Schalke macht wieder Spaß

Schalke macht wieder Spaß

6. September 2019 0 Von Susanne Hein-Reipen

Die erste Runde im DFB-Pokal und die ersten drei Spiele in der Bundesliga sind absolviert – noch zu früh für ein echtes sportliches Zwischenfazit, aber Susanne Hein-Reipen hat auf Schalke schon gute Ansätze entdeckt, um sich auf die weitere Saison zu freuen.

Der FC Schalke 04 ist mit einem ungefährdeten 5:0 beim SV Drochtersen/Assel in die zweite Hauptrunde eingezogen, wo mit Arminia Bielefeld ein nicht zu unterschätzender, aber schlagbarer Gegner wartet. In der Bundesliga steht Schalke mit 4 Punkten aus den ersten drei Spielen in der Tabellenmitte – das ist eine deutlich komfortablere Situation als vor einem Jahr zur gleichen Zeit, als die Mannschaft unter Domenico Tedesco mit fünf Niederlagen und teilweise indiskutablen Leistungen in die Saison startete. Doch nicht nur die Punktausbeute ist besser; auf dem Berger Feld mehren sich die Anzeichen, dass sich alle Schalker auf eine wesentlich erfreulichere Saison freuen dürfen.

Die Mannschaft tritt wieder als Einheit auf

Keine Frage: Zauberfußball hat das königsblaue Publikum noch nicht geboten bekommen – aber durchweg konzentrierte und über 90 Minuten engagierte kämpferische Leistungen. Beim SV Drochtersen/Assel sprang so ein Kantersieg heraus, wo sich das Team früher spätestens nach dem zweiten Tor auf Verwaltungsfußball beschränkt hätte. In Mönchengladbach, in den letzten Jahren nur selten ein gutes Pflaster für Schalke, wurde ein verdienter Auswärtspunkt geholt. Gegen Rekordmeister Bayern München und das Schiedsrichtergespann war zwar nichts zu holen, aber die Mannschaft steckte auch nach dem Rückstand nicht auf und wurde von der Nordkurve minutenlang gefeiert und wiederaufgebaut. Gegen Hertha gab‘s dann den erlösenden ersten Heimsieg seit fast sieben Monaten. Auch wenn die Chancenverwertung insbesondere von Burgstaller und Raman noch, nun ja, ausbaufähig ist und zwei Eigentore als „Dosenöffner“ her mussten: Schalke war gegen die alte Dame jederzeit Herr im eigenen Haus. 

Bereits nach vier Pflichtspielen zeichnet sich eine Stammformation für das von Chefcoach David Wagner favorisierte 4 – 2 – 3 – 1 ab, die nur punktuell geändert wird. Durch die Verkleinerung des Kaders und die Abgänge einiger unzufriedener Spieler ist die Mannschaft wieder näher zusammengerückt. Trainingskiebitzen zufolge ist die Stimmung trotz deutlich verschärfter Einheiten wesentlich lockerer als in der Vorsaison, die erlösenden Tore gegen Hertha bejubelten Feld- und Ersatzspieler gemeinsam.

Trainingsauftakt auf Schalke am 1. Juli 2019: David Wagner hat alles im Blick. Foto: Hein-Reipen

Kenny liefert richtig abMascarell blüht auf

Aus dem funktionierenden Kollektiv ragen bislang zwei Akteure heraus, bei denen das nicht unbedingt zu erwarten war: Everton-Leihgabe Jonjoe Kenny besetzt mit seinen erst 22 Jahren die Position des rechten Verteidigers so souverän, als würde er bereits seit Jahren mit Daniel Caligiuri dort malochen. Der wunderschöne Treffer zum 3:0-Endstand gegen Hertha und Standing Ovations waren der Lohn. Kleiner Wermutstropfen: Die Leihe ist zunächst auf ein Jahr befristet, eine Kaufoption gibt es nicht. Doch wer ihn mit leuchtenden Augen von den unglaublichen Fans schwärmen hört, weiß: Da könnte trotzdem etwas gehen…

Der zweite Gewinner ist Omar Mascarell, der im Vorjahr hinter Rudy, Stambouli und McKennie meistens nur dritte Wahl für die Position des Sechsers war, nun aber gesetzt ist und vor der Viererkette seine strategischen Stärken voll ausspielen kann. Auch Amine Harit genießt wieder das Vertrauen des Trainers.

