
Lok Leipzig – Schalke 0:1 n.V.: Mühsamer Schalker Sieg wird von Anfeindungen gegenüber Antwi-Adjei überschattet
18. August 2025Der FC Schalke 04 gewinnt dank eines Treffers von Joker Bryan Lasme mit 1:0 n. V. bei Lok Leipzig und zieht in die 2. Hauptrunde des DFB-Pokals ein. Für sehr unschöne Begleitumstände sorgen rassistische Bemerkungen und ein penetrantes Pfeifkonzert gegen Christopher Antwi-Adjei. Susanne Hein-Reipen berichtet…
Das erste Pflichtspiel zwischen Lok und Schalke seit fast 20 Jahren löst auf beiden Seiten einen Run auf die Tickets aus, denn das Bruno-Plache-Stadion verfügt aktuell über eine Kapazität von knapp 12.000 Zuschauern. Viele der Königsblauen, die das Glück haben, eine der begehrten Karten zu ergattern, reisen bereits am Samstag an. In der Leipziger Innenstadt kommt es dabei zu einigen verbalen Auseinandersetzungen, in Probstheida unweit des Stadions sitzen Blau-Weiße und Blau-Gelbe friedlich nebeneinander im Biergarten Diani.
Polizei fährt gewaltig auf
Am Sonntag kreist bereits gegen halb 12 ein Polizeihubschrauber über dem Gelände, am Boden fahren zwei Wasserwerfer und unzählige Mannschaftstransporter auf. „Dritter Weltkrieg oder was?!“ murrt ein Schalker, der Richtung Gästeeingang – passenderweise an der Straße „Zum Förderturm“ – stiefelt. Dass es an beiden Eingängen durch den Andrang und die akribischen Kontrollen zu großen Menschentrauben und erklecklichen Wartezeiten kommt, kann aber auch die Polizei nicht verhindern. Für zusätzlichen Stress sorgt ein versuchter Blocksturm.






Die Verpflegung am Gästeeingang ist ebenfalls ausbaufähig, während es auf der gegenüberliegenden Seite unter dem Motto „Fleisch ist mein Gemüse“ sehr leckere Würstchen vom Grill gibt. Viele Lokfans tragen stolz das eigens für den Pokal aufgelegte Sondertrikot, nicht wenige outen sich auch, dass ihr Herz für beide Vereine schlägt. Die Seidenspielschals finden trotz des vergleichsweise happigen Preises von 16 Euro reißenden Absatz, auch die Jungs und Mädels mit der Choreo- und Becherspende dürfen sich über guten Zuspruch freuen.
Ein ganz besonderer Leckerbissen für traditionsinteressierte Fußballfans ist die blau-gelbe Lokomotive hinter dem Eingang, liebevoll restauriert von den „Ü50-Ultras“ von Lok. Ein echtes Schmuckstück, ebenso wie die älteste Holztribüne Deutschlands. Hier ist sogar das Eis blau-gelb… Große Banner mahnen, rechtzeitig im Block zu sein und feiern das 20jährige Jubiläum von Blue Side Lok.






Der Mythos lebt
Über der Heimkurve prangt ein weiteres Transparent mit der Aufschrift „Der Mythos lebt“ – mit Mythen kennt man sich ja auch am Schalker Markt bestens aus. Zum Schalker Anhang gehören auch Quatscher Dirk Oberschulte-Beckmann und die Eltern von Timo Becker. Der Schalker Apfel fällt offenbar nicht weit vom Stamm.
Während sich die Mannschaften warmmachen, begrüßt der Stadionsprecher gegen 15 Uhr auch die Gästefans sehr freundlich und schmeißt eine schräge Version von Major Tom in die Musikanlage. Bei der Schalker Aufstellung bekommen „Felipe Santana“ (alias Sanchez) und „Mertcan Ayran“ (alias Ayhan) leichte Updates, ansonsten läuft alles glatt und noch ohne Beleidigungen und Pfiffe. Chefcoach Miron Muslic vertraut auf Heekeren, Kurucay, Katic, T. Becker, V. Becker, El-Faouzi, Grüger, Antwi-Adjei, Karaman, Höjlund und Sylla.
Der Stadionsprecher bedankt sich, dass Schalke die „Meister müssen aufsteigen“-Initiative unterstützt; dann marschieren sechs Traditionsfahnenträger ein und die Aufstellung der Hausherren wird zelebriert. Es folgt „Blau und Gelb ein Leben lang“ und ein „FCL! – FCL!“-Wechselgesang, der auch ohne vorheriges „Aufwecken“ von Tribüne und Gegengerade prima funktioniert.






