Fortuna – Schalke 5:3: Viel mehr verloren als drei Punkte

Fortuna – Schalke 5:3: Viel mehr verloren als drei Punkte

26. November 2023 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 verliert das Auswärtsspiel bei Fortuna Düsseldorf aufgrund einer desolaten ersten Halbzeit mit 5:3 (3:0) und vergrätzt dabei auch die Ultras Gelsenkirchen. Nach einer feinen Auswärtschoreo legt der 16.000 Köpfe starke Schalker Anhang zunächst los wie die Feuerwehr, aber eine erschreckende „Leistung“ und drei Gegentore in den ersten 26 Minuten führen zu massivem Frust und Halbzeitabwanderung. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Gastspiel bei der Fortuna in der Landeshauptstadt, das bedeutet kurze Anreise und meistens prima Stimmung, dementsprechend groß ist die königsblaue Meute, die sich teilweise mit einem kleinen „Umweg“ über die Altstadt auf den Weg macht. Das Parksystem mit langen hintereinanderliegenden Reihen ist noch aus alten Rheinstadiontagen sehr speziell, aber freundliche Einweiser sorgen dafür, dass niemand aus der Reihe tanzt.

Volles Haus in Düsseldorf

Die Zeit bis zur Stadionöffnung wird mit leckeren Würstchen und Hopfenkaltschale überbrückt. Viele Schalker trauen offensichtlich dem einheimischen Altbier nicht über den Weg, so dass sich die Pfandsammler über enorme Mengen Veltins-Flaschen freuen können.

Die „Merkur Spiel Arena“ formerly known as LTU- und Esprit-Arena öffnet sogar einige Minuten früher, was die Situation an den bekannt engen Durchgängen angenehm entspannt. Die bunten Sitze, die auch bei halbleerer Besetzung volles Haus vortäuschen sollen, wären heute nicht nötig, die Hütte ist mit 52.000 Zuschauern bereits seit zwei Wochen restlos ausverkauft.

Super Schalke

Über dem Fortuna-Block hängt ein Spruchband „Ewige Liebe Fortuna geschworn, Seite an Seite immer nach vorn“, zusätzlich befinden sich an den Sitzen im Heimbereich tausende rot-weißer Fähnchen. Im Gästeblock verteilen die Ultras Gelsenkirchen nicht minder fleißig blau-weiße Fahnen, dazu wird der gesamte Block mit langen blauweißen Bahnen umwickelt, sogar das Mundloch wird von einem großen Banner mit zahlreichen Schalker Logos überspannt.

Die Torhüter und Mannschaften kommen zum Aufwärmen auf den Platz und werden vom jeweiligen Anhang mit Applaus begrüßt; als kleines „Hallo“ schickt der Gästeblock ein „Scheixx Fortuna“ auf die gegenüberliegende Seite. Gutgelaunt am Start ist auch der ehemalige Finanzvorstand Peter Peters. Einige Schalker witzeln, dass das eingespielte „Hier kommt Alex!“ mit seiner kleinen Horrorshow eine Hommage an seinen damaligen Vorstandskollegen Alexander Jobst, nunmehr in Diensten der Fortuna, ist.

Kurz vor dem Einmarsch der beiden Teams zeigen dann beide Blöcke ihre Choreos. Bei Fortuna gibt’s eine riesige weiße 95 auf rotem Grund und das Motto „Größe zeigen * Mutig bleiben“, die Schalker Fans bilden unter dem Slogan „Super Schalke“ einen beeindruckenden Block, dazu übertönt „Olé Blau-Weiß“ alles andere. Einige Rauchbomben auf der Heimseite runden das Spektakel ab.

Einmal mehr den Start völlig verpennt

Chefcoach Karel Geraerts setzt als Startelf auf Fährmann, Kalas, Kaminski, Murkin, Matriciani, Tempelmann, Schallenberg, Ouwejan, Drexler, Karaman und Lasme, also mit Ausnahme des wieder genesenen Fährmanns für Heekeren die Startelf, die bei der Heimniederlage gegen Elversberg bitter enttäuschte.  

Leider zeigen sich die Spieler dieses Vertrauens und der angestrebten Kontinuität nicht wirklich würdig: Trotz lautstarker Anfeuerung mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ ist bereits in der anfänglichen Abtastphase zu erkennen, dass die Gastgeber das deutlich aktivere Team sind.