David Wagner macht vieles richtig 

Apropos Trainer: David Wagner, wegen der fehlenden Bundesligaerfahrung zunächst von vielen Schalkefans ein wenig skeptisch beäugt, macht bislang vieles richtig. Um der verunsicherten Mannschaft neues Selbstbewusstsein einzuflößen, setzt er auf klare Ansagen und ein festes System statt häufiger taktischer Wechsel und Rotation. „Fachchinesisch“, Jammerei und Ausreden sind nicht Wagners Ding, auch in Pressekonferenzen („ich kann hier ja keinen Scheiß erzählen!“) gibt‘s Tacheles.

Bemerkenswert war Wagners Aussage vor der Saison, dass die Nordkurve die Art des Fußballs vorgebe, den er mit der Mannschaft spielen wolle: Mit Leidenschaft, Energie und Zusammenhalt, denn die Nordkurve sei das „konstant Herausragende“ auf Schalke. Um über 90 Minuten leidenschaftlich Fußball malochen zu können, zog Wagner das Training in Häufigkeit und Intensität deutlich an, was bereits in den ersten Spielen zu besseren Laufleistungen führte und hoffen lässt, dass konditionelle Einbrüche in der zweiten Halbzeit der Vergangenheit angehören. 

Fans „für jetzt und alle Zeit“ für Schalke und gegen den Rest der Welt

Ein sehr wichtiger und Hoffnung erweckender Faktor ist der wiedergewonnene unbedingte Rückhalt der Fans. Die blutleeren Auftritte der Vorsaison hatten die Leidensfähigkeit der treuen Anhänger auf eine harte Probe gestellt; mit dem Entzug der Nordkurven-Kapitänsbinde machte die Kurve deutlich, dass die Mannschaft die Schalker Tugenden vermissen ließ. Der erlösende Derbysieg und der Klassenerhalt mit Jahrhunderttrainer Huub Stevens heilte einen Teil der Wunden, der vor allem kämpferisch und defensiv klar verbesserte Auftritt in den ersten Saisonspielen tat seinen Teil dazu. 

Obwohl es im Vorfeld der Saison erbitterte Meinungsverschiedenheiten über die Aussagen des Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies gegeben hatte,  verzichtete die aktive Fanszene beim großen Fanmarsch zum ersten Heimspiel auf weitere Proteste und schrieb sich nur den Support der Mannschaft „für jetzt und alle Zeit“ auf die Fahnen. Auch nach der 3:0-Heimniederlage gegen die Bayern verlor die Kurve kein böses Wort, sondern baute die enttäuschte Mannschaft mit minutenlangen „Wir sind die Fans, die auch zu Dir steh‘n, wenn Du verlierst… Du bist mehr als nur ein Club, Schalke meine Sucht“-Gesängen wieder auf.

Die klare Benachteiligung durch das Schiedsrichterteam und teils krampfhaft das Negative betonende Medienberichte verstärken das „wir sind Schalker, keiner mag uns, scheixxegal!“-Gefühl, das Schalker selbst bei internen Streitereien gegen Angriffe von „außen“ noch näher zusammenrücken lässt.

Natürlich gibt es noch einige Baustellen auf Schalke; insbesondere das Offensivspiel und die Chancenverwertung müssen besser werden, obwohl trotz der Abgänge von Breel Embolo, Cedric Teuchert und Yevhen Konoplyanka aus finanziellen Gründen nicht mehr nachgelegt werden konnte. Guido Burgstaller und Benito Raman fehlt derzeit etwas das Zielwasser, Mark Uth braucht noch Zeit, um wieder richtig fit zu werden, Steven Skrzybski und Rabbi Matondo sind ebenfalls angeschlagen. Viele Fans hoffen, dass Ahmed Kutucu bald mehr Einsätze erhält und gemeinsam mit Amine Harit, Raman oder Matondo für Tempo sorgen kann. Sehr gespannt sind die Fans auch auf Juan Miranda, der kurz vor dem Transferschluss von der Reserve des FC Barcelona ausgeliehen wurde. Sie hoffen, dass der U 19-Europameister als schneller Linksverteidiger ähnlich gut einschlägt wie Kenny auf der rechten Seite.

Das Glas auf Schalke ist nicht halb leer, sondern halb voll – und es kann im Laufe der Saison weiter gefüllt werden!

Fanmarsch auf Schalke 24.08.2019 (Foto: Hein-Reipen)