Schalke – Bayern 0:4: Mehr als eine Nummer zu groß

Schalke – Bayern 0:4: Mehr als eine Nummer zu groß

24. Januar 2021 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 verliert sein Heimspiel gegen Bayern München unnötig hoch mit 0:4 (0:1), zeigt dabei aber lange eine kämpferisch durchaus ansprechende Leistung und einen Ralf Fährmann in Topform. Susanne Hein-Reipen wünscht sich diesen Einsatz auch gegen andere Mannschaften…

Auf die Statistiken wird an dieser Stelle einmal verzichtet, denn sie sprechen samt und sonders gegen Schalke. Nur so viel: Der letzte Sieg gegen die Bayern liegt am 2. März ein Jahrzehnt zurück. Torschütze damals: Senor Raúl…

Diverse Bayern mit Schalker Migrationshintergrund

Zum Entsetzen der Schalkefans sickert schon vor der offiziellen Bekanntgabe der Aufstellungen durch, dass es für die Rückkehrer Sead Kolasinac (Zerrung im Oberschenkel) und Klaas-Jan Huntelaar (Wadenprobleme) entgegen der optimistischen Prognosen von Christian Gross in der Pressekonferenz nicht reichen wird. Fährmann, Oczipka, Nastasic, Kabak, Becker, Serdar, Stambouli, Harit, Raman, Uth und Hoppe bilden die Startelf.

Auch auf der Gegenseite haben mit Neuer, Goretzka und Leroy Sané drei Spieler einen Schalker Migrationshintergrund, auf der Bank sitzen mit Nübel und Choupo-Moting zwei weitere. Der Rasen in der Veltins-Arena erinnert an einen Acker und soll in der kommenden Woche ausgetauscht werden.

Guter Beginn

Die erste Aktion geht auf das Konto von Königsblau: Timo Becker versucht sich schon in der ersten Minute an einem Distanzschuss, der jedoch kein Problem für Neuer darstellt. Auf der Gegenseite versuchen sich Sané und Gnabry ebenfalls an Distanzschüssen, Fährmann muss noch nicht eingreifen. Enger wird es bei einem Kopfball von Lewandowski nach einer Flanke von Kimmich, doch auch der Pole setzt den Ball über die Querlatte.

Raman bedient Serdar, dieser köpft knapp rechts am Tor vorbei; auf der Gegenseite verfehlt Gnabry die Kiste mit einem Schlenzer ebenfalls nur einige Zentimeter.

Dann die riesige Chance zur überraschenden Führung: Über Stambouli, Harit und Oczipka kommt der Ball zu Uth, der im Fünfmeterraum nahezu frei zum Kopfball kommt – aber der Abschluss ist zu zentral, so dass Neuer mit dem Fuß parieren kann. Schade!

Goretzka versucht sich nach einer kleinen Berührung von Kabak als Schauspieler, aber Schiedsrichter Stegemann unterbindet die Diskussion zu Recht sofort – insgesamt eine durchaus gelungene Startviertelstunde für Schalke! Symptomatisch eine Szene in der 20. Minute: Davies schnappt Raman den Ball weg, aber der flinke Belgier setzt hartnäckig nach und holt sich das Leder umgehend zurück.

Fährmann hält und hält und hält

Dann heißt es Atem anhalten: Kabak kommt gegen Sané kurz vor der Strafraumgrenze Sekundenbruchteile zu spät und trifft Bein statt Ball – Freistoß aus idealer Position! Aber Fährmann hält sowohl den wuchtigen Direktschuss von Lewandowski als auch den Nachschuss von Gnabry – danke, Ralle!

Kurz darauf hätte Serdar fast ein Eigentor erzielt, doch der Ball geht neben das Tor. Einen Entlastungsangriff von Raman kann Neuer klären, dann ist wieder Fährmann gefragt: Auch für den weiten Schlenzer von Gnabry ist beim Schalker Keeper Schicht im Schacht.

Die gute Schalker Torwartschule zeigt sich auch auf der anderen Seite, wo Neuer einen Kopfball von Kabak nach Ecke von Harit noch so gerade eben von der Linie kratzen kann. Dann muss Fährmann wieder ran und hält einen satten 25-Meter-Knaller von Kimmich.

Müller trifft für die Bayern

In der nächsten Szene ist der Schalker Torwart dann aber machtlos: Süle zu Kimmich, dieser schlägt eine gefühlvolle Flanke in den Fünfmeterraum, wo Becker leider Müller entwischen lässt, der frei und unhaltbar zum 1:0 für den Rekordmeister einköpfen kann (33.).

