Bochum – Schalke 0:2: Schalker rocken das Ruhrstadion und feiern den verdienten Sieg hart

Bochum – Schalke 0:2: Schalker rocken das Ruhrstadion und feiern den verdienten Sieg hart

5. März 2023 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 gewinnt das Auswärtsspiel in Bochum mit 0:2 (0:1) und beendet so die Auswärts-Negativserie und verlässt den letzten Tabellenplatz. Die knapp 5.000 mitgereisten Schalker Fans zelebrieren eine große Pyroshow unter dem Motto „Ruhrpott – Der Stolz einer Region“ und erobern das Ruhrstadion. Susanne Hein-Reipen ist heiser, aber happy…

Bochum und Schalke, das Straßenbahnderby birgt immer nachbarliche Rivalität, dieses Mal zusätzlich befeuert durch die enge Situation im Abstiegskampf und die Personalie Thomas Reis, der beim Hinspielsieg der Schalker noch auf der Bochumer Bank saß. Dementsprechend groß ist das angerückte Polizeiaufgebot, schon auf den Brücken der A 40 sind Mannschaftswagen postiert und auch rund ums Ruhrstadion und das Parkhaus lauert das Auge des Gesetzes. Immerhin fügen sich die Ordnungshüter farblich perfekt in das blau-weiße Szenario ein; sogar das Absperrband trägt die Farben des Tages.

Der Stolz einer Region: Hier regiert der FC Schalke 04!

Die Kontrollen am Gästeeingang sind fair, das kulinarische Angebot sehr überschaubar. Weil der Stehblock für die Gäste kaum größer ist als ein Hasenstall, knubbeln sich alle vom Ultra über das Knappenkid on tour bis zum Schalker Opa im Sitzblock. Gruppenkuscheln ist angesagt. Insgesamt ist das Ruhrstadion mit 26.000 Besuchern bis auf den letzten Platz ausverkauft. Über 14.000 Nachfragen nach Gästetickets standen nur 2.600 offizielle Tickets gegenüber – an dieser Stelle nochmal einen herzlichen Dank an den Spender meines Tickets!

Vor dem Block prangt ein großes RUHRPOTT-Banner, drinnen verteilen die UGE einheitliche Schals mit der Aufschrift „Der Stolz einer Region – Hier regiert der FC Schalke 04/R U H R P O T T/Wo Dein Herz und die Ehre Dein Handeln bestimmen“. Die Bochumer sind nicht ganz so konstruktiv unterwegs und versuchen, mit „Scheixxe 04“ und „Jeder Schalker ist ein H*rensohn“ zu provozieren, stoßen jedoch auf pure Missachtung der Gäste. Auch das wie gedopt herumhüpfende Maskottchen Bobbi Bolzer interessiert den Schalker Anhang nicht. „Wer nicht hüpft, der ist ein Schalker“? Wer zuletzt hüpft, hüpft am besten…

Von Bastarden und Müttern am Eierberg…

Pünktlich um 14.30 Uhr gibt der Stadionsprecher das Motto „das Spiel ist brutal wichtig für beide Seiten“ vor. Der Gästeblock begrüßt Ralf Fährmann und skandiert „Eure Mütter steh‘n am Eierberg“ und „Wenn wir wollen, schlagen wir euch tot“. Die Heimkurve entrollt derweil ein großes Banner „Durch Mut und Kampf für Stadt und Verein sollt ihr heute Sieger sein“. Nö.

Über die Pfandbecherspende für gute Zwecke und einen aus Sicht des Schalker Blocks reichlich provokativen Rückblick auf den 31. Spieltag 2007 kommen die Mannschaften zum Warmmachen auf den Platz, „Don‘t worry be happy“ aus den Lautsprechern entschärft die giftgeladene Atmosphäre aber nur minimal, denn die VfL-Fans entrollen ein weiteres Banner mit der Aufschrift „Wenn Du kein ehrenloser BasTaRd bist, wer dann?“ Offensichtlich haben die Fans den Verlust von Thomas Reis an den strahlkräftigeren Rivalen noch nicht verwunden.