In der 13. Spielminute ist es dann soweit: Iyoha bedient Gavory auf der linken Seite, der völlig unbehelligt von der Schalker Abwehr in die Mitte flanken darf, wo Vermeij ebenfalls allen Platz und Zeit der Welt hat, um zum 1:0 einzuköpfen. Sch…ade. Der Stadionschreier eskaliert, der Gästeblock schüttelt sich einmal kurz und fordert geschlossen „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen!“

Was macht die Abwehr beruflich?

Drexler schießt im Strafraum aus kurzer Distanz Engelhardts Arm an, doch der VAR zuckt nicht einmal. Der gebürtige Gelsenkirchener und Ex-Schalker Sobottka verzieht einen Fernschuss knapp (19.), dann schlägt der Ball erneut hinter Fährmann ein: Klaus bekommt im Sechzehner von Tzolis die Kugel und schließt mit der Pike zum 2:0 ab (19.). Murkin fälscht die Kugel noch leicht ab, zudem ist Fährmann die Sicht durch Vermeij versperrt, doch Matriciani hebt das Abseits auf.

Der Gästeblock ist von Einsatz und Abwehrleistung enttäuscht, supportet aber trotzdem mit „Auf geht‘s Schalke schieß ein Tor“ weiter. Auf dem Rasen spielt trotzdem nur Fortuna, insbesondere der schnelle Klaus stellt die Schalker Abwehr wieder und wieder vor Probleme.

In der 26. Minute titscht ein Querpass von Tzolis einmal auf und gegen die Latte. Im Fünfer schaltet Vermeij zwischen diversen Schalker Abwehrspielern am schnellsten und nickt zum 3:0 ein. „Was macht unsere Abwehr eigentlich beruflich?“ ächzt ein Schalker im Oberrang und spricht damit allen Umstehenden aus der Seele.

„Ihr seid Schalker und Ihr seid zu blöd“

Die mitgereisten Schalker haben nun die Pappe auf, die Fahnenstöcke der Choreofähnchen fliegen gleich dutzendweise Richtung Eckfahnen und Ordnern.  Das höhnische „Ihr seid Schalker und Ihr seid zu blöd“ aus dem Fortuna-Block hebt die Stimmung auch nicht, denn aktuell lässt sich schwer etwas dagegen sagen. Außer einem kurzen „Scheixx Fortuna Düsseldorf“ verstummt der blaue Block.

Zu allem Überfluss ist auch Drexler angeschlagen und muss vom Platz, für ihn kommt Idrizi. Mit Seguin für Tempelmann und Mohr für Ouwejan (alle 33.) versucht Geraerts, das Ruder herumzureißen, doch das Problem auf der rechten Seite bleibt trotz Umstellung auf eine Viererkette bestehen. Seguin kassiert bereits nach fünf Minuten Gelb für ein Foul an Klaus (38.).

In der 43. Minute gibt es die erste Ecke für Schalke, die jedoch problemlos abgewehrt wird. In der vierminütigen Nachspielzeit scheitert Karaman nach Vorlage von Kalas mit einem Schuss an Kastenmeier, dann geht es mit deutlichen Pfiffen aus dem Gästeblock in die Kabinen.

Ultras verlassen das Stadion

Doch es bleibt nicht bei den Pfiffen; die UGE, die bereits zuvor die Fahnen und Banner eingerollt hatten, verlassen geschlossen das Stadion. Die Meinung der anderen Fans darüber ist geteilt zwischen „richtiges Zeichen, diesen Mist kann man sich nicht mehr angucken“ und „man lässt die Mannschaft nicht im Stich“, aber allen ist klar: Wenn sogar die treuen Ultras, denen sonst oft vorgeworfen wird, selbst schlechte Leistungen noch „abzufeiern“, die Schnauze voll haben, brennt der Baum lichterloh.

Das Halbzeitgeplänkel mit Fanbox und Torwandschießen lässt die Schalkefans entsprechend völlig kalt, auch beim Wiederanpfiff schweigt der Gästeblock, während die Fortunafans fröhlich feiern.

Beide Mannschaften kommen personell zunächst unverändert zurück auf das Spielfeld, bei den Gastgebern muss aber Sobottka nach wenigen Minuten angeschlagen für Tanaka weichen (47.).

Kaminski mit dem Anschlusstreffer

Auch die zweite Schalker Ecke (51.) bringt nichts ein; auf der gegenüberliegenden Seite entschärft Fährmann einen Freistoß von Tzolis (53.). Tanaka sieht Gelb für ein Foul gegen Schallenberg (54.), dann holt Idrizi die nächste Ecke heraus – und die gerät Mohr zwar wieder zu kurz, aber Idrizi erobert den Ball von Tzolis zurück und flankt zu Lasme, der für den aufgerückten Kaminski ablegt, der von der Strafraumgrenze mit links trocken zum 1:3 trifft (57.).

