Schalke – HSV 0:2: Banner, Bengalos und Blackouts

Schalke – HSV 0:2: Banner, Bengalos und Blackouts

21. Januar 2024 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 startet nach zwei Abwehrpatzern mit einer 0:2 (0:2)-Heimniederlage gegen den Hamburger Sportverein in die Rückrunde. Beide Fanlager arbeiten sich dabei mit Bannern und Pyrotechnik an Polizei und DFB ab. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Kälte und Staus halten Schalker nicht davon ab, nach Ende der Winterpause wieder in Scharen ins „Wohnzimmer“ auf dem Berger Feld zu pilgern. Beliebtes Gesprächsthema beim teuren Vor-Pils oder -Glühwein: Trägt die leichte durch die Verpflichtung von Eurofighter Marc Wilmots als Sportdirektor ausgelöste Aufbruchstimmung oder muss Schalke noch einmal auf dem Transfermarkt tätig werden…?

Ultras für Gelsenkirchen

Schon weit vor Anpfiff geht auf dem Parkplatz übriggebliebenes Silvesterfeuerwerk hoch. Im Fanspiel stehen sich „Königsblau ein Leben lang“ und die „Marler Boys n Girlz“ gegenüber; außerdem gibt es im Vorprogramm unter anderem Werbung für die aktuelle „This is Gelsen“-Kollektion, die neue Mitfahrbörse, das königsblaue League of Legends-Team und „Aufstehen für die Demokratie“.  Der Höhepunkt ist die Spendenübergabe der Ultras Gelsenkirchen an die Gelsenkirchener Tafel: Ein großer Scheck über 28.000 € wechselt den Besitzer, außerdem geht gemeinsam mit dem Schalker Fanclubverband und Schalke hilft! die Sammlung von Lebensmittelspenden weiter.

Die Torhüter Fährmann und der wieder genesene Müller werden mit Applaus begrüßt, ebenso die Mannschaft. Sogar beim Aufwärmen sind „T & T“, Terodde und Topp unzertrennlich. Das Stadionsprecherduo Dirk und Jörg kann unter anderem Heiko Westermann und Emile Mpenza, beide in ihrer aktiven Zeit sowohl für S04 als auch den HSV am Ball, als Gäste begrüßen, dazu gibt’s die Statistik: 32 Heimsiege, 11 Unentschieden und 14 Niederlagen aus Erstligatagen.

Wann geht Euch endlich ein Licht auf?

Die Aufstellung des HSV wird kurz und schmerzlos verlesen, es fällt auf, dass der Gästeblock noch völlig „nackt“ ist, keine Fahne, kein Banner, kein Laut. Die Nordkurve stört sich wie bereits beim vergangenen Heimspiel nicht an irgendwelchen Supportboykotten und fordert „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen!“, dazu erscheint ein erstes Spruchband „Investorendeal stoppen“.

Es folgen zwei kurze Gedenken an die verstorbenen Franz Beckenbauer und Kay Bernstein, dann gehen die Lichter aus. Glückauf, der Steiger kommt…! Anschließend wird die Schalker Aufstellung mitgebrüllt: Chefcoach Karel Geraerts setzt als Startelf auf Fährmann, Brunner, Kalas, Kaminski, Ouwejan, Seguin, Idrizi, Mohr, Karaman, Topp und Terodde. Blau und Weiß, wie lieb ich Dich…!

Wie nicht anders zu erwarten, erhitzt der in dieser Woche öffentlich zwischen Polizei, HSV und Schalke ausgetragene Streit um das faktische Choreoverbot der Gelsenkirchener Polizei weiter die Gemüter: „Materialfreiheit für alle“ fordert der K-Block, die Nordkurve titelt „Pol GE: Wann geht euch endlich ein Licht auf?“, dazu gibt es „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ – und reichlich Pyrotechnik.

Zu viele Bälle im Spiel…

Beide Mannschaften gehen von Beginn an engagiert zur Sache. Angefeuert von „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ gibt’s die erste Ecke, HSV-Keeper Heuer Fernandes klärt gegen Mohr (4.). Der Gästeblock präsentiert schweigend ein Banner „Der deutsche Fußball bleibt Risikokapital“. Fährmann verpasst eine Hamburger Ecke, die Stürmer der Norddeutschen aber ebenfalls (9.).

