder Tonstadt Knappen mit den Innersten Knappen Giesen, dann treten Olaf Thon, Lisa Goebel und Sebastian Buntkirchen mit Werbung für die königsblaue Traditionself und den neuen S 04 Historienkanal an. Ein Glückwunsch geht auch an die Schalker U 17, die durch einen 3:0-Auswärtssieg in Bielefeld vorzeitig ins Halbfinale der deutschen Juniorenmeisterschaft eingezogen ist. Auch die Schalker Damenteams ab der U 11 aufwärts laden interessierte Mädels zum Sichtungstraining ein.
Am Oberrang der Gegengerade hängt ein Banner mit der Aufschrift „Nie wieder Tönnies“, das für einige kontroverse Diskussionen im Publikum sorgt. Uneingeschränkten Applaus hingegen bekommt Thorsten Machelett, der mit seinen „Klutis Ennepetal“ die 55 km von Ennepetal zur Arena gelaufen ist – ein Spendenlauf zugunsten der Gelsenkirchener Obdachlosenhilfe „Warm durch die Nacht“, die Tina Krone gerne entgegennimmt. Dann wird kurz und schmerzlos die Aufstellung des VfB angesagt.
Außenverteidiger im Lazarett
Es ist ein Abendspiel, das heißt: Beim Steigerlied ist Licht aus und Emotionen an angesagt! Danach vertreibt sich die Nordkurve die Zeit bis zum Vereinslied mit dem Wechselgesang „Schalke!!!“ – „Nullvier!!!“ mit der Südkurve, alle sind bereit! Blau und Weiß, wie lieb ich Dich wird dann wie immer mit voller Kapelle und Schal- und Fahneneinsatz geschmettert.
Zum Einlaufen der Mannschaften gibt es die Schalker Aufstellung, durch zahlreiche Verletzungen unter anderem der gelernten Außenverteidiger Brunner, Ouwejan und Uronen muss Thomas Reis die zuletzt so kampfstarke Elf umbauen und stellt Fährmann, Aydin, Yoshida, Jenz, Matriciani, Kral, Krauß, Zalazar, Drexler, Bülter und Frey in die Startformation. Der Gästeblock formiert sich derweil in einer kleinen, aber feinen rot-weißen Auswärtschoreo unter dem Banner „Bad Cannstatt“.
Torjubel lässt die Arena erzittern
Nach dem Anpfiff ertönt sofort „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und die Jungs auf dem Rasen tun ihr Bestes: Frey (1.) und Zalazar (2.) starten Richtung Stuttgarter Tor, kommen aber nicht durch. Auch ein schöner Querpass von Bülter (3.) wird abgefangen; dann geht es hin und her mit vielen kleinen Nickligkeiten und Einwürfen. Die Nordkurve ist mittlerweile zu „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ übergegangen.
Aber dann: Laaaaanger Abschlag von Fährmann, Matriciani verlängert in den Lauf von Frey, der marschiert zur Grundlinie und schickt eine Bilderbuchflanke in den Strafraum, wo Drexler aus kurzer Distanz per Kopfball zum 1:0 vollendet (10.). JAAAAAAAAAAAA! Das Bier fliegt tief, auf der Bank rasten reis und Asamoah aus, weltweit kneifen sich Schalker, dass es tatsächlich noch Tore gibt, an denen der VAR nix zu meckern hat.
Das Tor befeuert die ohnehin blendende Stimmung in der Arena zusätzlich, die Stadt erstrahlt mit maximaler Lautstärke in Blau. Einen Patzer des ansonsten defensiv erneut bärenstarken Jenz nutzt Führich für den ersten Torschuss der Schwaben, der jedoch über den Kasten von Fährmann zischt. Jenz entschuldigt sich sofort für seinen Lapsus.
Bülter mit einem Zaubertor zum 2:0
In der Folgezeit kann Fährmann einige Vorstöße des VfB durch Endo und Führich vereiteln. Die Nordkurve performed unermüdlich weiter mit „Wir lieben alle nur den FC Schalke“, „Hier regiert der S 04“ und „Stadion geh’n, im Pappbecher Bier…“, aus dem Gästeblock weht gelegentlich „VfB, VfB!“ herüber.
Zalazar schickt einen schönen Fernschuss los, doch Bredlow taucht rechtzeitig ab (31.). Freys Folgeschuss wird von Ito geblockt, dann muss Bredlow wieder gegen Krauß ran (32.). Auch für Zalazars nächsten Volley ist der VfB-Keeper die Endstation (35.).
Aber dann: Frey zu Zalazar, der auf rechts Sosa vernascht und einen schönen Pass in die Strafraummitte schickt. Dort zaubert Bülter einen Hackentrick der Extraklasse aus dem Hut und vollendet mit der rechten Ferse zum 2:0 (40.). Wie geil ist dieses Tor bitte?!? In der Coaching-Zone macht Thomas Reis im weißen Hoodie mit Schalkelogo die Säge, sein Gegenüber Bruno Labbadia guckt recht angesäuert aus seinem feinen Zwirn.
Der Rest des ersten Durchgangs einschließlich einer Minute Nachspielzeit verläuft bis auf eine gelbe Karte für Kral wegen einer Grätsche gegen Haraguchi unspektakulär, die Nordkurve feiert die Führung mit „Ein Leben lang“, zur Halbzeit gibt’s lautstarken Applaus.