Kaum ein Klassenunterschied zu sehen
Beide Fanlager unterstützen ihr Team akustisch und optisch. Hinter dem Gästeblock prangt das große NORDKURVE GELSENKIRCHEN-Banner, die Heimkurve zeigt eine Choreo „Deutscher Pokalsieger“ mit der Erinnerung an den historischen 2:1-Triumph im Jahr 1936.
Schalke hat Anstoß, lautstark unterstützt von „Schaaalke und der FCN“ und „FC Schalke 04 olé-olé“. Die Heimfans halten mit „Hier regiert der FCL“ dagegen. Aufdem Rasen bemüht sich Schalke, das Heft in die Hand zu nehmen und hat schon nach wenigen Sekunden durch Sylla den ersten Abschluss. Das erste Lebenszeichen für Lok gibt Abderrahmane ab (6.), aber Heekeren ist auf dem Posten. Sein Gegenüber Naumann klärt gegen Höjlund (8.).
Auf der Gegengerade sind zwei komplette Blocks frei als „Sicherheitsabstand“ zwischen den beiden Fanlagern, schade um die vielen verschenkten Plätze, zumal die Polizei insbesondere rund um den Gästeblock sehr zahlreich zugegen ist. Die Heimkurve stimmt wiederholt den FCL-Wechselgesang an, der Gästeblock kontert mit “FC Schalke, schalalala“ und „Gehn mit Dir auf jede Reise“. Auch „Ost-Ost-Ostdeutschland“ darf nicht fehlen.






Antwi-Adjei wird beleidigt und ausgepfiffen
In der 13. Spielminute entwickelt sich aus einer Allerweltszene mit einem Einwurf an der Seitenlinie eine heftige Diskussion zwischen Antwi-Adjei, dem Linienrichter und infolgedessen Schiedsrichter Burda und den beiden Kapitänen, weil aus dem dahinterliegenden Block rassistische Bemerkungen gefallen sind. Nach einer Durchsage des Stadionsprechers, derlei diskriminierende Rufe zu unterlassen, geht es mit einer Riesenchance für Sylla weiter, aber er scheitert an Naumann.
Persönliche Anmerkung: Ich saß ein Stück hinter dem besagten Block und habe zwar nicht den „Stein des Anstoßes“ gehört, aber einige absurde Beschimpfungen wie „Tritt das schwarze Stück Schei**e tot“ danach – ohne dass die zahlreichen darum herumsitzenden Lok-Fans den Rufern eine Ansage gemacht haben. Ich halte es daher für richtig und wichtig, dass Antwi-Adjei Anzeige erstattet und Muslic sich unmissverständlich gegen die Ausrede eines „Einzeltäters“ ausgesprochen hat. Rassistischer Schei**dreck hat beim Fußball nichts zu suchen!
Der Vorfall vergiftet die bis dahin exzellente Stimmung nachhaltig. Antwi-Adjei wird bei jeder Ballberührung ausgepfiffen, der Gästeblock positioniert sich mit „Wir hassen Ostdeutschland“, was den normalen Fans genauso wenig gerecht wird.
Heekeren mit guten Aktionen
Schalke erarbeitet sich in der Folgezeit durch Katic (22.) und Sylla (24., 26.) einige Abschlüsse, ohne Naumann wirklich in Bedrängnis zu bringen. Lok hält tapfer dagegen, angefeuert von einem rhythmischen Klatschkonzert. Die Fans aus dem Ruhrpott bringen das königsblaue Liedgut von „Um die halbe Welt sind wir gefahr’n“ über „Deine Kurve steht immer wieder treu zu dir“ bis „Das Stadion bebt“ an den Fan.
Kurz vor der Pause kommt Lok über Arcalean zweimal vor das Tor von Heekeren (39./41.), aber der in der letzten Saison vielgescholtene junge Keeper klärt beide Situationen problemlos. Kurz darauf verdient er sich mit einer Rettungstat gegen Siebeck (43.) einen Sonderapplaus der Kurve, die zu „Stadion geh’n“ und „Wir komm‘n vom Berger Feld“ übergangen ist. Die letzte Aktion im ersten Durchgang geht ebenfalls an die Gastgeber, aber der Schuss von Adetula verfehlt das Tor deutlich. Mit Applaus insbesondere des Heimpublikums geht es torlos in die Kabinen.
Das Pausenprogramm besteht aus einigen kurzen Verabschiedungen, im Gästeblock sind die Aktionen gegen Antwi-Adjei und das zähe Offensivspiel Thema. „Karaman ist noch längst nicht bei 100 Prozent“ spricht einer aus, was alle denken.