Die Nordkurve stimmt den Wechselgesang Schalke! – Nullvier! mit der Südkurve und „Für deine Farben leben und sterben wir“ an, dann folgt „Schei** DFB“ – und passend dazu fliegen aus der Gästekurve viele Tennisbälle und Schokogoldtaler auf den Platz, so dass die Partie kurzzeitig unterbrochen werden muss. Während Helfer sich bemühen, die überzähligen Bälle vom Rasen zu räumen, sind sich beide Fanlager in einem Wechselgesang gegen den DFB einig. „Ihr macht unsren Sport kaputt…“

Aussetzer der Abwehr werden eiskalt bestraft

Das Spiel wird nun ein wenig ruhiger als in den Angangsminuten. Bei Schalke verdient sich Youngster Topp mit viel Einsatz die Anerkennung des Publikums; leider findet eine wunderschöne Hereingabe von ihm in den Fünfer keinen Abnehmer (21.), stattdessen fällt unvermittelt das 0:1 für den HSV: Meffert bedient van der Brempt, der unbedrängt zu Pherai flanken kann, der wiederum im Fünfmeterraum komplett ohne Belästigung durch die Schalker Abwehr in aller Ruhe zur Führung einköpfen kann (22.). „Kollektiver Tiefschlaf!“ ächzt ein Schalker in Block M.

Die Nordkurve schüttelt sich einmal kurz und versucht, die Mannschaft mit „Schalke, ich bin für dich geboren“, „Vorwärts FC Schalke, schieß ein Tor für uns“, „Steht auf“ und „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ wieder nach vorne zu treiben; der Gästeblock feiert den Treffer mit einigen Bengalos.  Die Schalker Mannschaft bemüht sich, den Treffer wegzustecken und kommt mit Terodde (28.) und Topp (31./32.) vor das Tor der Gäste. Den von Heyer an dem Youngster verschuldeten Freistoß knallt Ouwejan aus knapp 25 Metern Torentfernung mit viel Schmackes an die Latte (33.), schade! Brunner sieht die erste gelbe Karte des Spiels.

Effizienter sind leider die Gäste: Kaminski rettet noch gegen Pherai, aber der Ball kommt über Dompé zu Benes, der reichlich Platz hat, um mit links zum 0:2 einzuschießen (35.). Das alte Leid der Hinrunde…

Schalke gibt nicht auf

Die Schalker Mannschaft bemüht sich, den neuerlichen Rückschlag wegzustecken und arbeitet sich über Karaman und Mohr wieder nach vorne. Der Gästeblock entrollt derweil mehrere Banner „Unsere Meinung ändert sich nicht/Auch nicht durch medialen Druck/Bullen bleiben Feinde der Fankultur/Choreoverbote abschaffen“. Wenig später wird ein 1312-Doppelhalter erneut mit reichlich Pyrotechnik garniert.

Brunner muss kurz behandelt werden, kann aber weitermachen, zwei weitere Ecken für Schalke bringen nichts Zählbares. Kaminski sieht Gelb für ein Foul an Glatzel, dann geht es mit vier Minuten Nachspielzeit und einigen Pfiffen mit dem 0:2-Rückstand in die Kabine.

Zwischen Fanbox und Fanbelange dominieren die erneuten Abwehrpatzer die Pausengespräche. Thomas Kirschner wirbt für das Gebärdensprachprojekt der Knappenkids, die Steht auf- Aktionstage und die Gedenkstättenfahrt. Die Auswärtsinfo für das Spiel in Kaiserslautern kommt im laufe der Woche nach der Sicherheitsbesprechung.

Viele Bengalos, keine Tore

Zum Wiederanpfiff kommt Schallenberg für Idrizi, Seguin rückt auf die Achterposition vor. Die Nordkurve bekennt sich zu „Schalke, nur du alleine…“, während sich Erwin als Einpeitscher versucht. Der Gästeblock ist nicht so gut zu hören, aber dank zahlreicher Bengalos nicht zu übersehen, dazu gibt es weitere Spruchbänder „Eure Willkür wird uns nicht brechen/Freiheit für Ultra“.

