Schalke – Hertha 2:1: Wiederauferstehung unter Muslic begeistert die Fans

Schalke – Hertha 2:1: Wiederauferstehung unter Muslic begeistert die Fans

2. August 2025 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 gewinnt das Eröffnungsspiel der zweiten Bundesliga verdient mit 2:1 (2:0) über Hertha BSC Berlin. Nach dem Kulissendonner im Vorfeld mit etlichen dummen Sprüchen aus der Hauptstadt ist nicht nur das Ergebnis eine Genugtuung für die königsblauen Fans, sie feiern auch eine bärenstarke erste Halbzeit und Neu-Coach Miron Muslic. Susanne Hein-Reipen berichtet…

Freitagabend, Autobahnsperrungen im Ruhrpott, da müssen Autofahrer Geduld mitbringen. Endlich an der Arena angekommen, schickt Petrus noch einen Platzregen vom Feinsten auf die Fans hinunter, doch der Vorfreude auf den Saisonauftakt tut das keinen Abbruch. Einhelliger Tenor an allen einschlägigen Treffpunkten „Endlich geht datt wieder los!“. Paul Seguin, müssen auch die Ohren geklingelt haben, heißt es doch „noch weniger „Aufopferung“ wäre dann Wundliegen gewesen.“

Herthaner pfeifen Minikicker aus

Das mit Spannung erwartete neue Einlasssystem mit den Tickets im Wallet und NFC klappt erstaunlich gut, nur vereinzelt können Barcodes nicht auf Anhieb ausgelesen werden. Beim Fanspiel trennen sich Glück Auf Remstal und der FC Schalke 04 Fanclub Alb-Knappen e.V. mit 3:3. Im Hintergrund ist deutlich zu sehen, wie Muslic bei der Platzbegehung eine Gruppe junger Spieler um Felipe Sanchez einnordet.

Das Minimatch findet heute zwischen zwei Schalker Miniteams statt, wobei nicht klar wird, ob gar keine entsprechende Kindermannschaft der Herthaner eingeladen wurde oder ob diese nicht den Mut hatten, anzutreten. Fest steht aber: Nachdem sich „Team Blau“ und „Team Weiß“ mit ganz viel Herzblut beharkt haben, fassen sich alle an die Händchen und stürmen Richtung Nordkurve, die sie standesgemäß mit einer Welle begrüßt – und die „alle in Weiß“ angetretenen erwachsenen I*ioten im Gästeblock haben nichts Besseres zu tun, als begeisterte Kinder auszupfeifen. Die Verachtung der Schalker ist ihnen gewiss und wird durch mehr als lautstarkes „Hertha-Schweine“ und „Ihr seid nur ein H*rensohnverein!“ adressiert.

Euphorische Begrüßung der Mannschaft

Danach bringt sich die Nordkurve durch „Das Stadion bebt, wenn Schalke heute dieses Spiel gewinnt“ weiter auf Betriebstemperatur. Die Torhüter werden mit lautstarkem Applaus zum Warmmachen empfangen – als die Mannschaft auf das Feld kommt, wird sie euphorisch begrüßt, als hätte es die gruselige letzte Saison nie gegeben. Datt is‘ Schalke…!

Für die Herthaner gibt es ein ausgewachsenes Pfeifkonzert. Bei Quatscher Jörg Seveneick steht währenddessen „Glücksbringer“ und Ehrenkapitän Bene Höwedes Rede und Antwort. Die Statistik spricht klar für Schalke. Schnell die Aufstellung der Gäste und die Schiedsrichter angesagt, dann kann es richtig losgehen: Zunächst performt Florians-Sänger Arnd Kotlenga den „Königsblauen S 04“ – zur Freude der Schalker in der Urversion mit „deutscher Meister kann nur Schalke sein“ -, dann werden gemeinsam das Steiger- und Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ geschmettert. Endlich!

