Schalke – Nürnberg 1:0: Vitalie Becker schießt Schalke zur umjubelten Herbstmeisterschaft
15. Dezember 2025Der FC Schalke 04 gewinnt auch das Heimspiel gegen die Fanfreunde vom 1. FC Nürnberg mit 1:0 (0:0) und krönt sich vorzeitig zum Herbstmeister. Die Fans, die vor dem Spiel eine tolle Choreo mit den Wappen beider Vereine gezeigt hatten, bejubeln den vor der Saison nicht für möglich gehaltenen Erfolg euphorisch. Susanne Hein-Reipen berichtet…
Rund um die Begegnungen der wohl bestgepflegten Fanfreundschaft im deutschen Fußball finden immer diverse „Freundschaftsaktionen“ statt. Auch dieses Mal gab es u.a. einen Kinotag, ein Selbstbehauptungsseminar und ein Schockturnier für Fans beider Vereine. Beim „Wintertreff“ auf dem Rudi-Assauer-Platz kann man sogar gleich eine Doppelmitgliedschaft bei beiden Clubs buchen, während im Fanshop sowohl Freundschaftsschals als auch „150 Jahre Gelsenkirchen“—Schals weggehen wie warme Semmeln.
Ein Championsleaguesieger kehrt heim
Im Vorprogramm gibt’s ein torreiches 5:5-Remis des „Delbrücker Kreisels“ gegen die „Verler Schalke Freunde“, Maskottchen Erwin führt den diesjährigen Christmaspulli – bei weitem nicht so ugly wie seine Vorgänger – spazieren und Sportvorstand Frank Baumann singt zu Recht ein Hohelied auf das Ehrenamt: Ehrenamt ist unbezahlbar!
Während sich die Mannschaften aufwärmen, umrahmt von Traditionsfahnen beider Vereine, treten am Mikrofon Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Andrea Henze, Matthias Tillmann und Joel Matip an, um den 150. Geburtstag der Stadt zu würdigen. Besonders Matip, Absolvent der Knappenschmiede und später Gelsenkirchener Aushängeschild bei CL-Sieger Liverpool, erntet viel Applaus.
Der gutgefüllte Gästeblock grüßt mit einem großen Banner „1. FC Nürnberg eingetragener Verein seit 1900“, die Heimstatistik spricht eindeutig für Schalke. Beim Duell der beiden „Altmeister“ stehen satte 16 deutsche Meistertitel auf dem Rasen.






Nordkurve verblüfft mit blitzschneller Choreo-Wendung
Nach Verlesung der Aufstellung des FCN – Klose vertraut auf Reichert, Yilmaz, Lochoshvili, Gruber, Drexler, Markhiev, Lubach, Becker, Zoma, Grimaldi und Justvan – wird gemeinsam die wunderschöne Glubb-Hymne „Die Legende lebt“ geschmettert, dann folgen „Schaaaalke und der FCN“ und das Steigerlied, auch im Gästeblock mit Lämpchen begleitet.
Beim Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb‘ ich Dich“ erscheint in der Nordkurve das Vereinslogo Blau auf weißem Grund, alles dargestellt mit entsprechenden Regenponchos – sieht super aus, doch normalerweise feiern die Choreos beim Freundschaftsduell ebendiese Freundschaft und nicht einseitig einen der beiden Vereine…?
Auch bei der Aufstellung der Hausherren strahlt es Blau und Weiß. Chefcoach Miron Muslic vertraut Karius, Kurucay, Katic, Ayhan, V. Becker, Schallenberg, El-Faouzi, Wallentowitz, Karaman, Antwi-Adjei und Sylla. Aber dann: Als die beiden Mannschaften zu den Klängen von „Whatever you want“ das Spielfeld betreten, wendet sich das Schalker Logo in Sekundenbruchteilen in das rot-weiße Wappen des FCN auf schwarzem Grund. Großartig choreographiert!






