Schalke – Bochum 2:1: Die „Nummer 1 im Pott“ dreht das Spiel und wird frenetisch gefeiert

Schalke – Bochum 2:1: Die „Nummer 1 im Pott“ dreht das Spiel und wird frenetisch gefeiert

24. August 2025 0 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 gewinnt das Heimspiel gegen den kleinen Nachbarn VfL Bochum nach einer turbulenten zweiten Halbzeit verdient mit 2:1 (0:0) und rückt die Fußballverhältnisse im Pott wieder zurecht. Ein Fußballabend mit Choreo, Pyrotechnik, VAR, einem gehaltenen Elfmeter und einem Comeback nach Rückstand – Herz, was willst Du mehr? Susanne Hein-Reipen berichtet…

Ist Schalke – Bochum ein Derby? Oder ein Nachbarschaftsduell? Die Schalker, die sich am Clubheim auf P7 auf das Spiel einstimmen, sind sich relativ einig: Es ist EIN Derby, aber nicht DAS Derby. Die Bochumer pilgern derweil (fast) „Alle in Weiß“ Richtung Gästekurve, größere Zusammenstöße bleiben aus.

Beim Fanspiel trennen sich die „Blau-Weißen Kutscher“ und die „Gladbecker Freunde“ leistungsgerecht mit 2:2, das Minimatch entscheiden die Schalker U13 Mädels glatt mit 3:0 über die gleichaltrigen Bochumerinnen für sich und dürfen die Welle vor der Nordkurve machen. Die Torhüter werden jeweils von den eigenen Fans mit Applaus begrüßt. Am Mikro bei Jörg Seveneick machen derweil drei Vertreterinnen von Damenteam I Werbung für ihre Spiele, dann folgen die aktuellen News aus der Knappenschmiede.

Was macht Sylla?

Als die Schalker Feldspieler zum Warmmachen kommen, wird es laut. Stürmer Moussa Sylla applaudiert den Fans demonstrativ zurück, wobei nicht ganz klar wird, ob er sich für den Empfang und die Unterstützung bedanken möchte oder wie von einigen Boulevardblättern kolportiert seine Abschiedsvorstellung gibt. Am Mikro plaudert nun der Ex-Fanbeauftragte und jetzige Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte Patrick Arnold mit Jörg Seveneick und Sebastian Buntkirchen über seine Arbeit.

Die beiden Fanlager nutzen die Zeit, um sich gegenseitig ihre vorzügliche Hochachtung zu versichern: „Scheiß VfL“, „Scheiße 04“ und „Ihr seid nur ein H*rensohnverein“, wäre das auch geklärt. Wie es sich für ein Topspielnachbarschaftsderbyduell gehört, ist auch auf den Rängen einiges an Prominenz von Huntelaar bis Legat beider Vereine unterwegs. Jörg Seveneick verliest einen kurzen, aber sehr herzlichen Nachruf auf den verstorbenen Ulli Potofski, dann gibt es die Heimspielstatistik: Klar pro Schalke, zudem wurden die letzten sechs Heimspiele über die Elf von der Castroper Straße gewonnen.

Der Stolz einer Region – es regiert der FC Schalke 04

Für die Bochumer Aufstellung gibt’s Pfiffe im Dutzend billiger, dann folgen ungewöhnlich früh – rund eine Viertelstunde vor Spielbeginn – das Steigerlied, das Vereinslied „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ und die königsblaue Aufstellung: Es starten Karius, Kurucay, Katic, T. Becker, V. Becker, El-Faouzi, Schallenberg, Gantenbein, Karaman, Antwi-Adjei und Sylla. Der Zeitplan hat natürlich seinen Grund, denn in der Nordkurve wartet nunmehr das vierte Heimspiel hintereinander wieder eine Großchoreo:

Zunächst wird die Kurve mit dunkelblauen und weißen Längsstreifen unterteilt, dann spannt sich ein langes Banner mit der Aufschrift „Der Stolz einer Region – es regiert der FC Schalke 04“ über die gesamte Vorderfront der Kurve. Mit passender Musik untermalt werden dann langsam riesige Fahnen mit „Ruhrpott“ und dem Vereinswappen in der Mitte hochgezogen. Gänsehaut pur! Die Auswärtschoreo der Gäste mit etlichen Fackeln zu „4630 Bochum“ gerät komplett ins Hintertreffen.