…doch wir steh’n immer Hand in Hand

Die Frage vor Auftaktspielen ist immer: Fanmarsch oder Choreo? Nachdem es in den letzten Jahren auch aufgrund des „Problemfensters“ Märsche von der Domplatte Buer zur Arena gab, ist dieses Jahr wieder eine Choreo angesagt: Zunächst färbt sich die Nordkurve schwarz; ein großes Banner zwischen Ober- und Unterrang zitiert aus „Zeig‘ mir den Platz in der Kurve“ die geflügelte Zeile „Manch böser Tag zog schon in’s Land“. Passend dazu erscheinen diverse Spruchbänder mit unschönen Ereignissen auf Schalke: „FC Meineid“, „Pressehetze“, „Finanzkrisen“, „Maulwürfe“, „sportliche Talfahrten“ und „interne Machtkämpfe“ und einiges mehr ist dort zu lesen. Doch mit solch negativen Aspekten wird natürlich keine neue Saison eingeleitet und so macht die Schwärze einem blau-weißen Hexenkessel voller Leben, Fahnen, Doppelhaltern und Konfetti Platz, denn „wir steh’n immer Hand in Hand“ und sind deshalb nicht totzukriegen! Dazu wird „Schalke, ich bin für dich geboren“ beschworen.

Als erste Startelf schickt Neu-Coach Muslic Karius, Sanchez, Katic, T. Becker, V. Becker, El-Faouzi, Schallenberg, Gantenbein, Antwi-Adjej, Remmert und Sylla ins Rennen.

Furioser Start

Hertha hat Anpfiff, die Nordkurve steigt mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, „Für Deine Farben“ und der Attacke ein. Und sie wird belohnt: Anders als in der Vorsaison ist Schalke ab der ersten Minute hellwach und geht aggressiv in die Zweikämpfe. Remmert und Sanchez (gegen den Ex-Schalker Reese) bekommen früh Szenenapplaus, auch der erste Torschuss geht auf das königsblaue Konto, doch Sylla verzieht (4.). Kurz darauf kann Karbownik gegen Remmert blocken (7.), Schallenberg und Antwi-Adjej verfehlen den Kasten (8.). Dann haben die ersten Zuschauer bereits den Torjubel auf den Lippen, aber Kownacki kann den Kopfball von Sylla nach weitem Einwurf von Antwi-Adjej noch über die Latte bugsieren (13.). Schade!

Umso schöner darf dann drei Minuten später gejubelt werden: Remmert marschiert nach Vorarbeit von Gantenbein in den Strafraum, wo er gemeinsam mit Dardai zu Boden geht und im Liegen zu Sylla weiterpasst. Der bedankt sich und schiebt cool aus neun Metern Entfernung zur umjubelten 1:0-Führung ins linke Eck ein (16.). Ein Leben laaaaaang….!

Kneif mich mal…

Und es geht Schlag auf Schlag weiter: Ernst muss erneut gegen Sylla retten (19.), in der 20. Minute darf auch Karius erstmals mitspielen und klärt gegen Zeefuik. Remmert holt gegen Leistner einen Freistoß in aussichtsreicher Position rund 20 Meter vor dem Tor raus (21.). Sofort fordert die Kurve „Auf geht‘s Schalke schieß‘ ein Tor“ – und die Mannschaft liefert: Den Freistoß von Antwi-Adjej kann Ernst zwar noch um den Pfosten lenken, aber die fällige Ecke versenkt Katic per Kopfball zum 2:0 (23.). In den frenetischen Jubel der Schalker mischt sich Unglauben: Kann mich bitte mal einer kneifen, wie souverän Schalke hier bislang auftritt…?

In der Nordkurve und in Block I/K flammen immer wieder Bengalos auf, die den Sicherheitssprecher auf den Plan rufen. Die Nordkurve lässt sich davon natürlich herzlich wenig beeindrucken und startet einen kleinen Pogo zu „Stadion geh’n“, dann erscheint ein Banner „125 Jahre VfL – alles Gute“ für die Verbündeten aus Gladbach.

