Schalke dominiert das Derby klar, trifft aber das Tor nicht

Schalke dominiert das Derby klar, trifft aber das Tor nicht

27. Oktober 2019 3 Von Susanne Hein-Reipen

Tore fallen keine, Aufreger bietet das 179. Revierderby trotzdem satt: Choreo in der Nordkurve, Pyro im GĂ€steblock, Banner, Beschimpfungen, gezockte Fahnen, Lattentreffer und ein nach Meinung der Schalkefans blinder Videoschiri im Kölner Kellner – Susanne Hein-Reipen berichtet im ausfĂŒhrlichen Kurvenbericht, was auf Schalke alles los ist


Samstags aufwachen und sofort mit Puls 180 senkrecht im Bett stehen? Dann ist Derbytag im Pott. Der Blick aus dem Fenster macht klar: Ein wunderschöner Herbsttag, ideal fĂŒr Helden!

Schalke auf Christos Spuren

Als die ersten Schalker Stunden vor dem Spiel auf den Parkplatz D rollen, herrscht Ratlosigkeit: Scheine fĂŒr die kostenlose Ausfahrt vom Parkplatz? Gibt es heute nicht, meinen die zwei sehr jungen Ordnerinnen. Von den anderen PlĂ€tzen wird anderes gemeldet und die ParkplĂ€tze E und 7 sind direkt komplett fĂŒr unsere „lieben“ GĂ€ste gesperrt. Entlang der „Grenze“ gibt es zig Meter akkurat mit blickdichter Folie verhĂŒllte Absperrungen und reichlich Polizei, knatternder Hubschrauber inklusive.

Sogar die TreppenhĂ€user im GĂ€stebereich sind so verhĂŒllt, dass VerpackungskĂŒnstler Christo vor Neid erbleichen wĂŒrde. Bei den Schalkefans stĂ¶ĂŸt diese Aktion auf ein sehr geteiltes Echo: Die einen vermissen Ă€hnlich entgegenkommenden Service an der WellblechhĂŒtte in LĂŒdenscheid, die anderen sind froh, möglichst wenig hĂ€ssliche Farben sehen zu mĂŒssen


Verbales SĂ€belrasseln fĂŒr Fortgeschrittene

In der Arena ist die Spannung fast mit HĂ€nden zu greifen; die Bilder vom U 19-Derby, das die Schalker Junioren am vorigen Wochenende in der verbotenen Stadt mit dem Traumergebnis 0:4 fĂŒr sich entscheiden konnten, tragen auch nicht zur Beruhigung bei. In die gleiche Kerbe haut Daniel Caligiuri, einer der Helden des ĂŒberraschenden Derbysiegs von April, im Interview auf dem VideowĂŒrfel.    

Beim Fantipp haut einer der beiden Herren unter großem Hallo eine sensationelle Quote raus, AuswĂ€rtssieg von Union Berlin in MĂŒnchen, kann man mal so machen
 Der Tipp seines Kontrahenten fĂŒr einen schwarzgelben Sieg hingegen löst die ersten krĂ€ftigen „BVB Hurensöhne“ aus. Willkommen!

Die Mannschaft wird mit lautem Applaus und reichlich blau-weißen FĂ€hnchen begrĂŒĂŸt; die Spieler wirken Ă€ußerst konzentriert und ernst. Die einheitlich in fiesgelbe T-Shirts gewandete GĂ€stekurve nutzt die Gelegenheit, sich mit „Scheixxe 04“ fĂŒr die BegrĂŒĂŸung zu revanchieren, wĂ€hrend ihre in den letzten Jahren aus dem Verkehr gezogenen Ultras in den Block stĂŒrmen. Das wiederum lĂ€sst die Nordkurve nicht auf sich sitzen: Das GrabschĂ€nderlied, „Wer nicht hĂŒpft, der ist Borusse!“ und „Scheixx BVB“ in einer vermutlich bis ins Sauerland zu vernehmenden LautstĂ€rke runden die BegrĂŒĂŸungsfeierlichkeiten ab.

EGAL OB JUNG, OB ALT – EGAL, OB GROSS, OB KLEIN – SCHALKE FÜR IMMER MEIN VEREIN

Noch wĂ€hrend die aus königsblauer Sicht schönsten Derbytore – liebe GrĂŒĂŸe an Naldo, Ebbe Sand und Kevin Kuranyi – und schmeichelhafte Bilanzen Ă  la „Stambouli hat noch nie ein Derby verloren“ ĂŒber den WĂŒrfel flimmern, werden im GĂ€steblock einige Fahnen waagerecht aufgezogen. Jeder in der Arena weiß, dass es gleich brennen wird. Jeder? Nein, ein unbeugsames gallisches, pardon, polizeiliches Dorf ignoriert die Pyrovorbereitungen.