Könige der Auswärtsfahrer
Dementsprechend gut ist natürlich auch die Stimmung beim Pausenbier, verdiente 2:0-Führung gegen einen direkten Konkurrenten, Herz, was willst Du mehr? Auch die Fanbox versprüht Optimismus; für die Abteilung Fanbelange weist Thomas Kirschner noch einmal auf die Versteigerung der „Steht auf“-Sondertrikots hin und skizziert kurz das Anfragesystem für Auswärtstickets. Für die kommende Partie in Bochum – erstmals seit 2010 wieder ein Gastspiel an der Castroper Straße – gab es übrigens 14.000 Anfragen für nicht einmal 3.000 Tickets…
Schalke kommt personell unverändert wieder auf den Rasen, Labbadia tauscht Ito und Gil Dias gegen Zagadou und Coulibaly – und tatsächlich kommen die Gäste in den Folgeminuten mehrfach im Schalker Strafraum an, doch Fährmann rettet mit einem artistischen Übergreifen gegen einen Schlenzer von Sosa (51.). Mit Vagnoman für Anton kommt ein weiter frischer Akteur. Die Nordkurve registriert das Erstarken der Stuttgarter und fordert „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen!“, „Steht auf“ und „Immer wiiiieder S 04“.
Ohne Zittern geht es nicht
In der 63. Minute stockt dann allen Schalkern der Atem: Der bis dahin tadellose Fährmann lässt einen mittelprächtigen Fernschuss von Sosa durch seine Beine flutschen und es steht nur noch 2:1. „Was hat Ralle da nur geritten?“ ächzt ein junger Schalker in Block M. Die Nordkurve schüttelt sich einmal kurz und fordert sofort wieder alle Schalker zum Aufstehen auf.
Fährmann selber zeigt sich zumindest äußerlich unbeeindruckt und rettet wieder stark gegen Endo (66.), anschließend jagt Silas die Kugel aus nächster Nähe über den Kasten. Allen Fans ist klar, dass mal wieder Zittern und Zähneklappern angesagt ist.
Schalkes erster Wechsel ist Balanta für Krauß (66.), die in dieser Phase überschaubaren Entlastungsangriffe laufen meist über Zalazar, an dem sich Sosa eine gelbe Karte einfängt (70.). Die Kurve stellt sich natürlich lautstark und mit Anleihen auf dem Bauernhof auf die Seite ihrer Nummer 10, die auch den folgenden Freistoß mit Karacho Richtung rechtes oberes Eck zieht, aber Bredlow ist auf dem Posten (71.).
Wie lang können 20 Minuten sein…?
Die nächste Chance geht auf das Konto von Jenz, doch sein Kopfball geht knapp am Pfosten vorbei (72.). Reis greift nun zu einem Dreifachwechsel und schickt Latza, Terodde und Karaman für Zalazar, Bülter und Frey ins Rennen. Wir sind Schaaaaalker, asoziale Schalker…
Kurz darauf schöpft Labbadia das Wechselkontingent des VfB restlos aus; mit Tomas für Haraguchi und Pfeiffer für Führich steht nun eine mehr als offensiv ausgerichtete Gäste-Elf auf dem Feld. Gelingt es Schalke dennoch, die Führung nach Hause zu schaukeln…?
Die Blessuren häufen sich, erst humpelt Jenz, dann muss Drexler behandelt werden, schließlich rasseln Terodde und Tomas beim Kopfballduell mit aneinander und müssen kurz die Brummschädel begutachtet bekommen. Die Gästekurve hat derweil wohl auf einem Supermannheft geschlafen und stimmt „Deutscher Meister wird nur der VfB“ an.
Die Zeit vergeht gefühlt im Schneckentempo, Fährmann faustet einen von Drexler verursachten Freistoß weg (86.), dann bringen zwei Ecken für Schalke etwas Entlastung an Nerven und Uhr. Ein weiterer Freistoß der Gäste geht links am Tor vorbei. Doch es gibt fünf Minuten Nachspielzeit obendrauf…
Karazor sieht noch Gelb, Greiml (für Drexler) feiert ein Kurz-Comeback nach seiner Verletzungspause; Matriciani blockt gegen Zagadou und Mavropanos, Greiml wird ebenfalls noch verwarnt und es gibt eine allerletzte Ecke, viel zu flach – und dann pfeift Aytekin endlich ab.
Die Nummer 1 im Pott sind wir
Heimsieg, 3 Punkte, Anschluss an die anderen Kellerkinder geschafft, das freut nicht nur die Fans, auch Thomas Reis geht steil und schnappt sich Michael Frey, um mit ihm gemeinsam seine Freude rauszubrüllen.
Die Nordkurve skandiert „Sieg! Sieg! Sieg!“ und fordert ihre Helden, die der Bitte nur zu gerne nachkommen. Als die Spieler mit dem über alle vier Backen strahlenden Zalazar an der Spitze vor die Kurve treten, werden sie mit „Die Nummer 1 im Pott sind wir…“ empfangen – tabellarisch aktuell nicht ganz zutreffend, aber der Auftakt zu einer Ansage von UGE-Capo Dennis vor den beiden anstehenden Ruhr-Derbies.
Dann folgt wieder einmal ein inbrünstiger „Mythos vom Schalker Markt“ und die Ansage „Wer nicht hüpft, der ist Borusse, hey, hey“ – alle Spieler hüpfen wie die Hasen, also keine schwarzgelben U-Boote… Mit „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen“ wird die Mannschaft auf die Ehrenrunde verabschiedet.
Der FC Schake 04 lebt noch – und bereits am nächsten Spieltag könnte im direkten Duell der VfL Bochum überholt und so die ungeliebte rote Laterne abgegeben werden…!