„Kohle unter unsren Füßen“ leitet von der Choreo in die ersten Spielminuten über. Die erste Aktion nach dem gegenseitigen Abtasten gehört Schalke, Vitalie Becker prüft, ob Timo Horn im Tor der Bochumer schon wach ist (5.). Auf der Gegenseite befördert Strompf einen Ball auf statt in das Tor (8.).

Karius als Elfmeterkiller

Bochum bemüht sich um Spielkontrolle, Schalke hält, unermüdlich angefeuert durch „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“, „Auf geht’s Schalke schieß‘ ein Tor“ und „Für deine Farben“ dagegen und kann durch einen Distanzschuss von Timo Becker den nächsten Abschluss verbuchen (17.), der Ball passiert den linken Pfosten auf der falschen Seite.

Im Schalker Strafraum beharken sich der Ex-Schalker Hofmann und Kurucay und Schallenberg, das Spiel läuft weiter, akustisch untermalt durch „Wir kommen vom Berger Feld“ und eine Attacke. Doch mehrere Minuten später fasst sich Schiedsrichter Willenborg ans Ohr, das verhasste Pfeifensymbol des VAR erscheint auf dem Würfel und nach der Rücksprache mit den Dämonen der Kölner Unterwelt befindet Willenborg auf ein Handspiel von Kurucay und somit Elfmeter für Bochum. Das Schalker Publikum ist not amused und so startet ein gellendes Pfeifkonzert, als Vogt sich den Ball zurechtlegt. Er will halbhoch in die rechte Ecke schießen, aber Karius pariert und wird von Fans und Mitspielern gleichermaßen begeistert gefeiert (25.).

Die ohnehin bereits gute Stimmung kocht nun endgültig über, „Eine Stadt erstrahlt in Blau“, „S! 0! 4!“ und „Schalke, ich bin für dich geboren“ werden rausgebrüllt. Nach einem Zweikampf mit Sylla muss Strompf angeschlagen gegen Pannewig ausgetauscht werden (34.). Torchancen und spielerische Highlights sind trotz gutem Einsatz auf beiden Seiten Mangelware.

Torlos in die Pause

Als sich alle Zuschauer bereits mit einer torlosen ersten Halbzeit abgefunden haben, taucht plötzlich in der vierminütigen Nachspielzeit Antwi-Adjei nach einer turbulenten Woche nach einem Steilpass frei vor Horn auf, scheitert aber an dessen Fußabwehr (45+3.). schade! Applaus und „Geh‘n mit dir auf jede Reise“ gibt es mit dem Halbzeitpfiff trotzdem.

Bei einigen Beiträgen in der Fanbox stellt sich die Frage „war da etwa Alkohol im Spiel?“, an den Cateringständen heißt es „wo ist unsere Offensive?“. Vom Team Fanbelange gibt es heute einen Rückblick auf den Talk mit Youri Mulder in Leipzig, den Hinweis, dass nun alle Auswärtsanfragen für den Rest der Saison freigeschaltet sind und die neue Parkstadion-Dauerkarte, mit der man für schlanke 75 Euro sämtliche dort ausgetragenen Spiele, ob nun U23, Jugend, Frauen oder Testspiele der Profis besuchen kann.

Beide Mannschaften kommen personell unverändert wieder auf den Rasen, die Gästekurve zündelt, die Nordkurve grüßt die Fanfreunde vom FC Twente und FCN und startet eine Attacke. Spielerisch bleibt viel Luft nach oben, Abschlüsse durch Schallenberg (47.) und Sylla (54.) bringen keine echte Gefahr.

Die Nordkurve startet nun den beliebten Wechselgesang „Schalke! – Nullvier!“, zunächst mit der Südkurve, dann mit dem Oberrang. Der Bochumer Block fordert „Verbandsstrafen abschaffen“, natürlich wieder unterlegt von Feuerwerk. Die erste gelbe Karte der Partie geht an den etwas übermotivierten Hofmann, der den unermüdlichen El-Faouzi nur mit einer herzhaften Umarmung gestoppt bekommt (59.).