Torloser erster Durchgang
Als es auf dem Rasen losgeht, werden die Papptafeln wieder gesenkt, so dass darunter das Logo aus Ponchos sichtbar bleibt. Die Nordkurve gibt dann auch direkt mit „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, zwei „Attacken“ und dem Wechselgesang die Richtung vor, doch auf dem Feld glänzt der Glubb mit mehr Ballbesitz und den ersten nennenswerten Offensivaktionen. Erst nach rund 25 Minuten kommt Kenan Karaman nach einem Einwurf im Strafraum zum Abschluss, doch der Ball wird von Drexler mit dem Arm geblockt. Schiedsrichter Dinger lässt zum Ärger des Schalker Publikums weiterlaufen, ohne den VAR zu Rate zu ziehen.
Musikalisch geht es mit „Für deine Farben leben und sterben wir“, „Geh‘n mit Dir auf jede Reise“ und „Auf geht‘s Schalke kämpfen und siegen“ weiter, spielerisch hält das Schalker Abwehrbollwerk die Nürnberger durchaus effektiv vom eigenen Sechzehner fern. Die Schalker Offensive bringt jedoch auch nur wenige Chancen – oder sagen wir Chäncchen – zustande; eine davon lässt sich Karaman von Markhiev vom Fuß spitzeln (32.).
In beiden Fanblöcken wehen auch Fahnen der anderen Mannschaft, Pfiffe oder Beschimpfungen sind tabu. Auch als erst Katic und wenig darauf Lubach auf dem Feld behandelt werden müssen, fallen die üblichen rüden Aufforderungen, doch aufzustehen, weg. Die Nordkurve entledigt sich jetzt der schweißtreibenden Plastikponchos und benutzt diese zusammengeknüllt zum Wedeln, mit „Schalke nur Du alleine“, „F-C-Schalke-Neun-zehn-hun-dert-vier!“ und „Stadion geh’n“ soll die Mannschaft zum Tor vor der Pause angetrieben werden, doch außer einer gelben Karte für Lochoshvili springt auch in der 04minütigen Nachspielzeit nichts mehr raus.






Vitalie Becker hat Blut geleckt
Neben Fanbox und Fanbelangen dominiert in der Pause der in den letzten Heimspielen erlernte Optimismus, dass die Schalker Spieler nicht aufgeben, bis die erlösende Bude fällt.
Zum Wiederanpfiff tauscht Miron Muslic gleich doppelt, Porath kommt für Wallentowitz, Gomis ersetzt Antwi-Adjei. In der Nordkurve mahnt ein großes Banner „Fans und Vereine: Gemeinsam weiter gegen Populismus!“, nach den moderaten Beschlüssen der Innenministerkonferenz weiter Flagge zu zeigen gegen die verbalen Scharfmacher, die Stadien zu lebensgefährlichen Orten deklarieren und mit der geballten Staatsmacht disziplinieren wollen.
Auf dem Rasen geht es zunächst mit etwas Klein-Klein und einer Ecke für die Gäste weiter, aber dann: Konter Schalke, Karaman spielt einen Zuckerpass nach links in den Lauf von Vitalie Becker, der das Leder seinerseits von der Strafraumkante mit links und viel Wumms zum 1:0 ins lange Eck bugsiert (52.). Der Torschütze, der bereits in Düsseldorf sein Premierentor erzielen konnte „und dabei offenbar Blut geleckt hat, wie geil es ist, für Schalke zu treffen“ (so ein älterer Herr in Block M) lässt sich von seinen Mannschaftskameraden feiern, während die Kurve neben diversen fliegenden Bierbechern sofort „Unsre Fahnen weh’n im Wind“ und „Wir lieben alle nur den FC Schalke“ anstimmt.