Anschließend muss das Spiel kurz unterbrochen werden, weil erneut Fahnenstöcke aufs Spielfeld fliegen, Kastenmaier beteiligt sich an den Aufräumarbeiten und sammelt Stöcke auf. Schallenberg sieht Gelb für ein Foul an Iyoha (60.), Fortuna bleibt über Klaus und Tanaka im Vorwärtsgang.

Die offensive Gangart wird auch prompt belohnt, denn Tzolis hat nach Vorarbeit von Johannesson auf links genug Platz, um Kalas zu vernaschen und aus zehn Metern oben rechts zum 4:1 einzunetzen (65.). Der Stadionkreischer eskaliert erneut wie ein Pornodarsteller beim Höhepunkt, die Fans zündeln, die Schalker sind frustriert.

Geht hier doch noch was?

Geraerts ersetzt Schallenberg durch Topp (66.), Fährmann pariert einen Fernschuss von Klaus (71.) – und dann ist plötzlich Schalke am Drücker:  Mohr flankt von links auf den zweiten Pfosten, dort versetzt Kalas Engelhardt und nickt aus kurzer Distanz zum 2:4 ein (74.). Und nur eine Minute später verkürzt Lasme nach schönem Zuspiel von Idrizi per Linksschuss zum 3:4 (75.) – geht hier vielleicht doch noch was…?!

Erinnerungen werden wach an das 4:4 in Dortmund auf den Tag genau vor sechs Jahren und die ersten Optimisten rufen „Auswärtssieg!“ und stimmen „Immer wieder S 04“ an. Thioune reagiert umgehend und ersetzt Johannesson und Klaus durch Jastrzembski und Appelkamp (76.).

Das Spiel geht jetzt munter hin und her, Topp und Seguin kommen aber nicht durch. Auf der Gegenseite entschärft Fährmann einen Schuss von Jastrzembski (80.). Polter ersetzt Lasme (84.); Karaman scheitert nach einem schönen Hackentrick von Topp an Kastenmeier (86.). Vermeij hat frei vor Fährmann die Entscheidung auf dem Fuß, zögert aber lange genug, dass Idrizi den Ball noch wegspitzeln kann (89.). Im direkten Gegenzug scheitert Polter erneut an Kastenmeier (90.).

Gavory bleibt angeschlagen im Strafraum liegen, die Schalkefans wittern sofort Zeitschinderei, doch der Franzose muss vom Platz und wird durch Uchino ersetzt, Niemiec kommt für Tzolic – und der Joker sorgt in der 4. Minute der rund sechsminütigen Nachspielzeit für die endgültige Entscheidung. Nach einer Schalker Ecke verschläft Kaminski seinen Einsatz und ermöglicht den Fortunen einen schnellen Gegenstoß über Jastrzembski und Niemiec, der cool wie ein Eiswürfel zum 5:3 einschiebt. Ein letzter Vorstoß über Seguin wird wegen Abseits zurückpfiffen, dann ist das Spiel vorbei.

Was nun, Schalke?

Die Fortunen klettern durch den Sieg mit nunmehr 24 Punkten auf Rang 3 und feiern ausgelassen mit „An Tagen wie diesen“. Schalke bleibt mit unverändert 13 Punkten aus 14 Spielen auf dem Relegationsrang 16 stecken und stellt mit 33 Gegentreffern zusammen mit Schlusslicht Osnabrück die schlechteste Defensive.

Dementsprechend frostig mit etlichen Pfiffen fällt der Empfang des halbleeren Gästeblocks aus, als die Mannschaft vor die Kurve schleicht, vereinzelt ist „wir sind Schalker und Ihr nicht!“ zu hören. Die verkniffene Miene von Coach Karel Geraerts verheißt nichts Gutes, doch auch er muss sich hinterfragen, ob seine Taktik mit der Dreierkette die richtige war. Nicht zum ersten Mal kehrte durch die Umstellung auf die Viererkette mehr Stabilität ein; dazu haben sich Topp und Idrizi für weitere Einsätze empfohlen. Der Vorzug von Polter vor Terodde stößt hingegen auf allgemeines Unverständnis; zudem sorgt der Abgang der Ultras für bange Fragen nach dem Support der nächsten Wochen.

Am nächsten Freitag (1.12., 18:30 Uhr) stellt sich Schlusslicht Osnabrück in der Veltins-Arena vor. Man muss leider sowohl sportlich als auch stimmungsmäßig gespannt sein…