Rudi Assauer: Ein letzter königsblauer Liebesbrief an den Vater aller Ruhrpottkanaken

Rudi Assauer: Ein letzter königsblauer Liebesbrief an den Vater aller Ruhrpottkanaken

7. Februar 2019 1 Von Susanne Hein-Reipen

Ganz Fußballdeutschland verneigt sich „getrennt in den Farben, vereint in der Sache“ vor dem Lebenswerk des langjährigen Schalker Managers Rudi Assauer. Auch Susanne Hein-Reipen verbindet sehr viele Erinnerungen mit dem Mann mit der Zigarre, der Schalke geprägt hat wie kaum ein anderer. Ein ganz persönliches Dankeschön an den Vater aller Ruhrpottkanaken…

Lieber Rudi,

wie so viele andere Schalker wollte ich die furchtbare Nachricht gestern nicht glauben: Rudi Assauer tot, unser Mister Schalke? Bitte, lieber Fußballgott, lass es nicht wahr sein! Aber es ist die traurige Wahrheit, Du verfolgst unser Schalke jetzt gemeinsam mit Charly und anderen zu früh abberufenen Schalkern von einer königsblauen Wolke aus. Eine Wolke, auf der es künftig wohl Zigarren und ein kühles Blondes gibt.

In der heutigen Medienwelt ist schnell von „Star“, „Kult“ oder „Legende“ die Rede, doch nur wenige der so Genannten werden diesen Bezeichnungen gerecht. Doch Du bist mehr: Du bist nicht „nur“ die Schalker Managerlegende, Du bist – und wirst es bleiben – „der Manager“. Egal, wer Dir auf den Posten nachgefolgt ist, wenn auf Schalke nur von „dem Manager“ die Rede ist, wissen alle, dass nicht Christian Heidel, Horst Heldt, Andreas Müller oder Felix Magath gemeint sind. Nein, „der Manager“, der Schalke zu dem gemacht hat, was es heute ist, bist und bleibst Du.

Nur von Dir gibt es Bilder und Sprüche, die „für jetzt und alle Zeit“ ins kollektive Bewusstsein der Schalker eingebrannt sind. Jeder Schalker weiß, was passiert, wenn der Schnee schmilzt. Dass wir gewinnen, auch wenn wir verlieren, weil wir Schalker sind. Und wir sind alle überzeugt, dass der Fußballgott sich jetzt warm anziehen kann, weil Du seit dem 19. Mai 2001 ein gewaltiges Hühnchen mit ihm zu rupfen hast. Die Bilder, die Dich weinend mit den Meistern der Herzen zeigen, sind ebenso unauslöschlich in unseren Köpfen verankert wie die guten Erinnerungen.

Du triumphierend strahlend mit der fetten Zigarre im Mund und dem UEFA-Cup über der Schulter. Mit einem halb schuldbewussten, halb dreckigen Grinsen und dem von Dir verbeulten DFB-Pokal. Du im feinen Sakko und mit dem unvermeidlichen Stumpen auf der Trainerbank neben Huub im blau-weißen Trainingsanzug. Die legendären Bier-Werbespots, in denen Du Dein liebevoll kultiviertes Image als Macho unwiderstehlich charmant auf die Schüppe nimmst: Nur gucken, nicht anfassen. Und natürlich Du als Visionär und stolzer Vater der Arena, ein Projekt, für das Dich anfangs viele für bescheuert erklärt haben. Undundund.

Neben diesen bis in die königsblaue Ewigkeit mit der Schalker Geschichte verwobenen Bildern verbinden sehr viele Schalker mit Dir auch persönliche Erinnerungen. Du hast zwar gerne mit Deinem Image als Kaschmir-Hooligan kokettiert, aber Du warst jederzeit für jeden auf Schalke ansprechbar, wenn er eine Ruhrpottschnauze vertragen konnte. Davon durften mein Mann und ich uns persönlich überzeugen, als wir 2002 nach Besichtigung des schiefen Potts aus dem Schalke-Museum kamen und Du – in kurzer königsblauer Buxe und Adiletten – uns ein paar Wörtchen Klartext in puncto „Pokalscheiß“ verplättet hast.

Du hast auch nicht gekniffen, wenn es ungemütlich wurde. Egal, ob Du im Doppelpass Moderator Wontorra so zusammengefaltet hast, dass er in eine Zigarrenschachtel gepasst hätte oder heulenden oder wütenden Fans entgegentreten bist: Niemand auf diesem Planeten konnte Dir Feigheit vor Feind oder Freund nachsagen. Nur ein positiv Irrer wäre 2000 auf die Idee gekommen, ausgerechnet Andreas Möller zu verpflichten. Du hast das durchgezogen, auch wenn die Schalker mit Schaum vor’m Mund auf die Barrikaden gegangen sind. Und Du hattest, wie so oft, Recht. Die Zahl der Profis, die Dir eine Menge zu verdanken haben, ist Legion.

Genauso mutig und ehrlich hast Du 2012 als einer der ersten Prominenten überhaupt Deine schwere Alzheimer-Erkrankung öffentlich gemacht und damit auf einen Schlag mehr für das öffentliche Bewusstsein für diese Erkrankung erreicht als alle Ärzte zusammen es je könnten. Du hast Deine Angst unumwunden zugegeben („Wenn es eine Sache in der Welt gibt, vor der ich immer Angst habe, so richtig Schiss auf gut Deutsch, dann Alzheimer.“) und es trotzdem oder deshalb geschafft, Dir Deine Würde dauerhaft zu bewahren.

Es tat sehr weh, in den Folgejahren bei Deinen weniger werdenden Auftritten in der Schalker Öffentlichkeit zusehen zu müssen, wie es Dir immer schlechter ging. Ich hoffe, Du konntest trotzdem bei Anlässen deiner umjubelten Aufnahme in die Ehrenkabine, Asas letzter Schicht Deines bis heute treuen Verehrers Gerald Asamoah oder dem großen Jubiläum zum 20jährigen Triumph der Eurofighter spüren, wie sehr Du die Schalker berührt hast.

Vielleicht liegt es daran, dass Du wahrscheinlich der Mensch warst, dessen DNA zu 99,04 % mit der Schalker DNA übereinstimmte. Genau wie unser geliebter Verein kanntest Du nur ganz oder gar nicht, kein vielleicht. Immer Macher, immer volle Pulle, auch wenn es dafür gelegentlich in die Fresse gibt. Emotionen statt reinem Kalkül, Bauchgefühl statt Vernunft, gelegentliche Skandale statt seriös-gepflegter Langeweile. Ehrlichkeit. Harte Maloche, hart feiern. Ein bisschen prollig, gelegentlich mal grinsend auf den Zehen der selbsternannten feinen Gesellschaft rumtrampeln, aber immer das Herz am rechten Fleck. Rauhe Schale, weicher Kern – der Urvater aller Ruhrpottkanaken. Bisschen asi und stolz drauf.

„Entweder ich schaffe Schalke oder Schalke schafft mich“ – Du hast ganz klar Schalke geschafft. Jetzt müssen wir es leider ohne Dich schaffen.

DANKE FÜR ALLES RUDI, pass‘ bitte von oben auf uns auf!

Glückauf,

Deine Susanne