Die Schalker Mannschaft startet durchaus energisch in den zweiten Durchgang und hat durch Schallenberg (48.), Terodde (50.) und Karaman (51.) Torannäherungen, dann heißt es jedoch wieder Atem anhalten: Benes taucht nach Vorarbeit von Jatta gefährlich vor dem leeren Tor auf, aber Kalas kann den Ball von der Linie köpfen (54.). Schallenberg sieht Gelb für ein taktisches Foul und schickt kurz darauf einen Schuss von der Strafraumgrenze nur hauchzart am Pfosten vorbei (62.).

Meffert sieht ebenfalls Gelb, dann bringt Geraerts mit Tempelmann für Mohr und Lasme für Topp zwei weitere frische Kräfte (65.). Lasme zieht sofort Freund und Feind davon und kann durch Heyer nur regelwidrig gebremst werden, es gibt Gelb und Freistoß aus guter Position (67.), der jedoch in der Mauer des HSV hängenbleibt.

Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech hinzu…

Die Nordkurve supportet unverdrossen mit „Auf geht’s Schalke schieß ein Tor“, „Wir kommen aus Gelsenkirchen“ und „Schalke 04 für jetzt und alle Zeit“ weiter; der Gästeblock zündet weiter Bengalos, während der „Sicherheitssprecher“ ebenso unermüdlich wie vergeblich auf das Verbot hinweist. Mit 61.992 Zuschauern, davon rund 6.000 ist die Arena inklusive einiger aus Sicherheitsgründen gesperrter Plätze ausverkauft.

Reis ersetzt Pherai – und Ouwejan trifft ein zweites Mal Aluminium (74.), doch das Leder prallt statt ins Tor wieder ins Feld zurück. Karaman tunnelt van der Brempt, kommt dann aber nicht zum Abschluss (75.). Der Gästeblock zeigt weiter fleißig Banner „Ultras gebührt Freiheit/Gegen Betretungsverbote“; dann folgt ein Doppelwechsel beim HSV. Okugawa feiert für Dompé sein Debüt, Nemeth kommt für Glatzel.

Gute Werte, schlechte Ausbeute

Lasme köpft einen Freistoß von Seguin über das Tor (85.), während sich die Fanlager kurz wegen eines Fouls bepöbeln. Das „Warum seid ihr *uren so leise?“ des Gästeblocks kontert die Nordkurve mit einer extralauten Version der Asozialen Schalker.

Castelle und Kabadayi ersetzen Seguin und Brunner, Heyer rettet gegen Karaman (86.); Poreba kommt für Benes und Lasme erzielt den dritten Schalker Pfostentreffer des Tages (90+6.), dann ist auch die Nachspielzeit zu Ende.

Durch die Niederlage bleibt Schalke mit 20 Punkten auf Rang 14 und hat den nächsten Gegner Lautern, die dreimal in Folge siegreichen Braunschweiger und Rostock im Genick. Wieder einmal hat sich die Mannschaft durch dumme Abwehrfehler selber um die Punkte für einen ansonsten durchaus ordentlichen Auftritt gebracht – 26:8 Torschüsse, 11:5 Ecken, 55 % Ballbesitz, 5 km mehr Laufleistung sind leider brotlose Kunst, wenn man sich hinten die Dinger fast selber reinwirft.

Holt Schalke noch Verstärkungen?

Der Mannschaft ist die Frustration denn auch deutlich anzusehen. Als sie die Köpfe zusammensteckt und kurz vor die Kurve schleicht, um sich ein „Auf geht’s Schalke kämpfen und siegen!“ abzuholen, während vor dem Gästeblock ausgelassen der Auswärtssieg gefeiert wird.

Thomas Ouwejan beklagt im anschließenden Interview: „Wir hatten gleich mehrmals Pech. Gerade in der zweiten Halbzeit hätten wir uns belohnen müssen. Wenn wir zum Anschlusstreffer gekommen wären, dann hätte noch was gehen können, da bin ich mir ganz sicher. Gerade hier, mit unseren Fans im Rücken.“ Damit hat er zwar unstreitig Recht, die meisten Schalkefans hoffen trotzdem sehnlichst auf wenigstens ein oder zwei personelle Verstärkungen, um die sich wie ein roter Faden durch die Saison ziehenden Abwehrpatzer einzudämmen. Es bleibt spannend, ob Schalke in diesem Transferfenster noch einmal tätig wird.