Anschließend gibt Goretzka noch einmal den sterbenden Schwan, Stegemann winkt erneut ab. Wenn jetzt Fans in der Arena wären, wäre das Pfeifkonzert für derlei Mätzchen noch kilometerweit zu hören!

Die Bayern haben mehr vom Spiel, aber Schalke hält leidenschaftlich dagegen und kann so weitere Chancen von Alaba und Sané entschärfen, so dass es „nur“ mit einem 0:1-Rückstand in die Kabinen geht. Was bringt der zweite Durchgang?

Lewandowski erhöht

Zunächst bringt er jedenfalls keine Wechsel, beide Mannschaften kommen unverändert wieder auf das Spielfeld. Auf der Tribüne diskutieren Huntelaar und Kolasinac, beide vorschriftsmäßig mit Mundschutz, sehr engagiert.

Der FC Bayern versucht es zunächst über Gnabry, aber sein Schuss von links fliegt am langen Eck vorbei. Auf der Gegenseite holt Becker einen Eckball heraus, der von Harit schön auf den Kopf von Nastasic hereingebracht wird, aber die Kugel fliegt leider Zentimeter am rechten Pfosten vorbei.

Dann kommt der schier unvermeidliche Lewandowski – nach Vorarbeit von Kimmich rennt er Becker und Kabak davon und schiebt zwischen Kabak und dem herausstürzenden Fährmann von rechts zum 2:0 (54.) ein. Damit hat der Weltfußballer im achten Auswärtsspiel in Folge mindestens ein Tor erzielt, ein weiterer Bundesligarekord.

Aber die Königsblauen stecken noch nicht auf. Uth setzt aus der zweiten Reihe einen Schuss über die Querlatte, auch Serdar trifft aus 18 Metern den Kasten nicht. Hansi Flick tauscht derweil Gnabry und Sané gegen Musiala und Coman, kurze Zeit später folgt Hernandez für Davies.

Unnötige späte Gegentreffer

Danach muss Fährmann wieder ran: Harit und Becker lassen Coman laufen, so dass der Schalker Torwart rausstürzen und artistisch mit dem Kopf klären muss. Coman wirkt nach dem Zusammenstoß etwas belämmert, kann aber weiterspielen. Ein weiterer Schuss von Lewandowski rauscht links vorbei.

Jetzt wechselt auch Christian Groß erstmals und bringt Alessandro „Massimo“ Schöpf und Nassim Boujellab für Harit und Hoppe, Raman rückt vor. Und Schöpf haut direkt mal einen Distanzschuss raus und schießt das Tormikrophon ab; im Anschluss zielt Uth knapp rechts vorbei. Für die Bayern versucht es Kimmich, verfehlt Fährmanns Tor aber deutlich.

Nastasic tritt Müller auf den Fuß und sieht die erste gelbe Karte der Partie; mit Choupo-Moting (für Müller) betritt ein weiterer Ex-Schalker das Feld. Auch Boateng wird wegen eines Fouls an Raman verwarnt.

Erneut steht Ralf Fährmann im Mittelpunkt und entschärft zwei Fernschüsse von Musiala und Coman – dann ist er machtlos, als Müller nach einem Freistoß von Kimmich unbedrängt von Nastasic hochsteigen und zum 3:0 (88.) einköpfen kann. Und als wäre das noch nicht genug, lässt Fährmann zwei Minuten später einen Flatterball von Alaba zum 0:4-Endstand durch – zwei vollkommen unnötige und für die Moral sicher nicht förderliche Gegentreffer, auch wenn am Torverhältnis ohnehin nicht mehr viel zu versauen ist.

„Wenn wir so weiterspielen…“ – DANN SPIELT AUCH SO WEITER!!!

Bayern baut damit seinen Vorsprung an der Tabellenspitze aus, Schalke bleibt alleiniges Schlusslicht – und wird zu Recht dafür gelobt, dass sie „lange Zeit erstaunlich gut mitgehalten haben“.

Treue Schalkefans fühlen sich dabei heftig an „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert: Schon (viel zu) oft hoffte man nach einer guten Leistung und Niederlage gegen Bayern „Wenn sie so weiterspielen, wird es für viele andere Mannschaften reichen“ – aber sie spielten leider meistens nicht so weiter, sondern ließen gegen vermeintlich „leichtere“ Gegner den allerletzten Einsatz, das Nachsetzen, die Leidenschaft, die letzte Galligkeit vermissen. DIESE Nachlässigkeit in dieser Woche aus den Köpfen zu bekommen, wird eine Herkulesaufgabe für Gross und seine „Mentalitätsmonster“ Kolasinac und Huntelaar. Glückauf!

Erwin alleine und traurig in der Nordkurve