Bochum trifft – und wird plattgemacht

Dann aus dem Nichts plötzlich das 0:1 für den VfL: Hofmann lässt im Strafraum für Pannewig abklatschen. Dessen Direktschuss bekommt Karius nur vor die Füße von Holtmann geklärt, der sich prompt mit einem Schuss ins lange Eck bedankt (65.). Plötzlich ist auch die Gästekurve mit „VfL Bochum oléolé“ zu hören; die Nordkurve muss sich einmal kurz schütteln und schaltet dann mit „Schalke nur du alleine“ wieder in den Vorwärtsgang.

Beide Trainer bringen nun frisches Personal, Ibrahim Sissoko und Kleine-Bekel kommen für Bochum, bei Schalke greifen mit Lasme für Antwi-Adjei, Bachmann für Schallenberg und debütant Porath für Gantenbein gleich drei frische Spieler ins Geschehen ein (71.).

Und wie! Porath steht gerade 04 Minuten auf dem Feld, als ihm am Sechzehner eine Ecke vor die Füße fällt und er einfach draufhält. Der Ball wird noch von Kurucay abgefälscht und schlägt zum Ausgleich hinter Horn ein (75.). Die Stadionregie schreibt den Treffer Porath zu, offiziell gehört er wohl Kurucay, egaaaal! Kurve und Gegengerade eskalieren gepflegt, angefeuert von Maskottchen Erwin als Vortänzer und Einpeitscher.

Doch es kommt noch besser: Weitere 04 Minuten später schlägt El-Faouzi ein Träumchen von einem langen Pass in den Lauf von Lasme, der weiter in den Strafraum marschiert und Kleine-Bekel und Horn verlädt und zum 2:1 in die kurze Ecke einnetzt (79.). JAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!


Die Nummer 1 im Pott sind wir!

Die Stimmung der Schalker unter den 62.072 Zuschauern in der ausverkauften Veltins-Arena kocht nun endgültig über, „Immer wieder S 04“ und „Stadion geh’n“ ist angesagt. Den Bochumern fällt nicht mehr wirklich etwas ein, Passlack und Bero kassieren Gelb für Frustfouls. Trainer Hecking wechselt noch Onyeka und Clairicia ein, auch sie können dem Spiel jedoch keine Wende mehr geben. Stattdessen hat Schalke durch Vitalie Becker, Sylla und Karaman die Dreifachchance auf das 3:1, aber Horn kann retten.

Sanchez ersetzt Vitalie Becker (88.), Sylla scheitert frei vor dem Tor an Kleine-Bekel (89.) und es gibt drei Minuten Nachspielzeit obendrauf, in denen jedoch außer dem Wechsel Höjlund für Sylla nichts mehr passiert. Sieg!

Der Jubel über den kaum mehr erwarteten Dreier ist riesig, „Die Nummer 1 im Pott sind wir“ bringt die frustrierten Gäste auf die Palme, ist aber Balsam für alle Schalker Seelen. Trainer Muslic herzt seine Spieler und bedankt sich bei der Kurve (Grüße gehen raus an Sport1!), dann geht es vor die Kurve, wo alle gemeinsam völlig losgelöst den zweiten Sieg im zweiten Heimspiel feiern. Das Pfeifkonzert der Gäste für ihre Mannschaft wird kurzerhand hinter dem Ruhrpott-Banner mit „Geh‘n mit dir auf jede Reise… super FC Schalke“ niedergebrüllt, bevor es mit einer neuen Schleife der „Nummer 1 im Pott“ auf die Stadionrunde geht. Ist. Datt. Schön!

Schalke klettert mit nunmehr 6 Punkten in der jungen Tabelle auf Platz 5, der VfL ist 12. Und ja, spielerisch ist vor allem in der Offensive noch verdammt viel Luft nach oben, aber Moral und Einsatz stimmen, dazu spielen sich Abwehr und Karius zunehmend besser ein. Mit Hertha und Bochum wurden zwei zum Favoritenkreis gehörende Teams niedergekämpft, bitte weiter so.