Hochverdiente Pausenführung

Auf dem Rasen bemüht sich die sichtlich konsternierte Hertha nun um etwas mehr Spielkontrolle, doch mehr als fruchtloser Ballbesitz springt dabei nicht heraus, zu engagiert geht die Schalker Defensive zu Werke. Auch Vitalie Becker kassiert Szenenapplaus (28.). Die erste Gelbe des Spiels geht an Gantenbein für ein taktisches Foul an Karbownik (30.). Karius ist rechtzeitig vor Reese am Ball (35.), Zeefuik blockt gegen Sylla (36.). Die Kurve ist über den Einsatz begeistert und stimmt lautstark „Uns‘re Fahnen weh‘n im Wind“ und „Steht auf“ an.

Kurz vor der Pause reißt es wieder alle Schalker von den Sitzen: Nach einer Flanke von Gantenbein auf der rechten Seite steht Remmert acht Meter vor dem Tor völlig frei, setzt den Ball aber leider etwas überhastet über das Gehäuse (40.). Das hätte eigentlich das 3:0 sein müssen. Remmert setzt sofort nach, angefeuert durch „S! 0! 4!“ und „Olé Blau-Weiß“, doch bis zur Pause passiert außer einer gelben Karte für Antwi-Adjej nichts mehr. Mit einer Minute Nachspielzeit und viel Beifall geht es mit der verdienten 2:0-Führung in die Kabine.

Beim Pausenbier ist die Freude über den couragierten Auftritt allgegenwärtig. Nach der Fanbox blickt Thomas Kirschner für „Fanbelange aktuell“ auf das Trainingslager im Stubaital zurück, erläutert die baldige Zuteilung für die nächsten Auswärtsspielen und gratuliert Urgestein Frank „Arndti“ Arndt zum 60. Geburtstag.

Hält Schalke durch?

Hertha-Trainer Leitl, der in der Woche vor dem Spiel mit einigen zweifelhaften Aussagen glänzte, tauscht zum Wiederanpfiff Dardai gegen Kolbe, Schalke kommt personell unverändert wieder auf den Rasen. Die Nordkurve zeigt ein „Meister müssen aufsteigen“-Banner für die entsprechende Initiative und stimmt „Schalke nur du alleine“ und „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ an.

Das Spiel ist nun ausgeglichener als im ersten Durchgang, Chancen bleiben auf beiden Seiten Mangelware. Fleißkärtchen und anerkennenden Applaus des königsblauen Anhangs verdienen sich insbesondere Vitalie Becker und Peter Remmert. Muslic macht an der Seitenlinie fast genauso viele Meter wie die blauen Jungs auf dem Feld, schreit, lobt, dirigiert, tröstet und feuert an. Auch die Mannschaft auf dem Feld pusht sich ständig gegenseitig, ein sehr gutes Zeichen.

Die erste halbwegs gefährliche Aktion entsteht nach einer knappen Viertelstunde: Reese läuft nach Zuspiel von Krattenmacher allein auf Karius zu, dieser bleibt jedoch im Eins-gegen-eins der umjubelte Sieger (57.), zudem stand der Kapitän der Gäste wohl ohnehin im Abseits. Auf der Gegenseite köpft Remmert eine Hereingabe von Becker rechts am Tor vorbei und wird kurz darauf unter Standing Ovations durch Max Grüger ersetzt (61.).

Die Stimmung in der Arena ist nach wie vor blendend, „Immer wieder S04“ und „Eine Stadt erstrahlt in Blau“ machen die Runde, dazu flammen immer wieder Bengalos in Block K auf. Demme sieht für eine Grätsche gegen Schallenberg Gelb (66.), dann probiert Leitl es mit einem Doppelwechsel und ersetzt Krattenmacher und Karbownik durch Thorsteinsson und Winkler (69.).