Die Aufstellung der GĂ€ste wird niedergepfiffen, was ihren Anhang aber nicht daran hindert, „Hier – regiert – der –  BVB!“ hinterher zu schicken. Der Nordkurve gefĂ€llt das nicht; sie tut ihr Missfallen mit einem herzhaften „Tod und Hass dem BVB!“ und „Ihr seid ein Haufen Sch
“ kund.

Dann wird es deutlich konstruktiver: Nach dem Steigerlied hĂŒpft die gesamte Nordkurve in weiße Ponchos, dazu werden tausende blau-weiße FĂ€hnchen geschwenkt. Von der BrĂŒstung des Oberrangs entrollt sich ein riesiges blaues Spruchband:  EGAL OB JUNG, OB ALT – EGAL, OB GROSS, OB KLEIN – SCHALKE FÜR IMMER MEIN VEREIN! Das blau-weiße Wimmelbild gefĂ€llt auch auf den anderen TribĂŒnen; gemeinsam werden „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ und die Aufstellung rausgebrĂŒllt. Stark!

Pyro und geklaute Fahnen

WĂ€hrend die Mannschaften auf den Platz kommen, qualmt es im GĂ€steblock mĂ€chtig, die dicken gelben Rauschwaden werden von Schalker Seite mit gellenden Pfiffen bedacht; der Anpfiff verzögert sich um einige Minuten. Als der Ball endlich rollt, stehen fĂŒr Schalke NĂŒbel, Oczipka, Stambouli, SanĂ©, Kenny, Mascarell, Serdar, Caligiuri, Harit, Matondo und Burgstaller auf dem Rasen.

Die erste Aktion geht an die GĂ€ste, aber Alexander NĂŒbel kann den Fernschuss von Sancho entschĂ€rfen (3.). Danach ĂŒbernehmen die Schalker zunehmend die Regie – auf dem Feld wie auf den RĂ€ngen. Als der LĂŒdenscheider Anhang mit viel Tamtam einige blaue Schals in Flammen aufgehen lĂ€sst und sich vermutlich gerade mĂ€chtig stark vorkommt, folgt die Blamage auf dem Fuße: In der Nordkurve taucht eine gigantische umgedrehte „SĂŒdtribĂŒnen“-Fahne auf, dazu kommen zahlreiche weitere schwarz-gelbe Utensilien auf den ZĂ€unen vor N3 und dem K-Block. Egal, was man vom Ultra-Material-Klau hĂ€lt: Diese Runde ging durch ein glattes K. O. an Schalke!

Revierderby: Die Nordkurve prÀsentiert Dortmunder Utensilien (Foto: Hein-Reipen)

Schalke dominiert, trifft aber nur die Latte

Schalke schaltet zusehends in den VorwĂ€rtsgang, insbesondere Matondo entwischt seinen Bewachern immer wieder und kann in der 18. Minute von Weigl nur mit einem Foul gestoppt werden, das dem BVBler die erste gelbe Karte der Partie eintrĂ€gt. Der folgende Freistoß und mehrere Ecken fĂŒr Schalke bringen jedoch nichts Verwertbares ein; Jubel brandet nur auf, als das Ergebnis des „kleinen Derbys“ eingeblendet wird: Die Schalker Amateure haben Schwatzgelb II auf deren GelĂ€uf glatt mit 5:1 besiegt! Die Nordkurve stimmt prompt „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ an.

Die erste Karte auf Schalker Seite sieht Benjamin Stambouli, der Hakimi von den Beinen holt – sehr zum Ärger von Favre, der an der Seitenlinie auf- und abtitscht. Kurze Zeit spĂ€ter geraten Harit und Witsel aneinander; die Fanlager beharken sich mit weiteren Nettigkeiten vom Kaliber „GrabstĂ€tte“. Jetzt ist richtig Feuer unterm Dach!

Nach zwei Halbchancen fĂŒr Serdar und Burgstaller scheint es dann so weit zu sein: Ecke Oczipka, SanĂ© steigt gefĂŒhlt anderthalb Meter höher als seine Nebenleute – und Toooo
, nee, Latte! Das wĂ€re es gewesen! SanĂ© macht insgesamt ein sehr starkes Spiel.

Sechs Minuten spĂ€ter muss wieder das Aluminium retten: Diesmal ist es Serdar, der einen Abpraller von Hummels an den Innenpfosten setzt. Der Schalker Anhang stimmt lautstark „Eine Stadt erstrahlt in blau“ an. Auch Burgstaller und Matondo haben kein SchussglĂŒck, es geht mit 0:0 in die Pause.

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