Vom Band plätschert jetzt „Wir sind die Fans vom VfL“, die Schalker bemühen sich, das dickmaschige Netz vor dem Block ein wenig hochzurollen. Dann folgt die Aufstellung der Knappen – es beginnen Fährmann, Brunner, Yoshida, Jenz, Matriciani, Balanta, Kral, Krauß, Zalazar, Bülter und Frey -, doch die abschließende Ansage „Schalkes Trainer heißt Thomas Reis“ löst einen neuerlichen Trotzanfall im Heimblock aus.

Pyro und grandioser Support

Nach weiterer akustischer Belästigung mit „VfL wir steh‘n zu Dir“ und diversen gegenseitigen verbalen Liebkosungen („Scheixx VfL“) schwenkt der Gästeblock auf den königsblauen S 04 über, inbrünstig unter den Ruhrpottschals angestimmt. Die Aufstellung der Gastgeber und der unvermeidliche Grönemeyer müssen trotzdem noch sein, dann kommen endlich die Mannschaften auf den Rasen – und der Schalker Block verwandelt sich in ein lautstarkes Pyro-Flammen- und Rauchmeer. Olé olé…

Solchermaßen eingestimmt geht es nahtlos weiter mit „Schalke 04 für jetzt und alle Zeit“, „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“. Auch auf dem Rasen gehen die ersten Minuten an die ganz in Weiß gekleideten Schalker, doch Zalazars Abschluss liegt deutlich zu hoch (6.). Auf der Gegenseite geht die erste Möglichkeit an den Ex-Schalker Hofmann (7.). Fährmann klärt gegen Janko (10.), die folgende Ecke setzt Schlotterbeck neben den Kasten (11.). Riemann schnappt sich einen Schuss von Frey (14.).

Der Gästeblock ist äußerst lautstark unterwegs, von „Wir lieben alle nur den FC Schalke“ geht es über „Schalke, ich bin für dich geboren“ zum Klassiker „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ über – und siehe da, auf der Haupttribüne und Gegengeraden stehen so viele Menschen auf, dass der im Vorfeld markig angekündigte Stadionverweis für Schalker außerhalb des Gästeblocks sich als zahnloser Papiertiger erweist. So kann man sich auch blamieren.

Umjubelte Führung vor der Pause

Fährmann klärt mit breiter Brust gegen Antwi-Adjei (21.), dann entsteht aus einem ungeahndeten Foul von Masovic an Bülter ein kleines Rudel. Gelb gibt’s aber erst für ein vergleichsweise harmloses Foul von Krauß an Osterhage, was dem Schalker Anhang natürlich nicht gefällt. Dafür hat der Gästeblock die akustische Lufthoheit, als er sich mangels Bochumer Gegenwehr in einem Wechselgesang und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ übt, untermalt von einzelnen Bengalos, was natürlich den Stadionsprecher mit der ebenso eindringlichen wie vergeblichen Ansage „Bitte unterlasst das Abbrennen von pyrotechnischen Mitteln“ auf den Plan ruft.

Kurz vor der Halbzeit marschiert Asano zentral auf Fährmann zu, der zur Seite abwehrt, wo erneut Asano auftaucht, das Leder aber nicht unter Kontrolle bekommt (43.) Stattdessen eskaliert der Gästeblock: Zalazar flankt von rechts in den Strafraum, wo sich Riemann, Janko und Masovic gegenseitig behindern, so dass der ansonsten untadelige Keeper sich den Ball selber mit dem Arm ins Tor schubst. 0:1 in der 45. Minute, eine Führung auswärts zu einem glücklichen Zeitpunkt, das lässt den Gästeblock noch fröhlich weiterfeiern, als die Mannschaften längst in den Kabinen verschwunden sind.

Hänger zu Beginn des zweiten Durchgangs

In den zweiten Durchgang starten beide Teams zunächst personell unverändert und auch die Mütter stehen immer noch am Eierberg, bevor nach „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ wieder eine Dauerschleife von „Immer wieder S 04“ angestimmt wird. An der Seitenlinie brüllt sich derweil Thomas Reis, erneut im weißen „This is Gelsen“-Hoodie, die Kehle wund – lauter als die Heimkurve ist er allemal.

Nach ein paar kleineren und fruchtlosen Vorstößen des S 04 vornehmlich über Zalazar entwickelt sich ein intensiver Schlagabtausch im Mittelfeld, ohne dass eine der beiden Mannschaften daraus eine zwingende Chance kreieren könnte. Osterhage sieht Gelb, als erster Wechsel kommt Mohr für Balanta (60.), das Hin-und-her geht jedoch weiter.