Abwehrschlacht mit Happy-End

Mit 62.083 Zuschauern plus ein paar aus Sicherheitsgründen gesperrten Sitzen um den Gästeblock ist die Arena ausverkauft. Auch Sanchez reiht sich für ein taktisches Foul gegen Kownacki in die Riege der Gelbsünder ein (74.), dann dürfen Höjlund und Lasme für Antwi-Adjej und Sylla ran (77.) ran. Höjlund macht sich sofort nützlich und bugsiert eine Eckball-Flanke von Cuisance aus der Gefahrenzone. Danach haben auch Cuisance und Kownacki fertig, für sie kommen Jensen und Grönning.

Zu den Klängen von „Wir komm‘n vom Berger Feld“ vergeben Lasme und Timo Becker zwei weitere Möglichkeiten. Die Nordkurve merkt, dass die Kräfte der aufopferungsvoll kämpfenden Mannschaft schwinden und fordert das gesamte Stadion zum Support auf, was sofort eine extralaute Version der „Asozialen Schalker“ hervorbringt.

Weder der tolle Support noch der Kampfgeist können jedoch verhindern, dass es noch einmal turbulent wird: Muslic schöpft nun ebenfalls das Wechselkontingent aus und bringt Ayhan und Bulut für Sanchez und Gantenbein – und plötzlich steht es wie aus dem Nichts 2:1, denn Grönning nutzt nach Vorarbeit von Thorsteinsson und Winkler aus, dass Bulut noch nicht ganz „angekommen“ ist und verkürzt (89.).

Katic sieht Gelb wegen Meckerns (89.) und es sind fünf Minuten Nachspielzeit mit Zittern angesagt: Karius klärt gegen Kolb (90+1.), Höjlund zockt Leistner ab (90+2.), Timo Becker klärt gegen Eitschberger (90+3.), Grönning köpft vorbei (90+4.), Karius sieht Gelb wegen Zeitspiels (90+4.) und im Eifer des Gefechts verletzt Ayhan Katic bei einer Rettungsaktion am Ohr, so dass er kurz wegen einer blutigen Wunde behandelt werden muss. Doch der bosnische Hüne kommt sofort aufs Feld zurück – und fliegt sofort mit Gelb-Rot wieder runter, weil er im Kopfballduell mit Reese wohl die rechte Hand zu Hilfe nimmt (90+8.). Den fälligen Freistoß setzt Reese deutlich über das Tor und das Spiel ist endlich AUS!

Drei mehr als willkommene Punkte

Der Jubel über den Sieg ist riesig, die Häme über die bedröppelten Gesichter der Berliner auch. „Berlin, Berlin, wir scheißen auf Berlin“ und „Hertha-Schweine“ sind die Quittung für die dummen Sprüche der Woche. Pfiffe der eigenen Fans setzt es für die Spieler der alten Dame obendrauf.

Ganz anders die siegreichen Jungs in Königsblau: Trainer Miron Muslic marschiert sofort Richtung Kurve und bedankt sich für den Support, dann wird auch die Mannschaft bereits mit dem bekannten „Wir werden siegen, weil wir die Guten sind“-Banner begeistert empfangen. Die Begeisterung darüber, dass die Mannschaft nicht nur gewonnen, sondern sich als echte Einheit voller Leidenschaft präsentiert hat, ist riesig. Gemeinsam wird dann genüsslich „Stadion geh’n, im Pappbecher Bier…“ zelebriert. Nicht nur den Neuzugängen sind die Freude und Erleichterung über die Hingabe der Kurve deutlich anzusehen. Sogar ein augenzwinkerndes „Spitzenreiter, Spitzenreiter“ darf nicht fehlen.

Die Mannschaft geht auf eine verdiente Stadionrunde, erneut flankiert von Kotlenga mit dem „Königsblauen S04“, dann gehen alle Zuschauer hochzufrieden nach Hause.  Freitagabendsiege verschönern das ganze Wochenende, bitte weiter so!