Karius zeigt sein Können
Kurz darauf sieht Kurucay Gelb wegen eines Fouls am Nürnberger Becker (54.); Sylla lässt die Chance auf das schnelle 2:0 liegen, sein Volley liegt ein wenig zu hoch (56.).
Zu den Klängen von „Immer wieder S04“ darf nun auch der bislang wenig beschäftigte Karius am Spiel teilnehmen: In Kurzer Folge klärt er gegen Justvan (64.) und mit einer wahren Monsterparade gegen einen Abschluss von Lochoshvili im Fünfmeterraum (66.). Schallenberg sieht Gelb wegen Haltens gegen Finn Becker, Kurucay hat Glück, dass ihm ein Foul an Justvan nicht Gelb-Rot einträgt (69.). Mit 62.278 Zuschauern, rund 5.000 davon aus Franken, ist die Veltins-Arena restlos ausverkauft. Sicherheitspuffer oder gesperrte Plätze braucht man bei diesem Match nicht!
Die Nordkurve lässt die Stadt in Blau erstrahlen, der Gästeblock gratuliert artig zu 150 Jahren Gelsenkirchen, dann vereinen sich beide Fanlager in „Schalke und der FCN“, während auf dem Rasen das große Wechseln beginnt. Stepanov ersetzt Finn Becker, während bei Schalke Timo Becker nach langer Verletzungspause für den gelb-rot-gefährdeten Kurucay randarf und mit standing ovations begrüßt wird. Pöpperl kommt für Schallenberg (77.). Nürnberg drückt Schalke jetzt ziemlich in die Defensive, aber diese hält stand. Zu „Schalke, ich bin für dich geboren“ verlässt der Torschütze des Tages unter Applaus den Rasen, für ihn kommt Sanchez (86.).
Markhiev sieht für eine Grätsche gegen Sylla die Gelbe Karte (87.), dann darf noch einmal der „weiße Riese“ Karius glänzen und wehrt per Reflex einen Kopfball von Stepanov aus kurzer Distanz ab (89.). Klose versucht es noch mit Scobel und Baack für Grimaldi und Drexler, doch einzig Lochosvili kann in der 04minütigen Nachspielzeit noch etwas Gefahr entfalten. Ein kleines Rudel vor den Trainerbänken trägt Lubach und Gomis noch jeweils eine gelbe Karte ein, dann ist Schluss – Schalke ist Herbstmeister!!!






Ein Happy End, das niemand für möglich gehalten hätte
Mit satten 37 Punkten und nur 8 Gegentoren aus 16 Spielen ist Schalke unabhängig vom Ergebnis des letzten Spiels in Braunschweig vor Weihnachten nicht mehr vom Platz an der Sonne zu verdrängen, eine Platzierung, die selbst die kühnsten Optimisten nach der gruseligen Vorsaison (dort stand nach 34 Spielen nur ein einziger Zähler mehr auf der Habenseite als jetzt, nämlich 38) schlicht nicht für möglich gehalten hätten. Entsprechend äußert sich auch Frank Baumann.
Wer Herbstmeister wird, hat sich natürlich auch eine echte Herbstmeisterparty verdient: Angeführt von „Feierbiest“ Timo Becker, dem die Erleichterung über sein Comeback ins Gesicht geschrieben steht, stürmt die Mannschaft vor die Kurve und feiert. Kling Glöckchen, kleine Ansprache vom Capo, Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey, und dann: Schals hoch, Mythos raus… Einige Spieler schauen so ergriffen auf die begeisterte Menge, als sei ihnen bereits der Weihnachtsmann erschienen. Zu einer erneuten Runde „Kling Glöckchen“ finden sich alle zum Siegerfoto, bevor es auf die Stadionrunde geht.
Die Party haben sich alle Beteiligten verdient, bevor in Braunschweig hoffentlich ein würdiger Schlusspunkt unter diese famose Hinrunde gesetzt wird. Dann kann unter einem sehr viel besseren Stern als im Vorjahr Weihnachten gefeiert und sich auf die Rückrunde gefreut werden…






Danke Susanne,
wie immer sehr gut und ausführlich.
Allen schöne und friedvolle Weihnacht!