Der Gästeblock swingt nun lautstark zu „Wir komm‘n vom Berger Feeeeld, Malocher ohne viel Geeeeld“, in der Heimkurve wird ein Banner „Von klein an legt er auf, willkommen in Bochum, Tom“ gezeigt. Stöger bedient Antwi-Adjei, der aus spitzem Winkel von der Strafraumgrenze abzieht, aber Fährmann ist zur Stelle (69.).

Bülter zum 0:2

Beide Trainer wollen nunmehr offenbar den im zweiten Durchgang etwas abgeflachten Kick wiederbeleben und bringen mit Broschinski und Osei-Tutu (für Asano und Janko) und Terodde für den unermüdlich rackernden Frey (72.) frisches Personal.  Wenig später kommt mit Ganvoula für Stöger noch der dritte Mittelstürmer, aber helfen tut es nicht.

Stattdessen befindet sich, unterstützt durch „Für Deine Farben leben und sterben wir“, Schalke wieder im Vorwärtsgang. Einen Kopfball von Terodde kann Riemann noch mit einer gelungenen Parade über die Latte lenken (78.), aber die folgende Ecke sitzt!  Zalazar führt flach aus, Bülter nimmt den Ball volley und schießt ihn durch das allgemeine Getümmel im Strafraum hindurch ins lange Eck. 0:2 (79.), im Gästeblock fliegt das Bier tief und die Pyros flammen auf.

Der vermeintliche 1:2-Anschlusstreffer der Bochumer wird wegen einer Abseitsstellung des Schützen Schlotterbeck vom VAR einkassiert, die Schalker Kurve kann das nur zu gut nachfühlen und stimmt das übliche „Ihr macht uns‘ren Sport kaputt“ an – aber nur kurz, denn auf dem Weg zum ersten Auswärtssieg nach 38 langen Erstligapartien klingt so ein Mythos vom Schalker Markt doch viel besser. Und „Schalke ist der geilste Club der Welt“ und „Die Nummer 1 im Pott sind wir“ gibt’s gratis obendrauf.

Auswärtssieg!

Auf dem Rasen passiert nicht mehr viel, Kunde ersetzt Osterhage, Förster sieht Gelb und Kaminski kommt für Zalazar, dann gibt es 04 Minuten Nachspielzeit. Die Schalker Kurve hat das gute Gefühl, dass hier und heute nichts mehr anbrennt und der Auswärtsfluch abgeschüttelt wird und wendet sich in liebevollem Gedenken dem nächsten Gegner zu: „Und ist der Feind gestorben…“ und „Wer nicht hüpft, der ist Borusse“ sind angesagt. Die letzte Ecke des VfL wird Beute von Fährmann, dann ist es amtlich:

Schalke gewinnt das kleine Revierderby und gibt somit die rote Laterne aufgrund der besseren Tordifferenz an den VfL ab. Mit Stuttgart, Hoffenheim, Schalke und Bochum haben jetzt gleich vier Mannschaften jeweils 19 Punkte, damit ist Schalke wieder mitten im Geschehen – wer hätte das vor sechs Wochen nach dem desaströsen 1:6 gegen Leipzig und satten sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz zu hoffen gewagt?

Die Begeisterung über nunmehr 6 Spiele ohne Niederlage ist denn auch groß, der Hohn für den geschlagenen Gegner auch: „Auswärtssieg!“, „Absteiger“ und „Ohne Schalke wär hier gar nix los“ streuen Salz in die reichlich vorhandenen Wunden der Bochumer. Dann wird gefeiert! Die Mannschaft stürmt vor die Kurve, gemeinsam wird der Erfolg zelebriert – davon könnten sich gewisse Mannschaften für ihre Meisterfeier auf dem Marienplatz noch etwas abgucken…

Auswärtssieg! Auch der BVB bekommt natürlich noch genüsslich sein Fett weg, dazu gibt es „Geh’n mit Dir auf jede Reise“ und „Wir sind da, jedes Spiel, ist doch klar“. Nach gut fünf Minuten Party will die Mannschaft winkend in der Kabine verschwinden, aber nix da: Die Kurve fordert ihre Helden zurück und zur gemeinsamen Siegeswelle.