Torloser und zäher zweiter Durchgang
Das Startsignal zum Wiederanpfiff ist stilecht das Pfeifen einer Lok. Beide Mannschaften sind personell unverändert wieder auf dem Rasen. Die Heimkurve nutzt die Gelegenheit für eine kleine Choreo zu 20 Jahre Ultras, reichlich ätzend riechende Rauchtöpfe inklusive. Der Gästeblock erprobt derweil „S! 0! 4!“ und die Attacke.
Heekeren klärt per Fußabwehr gegen Arcalean (54.), auf der Gegenseite entschärft Naumann einen Schuss von Sylla aus spitzem Winkel (57.). Nun sind „Eine Stadt erstrahlt in Blau“, „Stadionverbote halten uns nicht auf“ und „Für die Jungs die draußen steh’n“ angesagt. Lok-Coach und Ex-Schalker Seitz bringt mit Cevis und Kang zwei frische Kräfte (65.), wenig später zieht Muslic nach: Sanchez und Bachmann ersetzen Höjlund und T. Becker (69.).
Der Leipziger Anhang supportet mit „erster deutscher Meister Vau-eff-bee“ und quittiert ein vollkommen harmloses Foul mit „Schalke-Schweine“. Mit „Ziane Fußballgott“ und Lasme und Ayhan für Grüger und Kurucay kommen weitere frische Kicker. In der 82. Minute hat Sylla dann fast aus dem Nichts die Vorentscheidung auf dem Fuß, doch sein Schuss nach Vorarbeit von Antwi-Adjei geht nur an die Latte. Sch…ade!
Der Stadionsprecher freut sich über ein mit 11.900 Zuschauern ausverkauftes Haus, „Kohle unter unsern Füßen“ duelliert sich mit „Hier regiert der FCL“, eine letzte Schrecksekunde für die Fans aus dem Ruhrpott – Sanchez grätscht Cevis ab -, dann ist die reguläre Spielzeit inklusive drei Minuten Nachspielzeit vorbei und das Spiel geht in die Verlängerung.






Lasme mit dem Lucky Punch
Ein Klassenunterschied war bisher nicht wirklich zu erkennen, wird das jetzt besser? Kapitän Karaman, für den es der erste Startelfeinsatz nach der Meniskus-Operation war, muss für Gantenbein weichen, Katic übernimmt die Kapitänsbinde. Lasme strapaziert seinen Ruf als Chancentod, weil er nach schöner Vorarbeit von Sylla aus sieben Metern das Tor verfehlt, wobei auch von Pieckowski noch im Weg stand (95.). Seitz bringt Verkamp (96.). Wegen eines medizinischen Notfalls mit zwei Krankenwagen auf der Gegengeraden ist der Support vorübergehend eingestellt, danach geht es mit „Schalalala, Schalke 04“ weiter.
Gegen Ende der ersten Halbzeit der Verlängerung hat Schalke durch Sylla (101.) und Lasme (102./105.) gleich drei Chancen, aber Naumann verdient sich Bestnoten. Seitz schöpft nun das Wechselkontingent ebenfalls aus und wechselt Zimmer ein.
Dann die Erlösung: Antwi-Adjei Einwurf landet bei El-Faouzi, dessen Flanke über Katic bei Lasme, der aus zwölf Metern die Nerven behält und zum erlösenden 0:1 einnetzt (107.). Jaaaa! Der Gästeblock ist erleichtert und stimmt „S04 nur mit Dir“ an.
Naumann klärt noch einmal gegen Sylla (111.), dann sieht Vitalie Becker die erste gelbe Karte des Spiels (112.). Nach einer Flanke muss Heekeren kurz am Rücken behandelt werden. Als er wieder auf den Beinen steht, nimmt Ziane extra Anlauf, um ihn erneut umzuschubsen, für diese Frustaktion gibt es natürlich ebenfalls Gelb, aber das Lok-Publikum feiert den Einsatz mit „Ostdeutschland“ (115.). Burda hat nun offenbar Gefallen an gelben Karten gefunden und dekoriert auch noch Katic und Abderrahmane wegen Rudelbildung, danach ist die Luft raus und nach 120+2 Minuten steht Schalke zwar nicht unverdient, aber gegen einen tapfer kämpfenden Regionalligisten alles andere als souverän in der 2. Hauptrunde.






Hauptsache weiter!
Der Gästeblock ist erleichtert über das auch finanziell wichtige Weiterkommen und stimmt „Wir lieben alle nur den FC Schalke“ an; die Heimfans feiern ihr Team für den couragierten Auftritt. Beide Mannschaften bekommen ordentlich Applaus.
Während sich die Fans auf den Heimweg machen, positioniert sich Muslic glasklar gegen die Versuche von Lok, die Entschuldigung für die Beleidigungen gegen Antwi-Adjei einer „Einzelperson“ zuzuschreiben: „Das ganze Stadion hat gepfiffen. Es ist keine Einzelperson!“
Es bleibt die Hoffnung, dass die vernünftigen ostdeutschen Fans es irgendwann schaffen, die Rufer solcher Parolen so zu ächten, dass die Pöbeleien gegen farbige Spieler aussterben.


